Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 158 - Über Sünder und Heilige

Yudhishthira sprach:
Ich wünsche, oh Stier der Bharatas, ausführlich über die Quelle der Sünde zu hören sowie über das Fundament, worin sie ihre Wurzeln hat.

Bhishma sprach:
Höre, oh König, was das Fundament der Sünde ist. Die Begierde allein ist der große Zerstörer (von Verdienst und Güte). Aus Begierde entsteht die Sünde. Aus dieser Quelle entspringt ein Strom des Unheils und der Gottlosigkeit zusammen mit großem Leiden. Begierde ist auch die Quelle aller Hinterlist und Heuchelei in der Welt. Sie läßt die Menschen Sünden begehen. Aus Begierde entsteht der Haß (die Abneigung). Aus Begierde entstehen Verlangen, Verblendung, Betrug, Stolz, Arroganz, Rachsucht, Schamlosigkeit, Verlust von Wohlstand und Tugend, Angst, Schande, Geiz, Habgier, Stolz über die Geburt, Gelehrtheit, Schönheit und den Reichtum sowie Grausamkeit und Böswilligkeit zu anderen Wesen, Mißtrauen, Unaufrichtigkeit, Straftaten, Diebstahl, Ehebruch, Beleidigungen, Ärger, Verleumdung, Gefräßigkeit, Mord, Gewalt, Lüge, Leidenschaft, Habsucht, Angeberei, Selbstsucht, Pflichtverletzung, Überstürztheit und alle anderen Arten unheilsamer Taten - all diese entstehen aus Begierde. Im (gewöhnlichen) Leben sind die Menschen, seien es Säuglinge, Jugendliche oder Erwachsene, unfähig diese Begierde aufzugeben. Und es ist die Natur der Begierde, daß sie sogar mit dem Zerfall des Lebens nicht vergeht. Wie der Ozean nie voll wird, auch wenn unzählige Flüsse mit riesigen Wassermassen unaufhörlich hineinfließen, so kann die Begierde durch immer neue Ansammlungen jeglicher Art nie gestillt werden. Diese Begierde, die durch Ansammeln nie befriedigt und durch Erfüllung von Wünschen nie gesättigt wird, welche in ihrer wahren Natur weder von Göttern, Dämonen, Gandharvas, Nagas und allen anderen Klassen der Wesen erkannt wird, diese unwiderstehliche Leidenschaft, die zusammen mit der Unwissenheit ihr Herz den Illusionen der Welt zuneigt, sollte stets Gegenstand der Überwindung von denen sein, die ihre Seele reinigen. Stolz, Böswilligkeit, Verleumdung, Unaufrichtigkeit und Selbstsucht sind Laster, oh Nachkomme des Kuru, die man an Personen mit befleckter Seele unter der Herrschaft der Begierde erkennen kann. Sogar Gelehrte, die in ihrem Gedächtnis all die umfangreichen Schriften tragen und fähig sind, die Zweifel der anderen zu zerstreuen, zeigen sich diesbezüglich mit schwachem Geist und fühlen großes Leiden aufgrund dieser Leidenschaft. Alle begehrlichen Menschen sind fest an Neid und Ärger gebunden. Deshalb sind sie jenseits des heilsamen Verhaltens. Mit unaufrichtigen Herzen sind ihre Reden verführerisch. Sie gleichen damit dunklen Gruben, deren Öffnungen mit Gras bedeckt sind. Sie kleiden sich heuchlerisch mit dem Mantel der Religion. Mit niederem Geist berauben sie die Welt und tragen dabei die Standarte der Religion und Tugend vor sich her. Gestützt auf die Kraft oberflächlicher Begründungen (bzw. Logik) schaffen sie verschiedenste Arten religiöser Dogmen und Sekten. Im Streben, ihre Begierden zu erfüllen, zerstören sie die Wege der Tugend und Gerechtigkeit. Wenn übelgesinnte Personen unter der Herrschaft der Begierde anscheinend die Ämter der Gerechtigkeit ausüben, wird man bald die Folgen dieser Entweihungen unter den Menschen spüren. Stolz, Wut, Arroganz, Hartherzigkeit, Überheblichkeit und ein ständiger Taumel zischen Euphorie und Sorge kann man bei jenen sehen, oh Nachkomme des Kuru, die von der Begierde getrieben werden. So erkenne, daß alle, die unter dem Einfluß der Begierde stehen, zum Unheil neigen.

Ich werde dir jetzt auch über jene berichten, die als Heilige gelten und ein reines Verhalten (ohne Sünde) haben. Jene, die weder vor dem Tod in dieser Welt Angst haben noch vor der Geburt in der kommenden Welt, die nicht an tierische Nahrung gewöhnt sind und weder Anhaftung an das Angenehme noch Abneigung gegen das Unangenehme hegen, die heilsames Verhalten pflegen und Selbstdisziplin üben, denen Glück und Leid gleich wert sind, welche die Wahrheit als ihre höchste Zuflucht haben, die geben, aber nicht nehmen, die Mitgefühl pflegen und die Ahnen, Götter und Gäste verehren, die stets bereit sind, sich zum Wohle aller zu opfern, die im Geiste unerschrocken sind, die alle Aufgaben der heiligen Schriften beachten, die dem Wohl aller Wesen gewidmet sind und für sie alles hingeben können, sogar ihr Leben - diese gelten als gut und tugendhaft, oh Bharata. Diese Geschöpfe der Gerechtigkeit können vom Pfad der Tugend nicht abgedrängt werden. Denn ihr Verhalten, welches den Vorbildern der Rechtschaffenen alter Zeiten folgt, ist wesenhaft und könnte niemals anders sein. Sie sind vollkommen furchtlos, innerlich still, mild und der Wahrheit verbunden. Voller Mitgefühl, werden sie stets von den Rechtschaffenen verehrt. Sie sind von Begierde und Haß frei und an keine weltlichen Ziele gebunden. Sie haben keinen Egoismus und beachten heilige Gelübde. So sind sie stets verehrungswürdig. Deshalb diene ihnen beständig und suche ihre Belehrung, oh Yudhishthira. Sie erwerben nie Tugend mit dem Wunsch nach Reichtum oder Berühmtheit, sondern weil es eine Aufgabe im Leben ist, genauso, wie den Körper zu erhalten. Angst, Haß, Unruhe und Sorgen wohnen nicht in ihnen. Sie tragen niemals das äußerliche Gewand der Religion, um ihre Mitmenschen zu verführen. Sie hegen keine Geheimnisse, sind vollkommen zufrieden und urteilen nie fehlerhaft, wie es durch Begierde geschieht. Sie sind stets der Wahrheit und Aufrichtigkeit gewidmet und ihre Herzen fallen nie von der Gerechtigkeit (dem Dharma) ab. Du solltest ihnen stets deine Hochachtung zeigen, oh Sohn der Kunti. Sie sind weder über Gewinn erfreut, noch leiden sie unter Verlust. Ohne jegliche Anhaftung und befreit vom Egoismus, sind sie der Qualität der Güte verbunden und betrachten alles mit dem Auge der Einheit (bzw. „Einsicht“). Gewinn und Verlust, Wohl und Weh, Angenehmes und Unangenehmes, Leben und Tod, sind in den Augen dieser festgegründeten Menschen gleichwertig. Sie sind der Selbsterkenntnis gewidmet und gehen den Pfad der Stille und Wahrheit. Mit gezügelten Sinnen und voller Achtsamkeit solltest du diese Hochbeseelten stets verehren, die solche allumfassende Liebe zur Tugend haben. Oh Gesegneter, die eigenen Worte wirken nur durch die Gunst der Götter zum Wohle. Ansonsten bleiben sie unfruchtbar oder wirken zerstörend.


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