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Die Geschichte einer ungewöhnlichen Übersetzung

Wie die erste Englischübersetzung des Mahabharata in Indien vollendet wurde.

Das Mahabharata ist eine der umfangreichsten Geschichten in der ganzen Welt. Das große Sanskrit Epos, das von Krishna Dwaipayana (besser bekannt als Veda Vyasa) verfaßt wurde, besteht aus 8800 Versen. Es wurde im Laufe der Jahrhunderte in viele Sprachen übersetzt, manchmal recht treu, manchmal mit Variationen.

Das erste, ins Englische übersetzte Buch des Epos, welches sich strikt an den Text hielt, erschien 1888. Herausgeber war die Bharata Press, deren Eigentümer Protap Chandra Roy war. Und das letzte Buch erschien 1896, fast zwei Jahre nach Roy’s Tod.

Protap Chandra Roy
Protap Chandra Roy (1842–1895)

Die britische Regierung in Indien fühlte in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, daß es für ihre britischen Beamten vor Ort wichtig wäre, die Kultur und Religion der Hindus zu verstehen, damit die Ausübung ihrer Pflichten besser gewährleistet sei. Roy stimmte dieser Ansicht zu, als er sagte: „Wir nehmen jede Anstrengung auf uns, die Schätze von Manu ans Licht zu bringen. Denn Vyasa und Valmiki werden als wertvolle Mittel für eine gute Regierung betrachtet.“ Neben den britischen Beamten würde eine englische Übersetzung des Werkes auch ein größeres Publikum erreichen, sowohl in Indien als auch in der ganzen Welt, zumal nicht viele Menschen Sanskrit beherrschen.

Der Earl von Devonshire und auch der Sekretär des Staates Indien baten Dr. Reinhold Rost, den Bibliothekar des Indischen Büros in London, eine geeignete Person für die Übersetzung und Herausgabe des Mahabharata ausfindig zu machen. Und Rost’s Wahl fiel auf Protap Chandra Roy.

Roy hatte sich einen guten Ruf als Eigentümer der Bharata Press erworben, welche viele religiöse Bücher in Sanskrit und Bengali herausgegeben hatte. Im Auftrag des Maharaja von Burdhwan hatte Roy bereits eine Bengali Übersetzung des Bharata herausgegeben. Diese bestand aus zweitausend Exemplaren, die gratis verteilt worden waren. Und nun drängte ihn Rost per Brief, das Projekt der Englisch Übersetzung in Angriff zu nehmen, ohne ihm dabei anzubieten, es auch zu finanzieren.

Bevor Roy sich entschied, konsultierte er viele Gelehrte und Würdenträger, sowohl zur literarischen als auch finanziellen Machbarkeit. Besonders der deutsche Gelehrte Max Müller ermutigte ihn und, um das Projekt voranzutreiben, sandte er ihm das von einem Studenten ins Englische übersetzte, erste Buch, das Adi Parva, von ihm selbst transkribiert. Hohe Würdenträger, wie Lord Ripon, einige Rajas und Zamindars, sagten ihre finanzielle Unterstützung zu. Generell war die Öffentlichkeit sehr enthusiastisch und bot von sich aus Spenden an. Doch es gab auch Skeptiker, wie niemand Geringeren als Iswara Chandra Vidyasagar, der die Idee verhöhnte.

Doch die Würfel waren gefallen, und Roy stürzte sich kopfüber in das Projekt. Er hatte bereits einen effizienten Manager für seinen Verlag, Durga Charan Banerjee, den er mitnahm, als er sich und das Projekt Kisari Mohan Ganguli vorstellte. Ganguli war ein Gelehrter und Literatier, den Roy für die Übersetzung gewinnen wollte. Zuerst war Ganguli skeptisch, solch eine Mammut Aufgabe in der Dimension des Mahabharata in Angriff zu nehmen. Auch bezweifelte er, daß Roy es schaffen würde, genügend Ressourcen für das Projekt aufzutreiben. Doch nachdem er sich mit Freunden beraten hatte, warf auch er sein Los in die Waagschale. Er stellte nur eine Bedingung an Roy, daß seine Identität als Übersetzer so lange verhüllt bliebe, bis das gesamte Werk getan sei. „Ungeachtet meines Entschlusses, meine Pflicht voll und ganz zu erfüllen,“, argumentierte Ganguli, „kann es ja sein, daß ich nicht lange genug lebe, um das Werk zu vollenden.“ Außerdem lag es ihm fern, in dieser Aufgabe Ruhm zu suchen.

Kapitel für Kapitel, Buch für Buch nahm sich Ganguli zur Übersetzung und Veröffentlichung vor. Vom Vorwort bis zur erfolgreichen Publikation kennen wir die Widrigkeiten und Beschwernisse, die das Projekt durchlief. Nach Jahren der Vorbereitungen erschien 1888 das erste Buch, das Adi Parva. Der Anfang war ermutigend, denn die finanzielle Unterstützung kam von allen Seiten. Eine hübsche Spende von 11.000 Rs kam von der Regierung auf Instruktion des Vizekönigs, Lord Dufferin. Und Roy hatte keinen Zweifel, daß es für alle achtzehn Bücher weiterhin so sanft dahingleiten würde.

Für einige weitere Bücher flossen die Mittel ähnlich ausreichend, und die halbe Arbeit war ohne große Probleme geschafft. Doch dann begann der Druck. Roys Gesundheit verschlimmerte sich, und das Geld wurde knapp. Die Bücher waren gratis verteilt worden, und Roy hing voll und ganz von Spenden und Schenkungen für die weiteren Publikationen ab. Da es ihm bestimmt war, das Projekt durchzubringen, verkaufte er all sein Hab und Gut, was er für entbehrlich hielt, und begann zu borgen. Er schrieb: „Ein Werk wie dieses kann nur ein König oder ein Bettler schaffen. Ich habe keine Wahl, außer zu betteln, damit es weiter geht.“

Mit dem zwölften Buch, dem Shanti Parva, welches die Belehrung Bhishmas von seinem Todeslager an Yudhishthira enthält, war der wesentliche Teil der Bharata Geschichte geschafft. Als er die Teilzahlung dafür veranlasste, schrieb Roy: „Vier Fünftel meines selbstauferlegten Werkes sind getan. Was jetzt noch zu tun bleibt, ist ein Fünftel des Ganzen.“ Dabei schätzte er, daß weitere 20.000 Rs. reichen würden, die Bilanz auszugleichen. Eine beängstigende Aufgabe, denn er war körperlich und finanziell völlig erschöpft. Dennoch klopfte er an alle Türen, von denen er sich Unterstützung erhoffte. Von der Regierung erhielt er 3000 Rs, von denen 1000 erst nach Vollendung des Projektes gezahlt würden. Roys Gesuch war pathetisch: „Ich habe den größeren Teil des Ozeans überquert. Was noch bleibt, ist nicht viel. Land ist schon in Sicht. Wie erschöpft ich auch sein mag, ich kann nicht daran denken, daß meine Gönner mich nun abweisen werden. Ich bin mir sicher, ich werde von helfenden Händen ans Ufer gezogen.“

Nach der Veröffentlichung zwei weiterer Bücher, starb Roy 1894. Seine letzten Worte waren: „ … In meinem Testament habe ich verfügt, daß alles, was mir noch verblieben ist, dem Werk gewidmet sein soll. Nun, das ist leider sehr wenig. Möge es genügen.“

Daraufhin betrat Sundari Bala Roy, die Witwe Roys, die Bühne. Als Verkörperung von allem, was an indischen Frauen als edel gilt, hatte sie ihren Ehemann all die Zeit und in all seinen Bemühungen mit ganzem Herzen unterstützt. Sie achtete den Appell ihres Mannes vom Todeslager und zog sich den Mantel des Verlegers an.

Die Belegschaft der Bharata Press und auch Kisari Mohan Ganguli stärkten ihr den Rücken, und die Arbeit ging weiter. Mit einer Liste möglicher Spender, die ihr Gatte hinterlassen hatte, zog Sundari Bala los und sprach bei jedem Einzelnen um Unterstützung vor. Auch appellierte sie an das lesende Publikum, welches so gut reagierte, wie es nur vermochte. Sie verkaufte alles, was sie als Mitgift bekommen hatte und borgte von überall, wo sie nur konnte.

Ihre Bemühungen waren mit Erfolg gekrönt, und das letzte Buch des Epos wurde 1896 veröffentlicht. Der letzte Vers des Mahabharata war übersetzt und publiziert, und der Übersetzer hatte das Wort „Finis“ an das Ende des achtzehnten Buches gesetzt. „Freude tritt in mein Herz ein und läßt es erstrahlen.“, erklärte Sundari Bala glücklich. Sie erinnerte sich an die Zeit, als das Werk zuerst erörtert wurde und welchen Gegenwind es auszuhalten hatte. „Nun, da das Werk vollendet wurde,“ schrieb sie, „würde niemand mehr behaupten, mein Ehemann wäre verrückt. Doch weh, wo sind mein Gatte und Vidyasagara heute? Wären sie beide noch am Leben, wieviel hätten sie sich zu sagen.“

Doch bald folgte Düsternis, als sie die Schulden abschätzte, in die sie und ihr Ehemann gerutscht waren. Sage und schreibe 10.000 Rs. „Der Gedanke quält mich nun,“ sagte sie, „wie kann ich meinen Gatten von seinen Schulden befreien und meine eigenen zurückzahlen?“ So schickte sie neue Gesuche an die Regierung, die Rajas und die Öffentlichkeit.

In ihrem Nachwort zum Epos, dankte sie ausdrücklich allen, die geholfen hatten: Engländer, Gelehrte und Wohltäter. Sie erwähnte Spender aus Frankreich, Griechenland und den USA. Unter den indischen Rajas waren der Maharaja von Mysore und der Nizam von Hyderabad die größten Geldgeber gewesen. Zwei der Rajas, die von Vizianagaram und Durbhanga, wurden besonders erwähnt, denn sie hatten Hilfe versprochen aber nie geleistet. „Ihre Verweigerung, ein Projekt zu unterstützen, welches von so vielen Menschen getragen wurde,“, sagte sie, „ist kaum mit ihrem als großzügig bekannten Charakter in Einklang zu bringen.“

Konnte Sundari Bala die Schulden ihres Ehemannes und die eigenen zurückzahlen? Wie lange lebte sie noch, nachdem die Bharata Press das große Meisterwerk publiziert hatte? Konnte ihre einzige, verheiratete Tochter ihr helfen? Starb sie in Armut und Schulden? Dies sind Fragen, auf die keine Antworten gefunden werden konnten.

Einige wenige Original Exemplare der Bharata Press Publikation sind heute noch erhalten. Es gibt jedoch viele Nachdrucke und ebenfalls ein zweite Überarbeitung der „Oriental Publications Co.“ in Kalkutta, welche abgesehen von den Schreibweisen einiger Namen dem Werk nicht viel Gutes getan hat. Die Umformulierungen wurden nicht wesentlich verständlicher und beim Abschreiben haben sich viele neue Fehler eingeschlichen (siehe Vergleich). Doch wie es das Schicksal im Kali Yuga will, ist gerade diese Version im Internet am meisten verbreitet.


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