Pushpak Mahabharata Buch 8Zurück WeiterNews

Kapitel 91 – Karnas Tod

Sanjaya fuhr fort:
Es war Krishna, der ihm vom Wagen herab zuerst Antwort gab:
Welch gutes Schicksal ist dein, oh Sohn der Radha, denn du erinnerst dich an die Tugend. Man kann es überall erleben, daß die niedrig Gesinnten in Zeiten großer Not die Vorsehung beklagen und nicht ihre eigenen Übeltaten. Damals, als du, Duryodhana, Shakuni und Dushasana Draupadi in nur einem Kleid in die Versammlung gezwungen habt, hat sich deine Tugend leider nicht gezeigt. Und als der Meisterspieler Shakuni den unerfahrenen Yudhishthira im Würfeln besiegte – wo war da deine Tugend? Als Duryodhana mit deinem Wissen dem Bhima Gift ins Essen gab, wohin hatte sich da deine Tugend begeben? Nach den dreizehn Jahren im Exil wolltest auch du den Pandavas ihr Königreich nicht übergeben. Was war damals mit deiner Tugend los? Du wußtest darum, daß das Lackhaus in Brand gesetzt werden sollte, um die schlafenden Pandavas zu ermorden. Wohin war deine Tugend in dieser Nacht gegangen? Und Draupadi hast du ausgelacht, als sie kaum bekleidet wegen ihrer Periode Dushasana ausgeliefert war – War es deine Tugend, die gelacht hat? Als die unschuldige Draupadi gegen jede Sitte aus den inneren Frauengemächern gezerrt wurde, bist du nicht eingeschritten. Wo war deine Tugend? Du selbst hast zur würdevoll schreitenden Dame gesagt: „Deine Gatten sind verloren. Sie sanken in eine ewige Hölle. Wähle dir lieber einen anderen Ehemann.“, und die Szene hat dich ergötzt. Und wo war damals deine Tugend? Auch du warst habgierig auf das Reich und vertrautest Shakuni, als die Pandavas zum Würfelspiel gerufen wurden. Wo war damals deine Tugend? Und als viele mächtige Krieger den Jüngling Abhimanyu umzingelten und ihn schlugen, wohin war deine Tugend gegangen? Die Tugend, die du jetzt anrufst, war bei all diesen Gelegenheiten nicht zu sehen. Wozu dörrst du jetzt deinen Gaumen aus, indem du sie anrufst?

Es ist gut, daß du dich jetzt an die Tugend erinnerst, doch sterben mußt du trotzdem. Wie Nala im Spiel an Pushkara sein Königreich verlor und es später durch Geduld und Tapferkeit wiedergewann, so werden die Pandavas mit ihren Freunden ohne jegliche Gier, sondern durch die Kraft ihrer Arme das Reich zurückerobern. Sie werden mit Hilfe der Somakas in der Schlacht ihre mächtigen Feinde besiegen, und das Königreich bekommen. Und die Söhne von Dhritarashtra werden durch die Hand dieser Löwen unter den Männern auf Vernichtung treffen, denn sie werden immer von der Tugend beschützt.

Sanjaya erzählte weiter:
Da ließ Karna voller Scham den Kopf hängen und gab keine Antwort. Doch dann zitterten seine Lippen vor Wut, er sprang wieder auf den Wagen, packte den Bogen und kämpfte weiter, voller Energie und Heldenmut, wie er war.

Und Krishna sprach zu Arjuna:
Oh Mächtiger, benutz eine himmlische Waffe und wirf ihn nieder.

Bei diesen Worten des Heiligen fühlte nun auch Arjuna großen Zorn, denn all die Bosheiten gegen Draupadi kamen ihm überdeutlich wieder in den Sinn. Er loderte in rasender Wut, und alle Poren seines Körpers schienen Flammen zu speien. Sein Anblick erstaunte sogar Karna, der die Brahma Waffe rief und Arjuna damit beschießen wollte. Schnell wagte er noch einen Versuch, sein Wagenrad anzuheben, doch Arjuna ließ nun Brahmapfeile auf ihn regnen. Dann legte Arjuna einen seiner Lieblingspfeile auf, der die Energie von Agni besaß. Lodernd flog die Waffe davon, doch Karna erinnerte sich an die Varuna Waffe, und löschte die fliegende Feuersbrunst. Und die Wolken, die Karna mit der Varuna Waffe herbeirief, verdunkelten den Himmel wie an einem regnerischen Tag. Mit der Vayavya Waffe vertrieb Arjuna furchtlos die Wolken, während Karna einen gräßlich, brennenden Pfeil auflegte, um seinen Gegner zu vernichten. Als dieser lang verehrte Pfeil gezogen wurde, bebte die Erde mit all ihren Bergen, Wäldern und Gewässern. Gewaltsame Winde erhoben sich, die sogar Steine fliegen ließen. Alles trübte sich von Staub, und unter den Göttern im Himmel erhob sich Wehgeschrei. Sogar die Pandavas wurden mutlos und traurig, als sie diesen Pfeil sahen. Der Pfeil kam wie der Blitz über Arjuna, drang in seine Brust ein, und der hochbeseelte Krieger wankte. Sein Griff lockerte sich, Gandiva entglitt seiner Hand, und er zitterte wie ein Berg bei einem Erdbeben. Karna nutzte die Gelegenheit, sprang wieder vom Wagen ab und ergriff das Wagenrad. Doch trotz seiner großen Stärke, verwehrte ihm das Schicksal jeden Erfolg. Als Arjuna nach einer Weile sein Bewußtsein wiedererlangt hatte, ergriff er einen tödlichen, breitköpfigen Pfeil.

Nun drängte Krishna:
Köpf deinen Feind damit, bevor er wieder auf seinen Wagen aufspringen kann.

Arjuna stimmte lobend zu, legte den rasiermesserscharfen Pfeil auf und fällte die Standarte Karnas mit dem Bild des Elefantengurtes. Diese Standarte war ein kostbares Werk der Künstler gewesen, mit Gold, Perlen, Juwelen und Diamanten verziert. Ein außergewöhnlich schönes Stück, welches deine Truppen immer ermutigt und den Feind mit Ehrfurcht erfüllt hatte. Die Standarte ward überall gelobt und geehrt und strahlte so glanzvoll wie die Sonne. Doch nun fiel sie durch Arjunas blitzenden und schönen Pfeil. Und mit ihr fielen Ruhm und Stolz, die Hoffnung auf Sieg und alles Geschätzte nebst den Herzen der Kurus. In deiner Armee ertönten die ersten Ach- und Weh- Rufe, und Niedergeschlagenheit und Mutlosigkeit verbreitete sich. Schnell nahm nun Arjuna einen zweiten Pfeil aus dem Köcher für die breitköpfigen Pfeile, der so mächtig wie Indras Blitz und so glänzend wie die tausendstrahlige Sonne war. Er war drei Ellen und sechs Fuß lang, trug bereits Vernichtung, Blut und Fleisch in sich, war aus den kostbarsten Materialien gemacht und flog völlig gerade und extrem schnell. Seine Durchschlagskraft glich dem Donner von Indra oder Narayanas Diskus, er war so gräßlich wie ein Rakshasa und konnte jedes Geschöpf zerstören. Mit frohem Herzen ergriff Arjuna diese gewaltige Waffe in Gestalt eines Pfeiles. Er hatte das hochbeseelte Wesen lange verehrt und geschätzt, so daß ihm nun auch kein Gott oder Asura widerstehen konnte. Das Universum bebte, als er den Pfeil erhob, und die Rishis riefen: „Friede den Welten!“.

Arjuna legte die Waffe auf Gandiva, spannte ihn mächtig und sprach schnell:
Möge dieser Pfeil eine mächtige Waffe sein, damit er Körper und Herz meines Feindes vernichten kann, falls ich je asketische Enthaltsamkeit geübt, die Älteren erfreut habe und den Lehren meiner wohlmeinenden Freunde gefolgt bin. Möge aufgrund dieser Wahrhaftigkeit der von mir geehrte Pfeil von großer Schärfe meinen Feind Karna schlagen.

Dann entließ er den Pfeil, welcher so furchtbar und wirkungsvoll wie ein im Atharvan beschriebener Ritus von Angiras war. Der Tod selbst hätte ihn nicht aufhalten können. Und Arjuna fügte hinzu:
Möge dieser Pfeil zum Sieg führen. Möge der feuergleich Strahlende von mir abgeschossen den Karna vor Yama bringen.

Und der Pfeil erleuchtete alle Himmelsrichtungen mit seinem Glanz. Freudig war er abgeschossen und auch voller feindlicher Gefühle für Karna. Und er trennte das Haupt des Feindes vom Rumpf, wie Indra den Vritra einst mit seinem Donnerblitz köpfte. Es war Nachmittag, als der durch Mantras zur großen Waffe erhobene Pfeil sein Werk verrichtete. Und Karnas Körper fiel leblos zu Boden, sein strahlender und schöner Kopf glich der roten Sonnenscheibe, wenn sie vom Asta Berg hinabgleitet. Unwillig trennte sich das Haupt des mächtigen Kriegers vom Rumpf, so schön und luxuriös wie es war und voll edler Taten. So unwillig, wie man ein reiches und kostbares Heim verläßt. Wie ein gewaltiger, von Erzen rotgefärbter Berg fiel der aus vielen Wunden blutende Körper Karnas zu Boden. Und es trat sogleich ein Licht aus ihm aus, welches durch den Himmel eilte und in die Sonne einging. Alle menschlichen Krieger konnten diesen wunderbaren Anblick sehen. Nur einen Moment später bliesen die Pandava Heerscharen jubelnd ihre Muschelhörner, was ihnen Krishna und Arjuna voller Erleichterung und Freude gleichtaten. Die Somakas brüllten laut und euphorisch beim Anblick des toten Karna, überall ertönten die Trommeln und fröhliche Arme schwenkten Kleider.

Die Krieger rannten zu Arjuna, um ihm glücklich Beifall zu spenden. Untereinander fielen sie sich in die Arme, tanzten und riefen:
Welch gutes Glück, daß Karna von Pfeilen getroffen auf dem Boden liegt.

So war die Karna Sonne nun durch Arjuna untergegangen, die zuvor mit ihren Strahlenpfeilen die feindliche Armee verbrannt hatte. Und wie die Sonne ihre Kraft verliert, wenn sie sich dem Asta Berg nähert, so hatte Arjunas Pfeil Karna den Lebensatem genommen. Vor aller Augen war es am Nachmittag geschehen, und der heldenhafte Karna lag ausgestreckt auf der Erde. Shalya verließ völlig blutgebadet das Schlachtfeld auf dem Wagen ohne Standarte. Und die Kauravas verloren ohne ihren Anführer und schwer gepeinigt von den Pandava Waffen das Feld. Dabei warfen sie furchtsame Blicke auf Arjunas hohe und glänzende Standarte und auf Karnas schönen Kopf mit den Lotusaugen, welcher der untergehenden Sonne glich.


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