Pushpak Mahabharata Buch 8Zurück WeiterNews

Kapitel 32 – Die Bitte an Shalya

Sanjaya sprach:
Dein Sohn trat demütig vor den großen Wagenkrieger Shalya hin und sprach liebevolle Worte:
Oh du mit den aufrechten Gelübden, du mit dem guten Schicksal, du Bedrücker deiner Feinde, Herrscher der Madras und Held in der Schlacht, du pflanzt immer Angst in die Herzen der Feinde. Du bester Redner hast sicher vernommen, was Karna um unser Wohl bedacht zu mir sprach und um was ich dich unter allen Königen bitten möchte. Oh du mit dem unermeßlichen Heldenmut, du Löwe unter allen Königen, für die Vernichtung der Feinde beuge ich in Demut mein Haupt vor dir und flehe dich an. Um Arjuna zu vernichten und mir Gutes zu tun, bitte ich dich, aus Zuneigung den Dienst des Wagenlenkers anzunehmen. Mit dir als Wagenlenker wird Karna meine Feinde besiegen. Niemand führt die Zügel so wie du, oh du mit dem guten Schicksal, denn du bist Krishna ebenbürtig in der Schlacht. Unterstütze Karna mit allen Mitteln wie Brahma den Maheshvara (Shiva) beschützt. Auch Krishna beschützt mit allen Mitteln den Sohn des Pandu in jeder Gefahr, so beschütze du heute den Sohn der Radha. Bhishma, Drona, Kripa, du selbst, der tapfere Herrscher der Bhojas, Shakuni, Aswatthaman und ich – dies waren und sind die großen Anführer unserer Armee. Und daher haben wir das feindliche Heer in neun Teile geteilt, für jeden Anführer einen Anteil. Der Anteil von Bhishma existiert nicht mehr, und auch der vom hochbeseelten Drona. Und die beiden Tiger unter den Männern haben noch viel mehr Feinde als nur ihren Anteil vernichtet, dabei waren sie alt und wurde hinterhältig besiegt. Nach den schwierigsten Meisterleistungen sind die beiden in den Himmel aufgestiegen, oh Sündenloser. Wie auch viele andere Helden auf unserer Seite nach tapferstem Kampf bis zum Äußersten ihrer Kräfte ihr Leben abgeworfen haben und sich den Himmel gewannen. Und doch wurde der größte Teil meines Heeres von den Pandava Armeen vernichtet, welche weniger zählen als wir. Was können wir jetzt tun? Nur alles dafür, daß die Pandavas nicht noch den kleinen Rest meiner Truppen auslöschen. Sie haben schon die besten Krieger meiner Einheit geschlagen. Und der starkarmige Karna ist mir zugetan, so wie auch dir, du bester Krieger auf der ganzen Erde. Oh Shalya, Karna wünscht, die Schlacht mit Arjuna heute fortzusetzen. Auf ihm ruhen, oh Herrscher der Madras, alle meine Hoffnungen auf Sieg. Und niemand sonst in der Welt kann die Zügel für ihn so führen wie du. Wie Krishna der beste Wagenlenker für Arjuna ist, so sei du es für Karnas Wagen. Von Krishna beschützt und geholfen hat er Meisterleistungen vollbracht, die er nie zuvor geschafft hat, denn sein Heldenmut wurde groß in der Gemeinschaft mit Krishna. Tag für Tag muß ich mit ansehen, wie die beiden mein weites Heer dezimieren. Nur noch ein Rest von deinem und Karnas Teil ist übriggeblieben, oh du Strahlender. Übernimm diesen Rest mit Karna, und vernichte mit ihm vereint den Feind vollständig. So wie Surya mit Aruna vereint die Dunkelheit vernichtet, so vernichte mit Karna vereint die Pandavas in der Schlacht. Laß die großen Wagenkrieger des Feindes vor euch fliehen, wenn sie euch strahlende Kämpfer gemeinsam streiten sehen. Karna und Shalya, wie zwei Sonnen werdet ihr euch über dem Horizont erheben! Karna ist der beste Wagenkrieger, und du bist der beste Wagenlenker. Im Getümmel der Schlacht ist euch niemand ebenbürtig. So beschütze den Karna, wie Krishna unter allen Umständen Arjuna beschützt. Mit dir wird Karna unbesiegbar sein, oh König, und wären selbst die Götter mit Indra seine Gegner. Was also noch von den Pandavas reden? Oh, bezweifle meine Worte nicht.

Shalyas Zorn

Doch bei diesen Worten Duryodhanas erhob sich Zorn in Shalya. Er zog seine Stirn in drei Falten, schwenkte die Arme hin und her, rollte wütend seine großen Augen und sprach voller Stolz auf seine Abstammung, seinen Reichtum, sein Wissen und seine Stärke:
Du beleidigst mich, oh Sohn der Gandhari. Oder zweifelst du an mir, weil du ohne zu zögern zu mir sprichst: „Sei ein Wagenlenker!“? Du denkst, Karna ist uns überlegen und lobst ihn hoch. Doch ich erachte ihn nicht als mir ebenbürtig im Kampf. Übergib mir einen größeren Anteil an der Schlacht, oh Herr der Erde. Ihn vernichtend kehre ich zu dem Ort zurück, von dem ich kam. Oder wenn du es wünschst, oh Entzücken der Kurus, dann ziehe ich ganz allein in die Schlacht gegen den Feind. Dann wirst du heute meinen Heldenmut sehen. Männer wie wir verrichten niemals unsere Aufgaben, wenn wir über eine Demütigung grübeln müssen. Zweifle nicht an mir! Und niemals solltest du mich in der Schlacht demütigen! Schau meine beiden massigen Arme, so stark wie der Donner. Schau meinen vorzüglichen Bogen und die Pfeile, die so gefährlich sind wie giftige Schlangen. Schau meinen Wagen, an dem hervorragende Pferde angespannt sind, die so schnell wie der Wind rennen können. Und schau, oh Sohn der Gandhari, meine mit Gold verzierte und mit Hanfschüren umwundene Keule. Mit gerechtem Zorn angefüllt kann ich mit meiner Energie die Erde spalten, die Berge zertrümmern und die Ozeane austrocknen. Und du kennst meine Fähigkeiten, den Feind zu besiegen. Warum legst du mir den Dienst als Wagenlenker für eine so niedrig geborene Person wie Karna nahe? Es ziemt sich wahrlich nicht für dich, oh König der Könige, mir so eine schäbige Aufgabe zu übergeben. Solcherart höher stehend kann ich mich nicht entschließen, die Kommandos eines sündigen Mannes zu befolgen. Denn wer einen aus eigenem Willen gekommenen und aus Liebe dienendem Hochgeborenen gebietet, sich einem sündigen Lumpen unterzuordnen, der begeht die Sünde, das Hohe mit dem Niederen zu verwirren. Brahma schuf die Brahmanen aus seinem Mund, die Kshatriyas aus seinen Armen, die Vaisyas aus seinen Oberschenkeln und die Shudras aus seinen Füßen. Diese vier Ordnungen vermischten sich, und es entsprangen besondere Kasten, als hochgeborene Männer niedrigere Frauen heirateten und umgekehrt. Die Kshatriyas werden beschrieben als Beschützer, Ansammler von Reichtum und Verteiler desselben. Die Brahmanen wurden auf Erden etabliert, um den Menschen Gutes zu tun, indem sie Opfer unterstützen, lehren und reine Gaben annehmen. Landwirtschaft, Viehzucht und Handel sind die Beschäftigungen der Vaisyas gemäß den Schriften. Und den Shudras ist es bestimmt allen anderen Kasten zu dienen. Und so sind die Sutas (als Mischkaste) die Diener der Kshatriyas, und nicht umgekehrt. Höre meine Worte, oh Sündenloser. Was mich anbelangt, ich bin einer, dessen königliche Locken das heilige Bad empfingen. Ich wurde in ein Geschlecht königlicher Weiser hineingeboren. Ich gelte als großer Wagenkrieger. Ich verdiene die Ehre und das Lob, welches die Barden singen. Und daher, oh Bezwinger der feindlichen Heerscharen, kann ich nicht als Wagenlenker für den Sohn eines Suta in der Schlacht herhalten.

Sanjaya sprach weiter:
Mit diesen Worten erhob sich der verärgerte Shalya brüsk, dieser Tiger unter den Männern und Juwel aller Versammlungen, und wollte fortgehen. Doch voller Zuneigung und Achtung hielt ihn dein Sohn Duryodhana auf und sprach zu ihm mit lieben und versöhnlichen Worten, die jedes Ziel erreichen konnten:
Zweifellos, oh Shalya, ist es genauso wie du sagst. Doch ich habe eine besondere Absicht. Höre, oh Herrscher der Menschen. Karna ist nicht höhergestellt als du, und ich zweifle auch nicht an dir, oh König. Du, königlicher Weiser der Madras, wirst niemals etwas tun, was falsch ist. Diese besten Männer, welche deine Vorfahren waren, sprachen immer die Wahrheit. Daher wirst du auch Artayani genannt (ein Nachfahre derer, die in der Wahrhaftigkeit Zuflucht suchen). Und für deine Feinde bist du wie ein Pfeil mit Widerhaken, und dafür wirst du auf Erden Shalya genannt, oh Segenspender. Oh du freigebig Opfernder und Wohltäter von Brahmanen, vollbringe alles, was du Tugendhafter angekündigt hast. Ich habe dich nicht als Wagenlenker für Karnas Wagen ausgewählt, weil ich denke, daß Karna oder ich dir an Heldenmut überlegen wären, sondern weil du Krishna als Wagenlenker überlegen bist, so wie Karna dem Arjuna in vielen Eigenschaften überlegen ist. Ja, Karna ist besser als Arjuna in Sachen Waffen, und du bist besser als Krishna, was Pferde und Macht anbelangt. Die ganze Welt weiß, daß dein Wissen über Pferde zweimal so groß ist wie das von Krishna.

Da antwortete Shalya:
Da du mich, oh Sohn der Gandhari, inmitten aller Truppen und Anführer als Krishna überlegen beschreibst, bin ich sehr zufrieden mit dir, oh Nachfahre des Kuru. Ich werde auf dein Bitten hin der Wagenlenker vom ruhmreichen Karna sein, wenn er gegen Arjuna, den Besten der Pandu Söhne, kämpft. Doch eines behalte ich mir vor: Ich werde im Beisein des Helden Karna alles sagen, was mir beliebt.

Und sowohl Karna als auch dein Sohn antworteten dem Herrscher der Madras:
So sei es.


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