Pushpak Mahabharata Buch 8Zurück WeiterNews

Kapitel 9 – Dhritarashtra klagt weiter

Und Sanjaya versuchte zu trösten:
Die Welt erachtet dich dem Yayati ebenbürtig in Schönheit, Geburt, Ruhm, Askese und Gelehrtheit. Tatsächlich gleichst du im Wissen einem großen Rishi, oh König, so hoch vervollkommnet und erfolgreich wie du bist. Sammle deine Kräfte. Und übergib dich nicht dem Kummer.

Dhritarashtra sprach:
Das Schicksal ist überragend und Anstrengung fruchtlos, wenn einer wie Karna in der Schlacht sterben mußte. Nachdem er Yudhishthiras Armee und große Teile der Panchala Wagenkrieger vernichtend geschlagen, alle Himmelsrichtungen mit seinen Pfeilen durchbohrt und die Feinde wie der Träger des Donners verwirrt hatte, wie konnte so ein mächtiger Kämpfer dem Feind unterliegen und wie ein vom Sturm entwurzelter Baum zu Boden gehen? Ach, ich sehe kein Ende meines Grams, wie ein Ertrinkender nicht das Ufer erblickt. Meine Ängste wachsen, und ich wünsche nicht zu leben, wenn ich von Karnas Tod und Arjunas Sieg weiß. Oh Sanjaya, höchst unglaublich scheint mir Karnas Niederlage zu sein. Ach, mein Herz ist aus Härterem als Adamant gemacht, denn es zerspringt nicht in tausend Stücke. Zweifellos haben mir die Götter ein langes Leben bestimmt, denn ich vergehe nicht im schmerzvollen Gram um Karnas Tod. Schande über das Leben eines Mannes, der keine Freunde hat. Elend werde ich weiterleben, oh Sanjaya, denn mein törichtes Verständnis brachte mich heute in die bitterste Lage, die andere nur bemitleiden können. Einst von der ganzen Welt hochgeehrt, überrennen mich nun die Feinde. Wie soll ich damit weiterleben, oh Suta? Ich wurde von Schmerz zu größerem Schmerz und nun bis zur Katastrophe getrieben durch den Fall von Bhishma, Drona und Karna. Ich sehe nicht, wie nur einer aus meiner Armee mit dem Leben davonkommen könnte nach Karnas Tod. Er war für meine Söhne das rettende Floß. Und nun ist er tot. Welchen Sinn hat mein Leben noch ohne ihn? Bestimmt fiel er von Pfeilen getroffen vom Wagen wie ein Felsen, den der Blitz traf. Sicher liegt er nun blutgebadet auf der Erde wie ein Elefant, den ein anderer besiegte. Ach, er war die Kraft in unserem Heer und das Ziel aller Ängste des Feindes. Und nun wurde dieses Juwel aller Krieger von Arjuna geschlagen. Er war ein Held. Er war der große Bogenkrieger, der meinen Söhnen die Sorgen vertrieb. Und nun liegt er leblos am Boden. Die Erfüllung von Duryodhanas Wünschen wäre wie das Laufen für einen Lahmen gewesen oder wie Wassertropfen für einen Verdurstenden. Wie genau wir es auch planen mögen, es endet doch anders. Weh, das Schicksal ist übermächtig, und die Zeit kann niemals übergangen werden.

Starb mein Sohn Dushasana demütig im Staub, während er vom Schlachtfeld floh, bar aller Männlichkeit und mit unwürdiger Seele? Oh Sanjaya, ich hoffe mein Sohn hat nicht feige gehandelt, und er traf heldenhaft auf seinen Tod wie die anderen Kshatriyas. Ach, der närrische Duryodhana nahm Bhishmas beständigen und wie Medizin heilsamen Rat nicht an, und das gegen alle Regeln der Schlacht. Als Bhishma auf seinem Lager aus Pfeilen um Wasser bat, da durchbohrte der ruhmreiche Arjuna die Erde. Beim Anblick dieses Wasserstroms sprach Bhishma noch einmal zu Duryodhana: „Oh Herr, schließe Frieden mit den Pandavas! Sobald die Feindschaft verlöscht, wird der Frieden mit dir sein. Beende den Krieg zwischen dir und deinen Cousins mit meiner Niederlage. Und erfreue dich an der Erde in Brüderschaft mit den Söhnen des Pandu.“ Doch Duryodhana konnte nicht hören, was mein Kind nun sicher bitterlich bereut. Und alles, was der vorausschauende Bhishma sah, ist nun geschehen.

Und ich, oh Sanjaya, bin nun ohne Berater und Söhne. Durch ein Spiel fiel ich in großes Elend wie ein Vogel ohne Flügel. Ja, als ob spielende Kinder ein Vögelchen fangen, ihm die Federn ausreißen und es dann wieder loslassen. So geht es mir, zwar sterbe ich nicht, doch unbeschwert bewegen kann ich mich auch nicht, wie der Vogel ohne Federn. Schwach, verlassen, ohne Familie und Freunde, niedergeschlagen und von Feinden überwältigt – wohin soll ich nun gehen? Ach, der Fromme, der all die Kambojas, Amvashtas, Gandharas, Videhas und Kekayas besiegte, und für Duryodhana die ganze Erde Tribut zahlen ließ, weh, er ist durch die heldenhaften und starken Pandavas besiegt worden. Oh Sanjaya, erzähle mir von der Begegnung zwischen Karna und Arjuna. Wer waren die Helden, die sich auf dem Schlachtfeld gegenüberstanden? Ich hoffe, Karna war nicht allein und von allen Freunden verlassen, als ihn die Pandavas schlugen.

Du hast mir schon erzählt, oh Sanjaya, wie unsere tapferen Helden Bhishma und Drona fielen. Wie Sikhandin mit mächtigen Pfeilen den Bhishma angriff, und dieser keine Gegenwehr zeigte. Wie Dhrishtadyumna sein Schwert erhob und den von vielen Pfeilen getroffenen Drona köpfte, nachdem dieser seine Waffen niedergelegt hatte und im Yoga saß. Sie fielen beide, als sie im Nachteil waren und mithilfe von Täuschung. So habe ich es vernommen. Mit fairen Mitteln hätte nicht mal Indra die beiden besiegen könne, solange sie kämpften. Und ich sage dir, das ist die Wahrheit.

Doch was Karna anbelangt, wie konnte der Tod ihn berühren, während er vielfältige himmlische Waffen abschoß? Im Austausch für seine Ohrringe gab ihm Indra den goldverzierten, feindeverschlingenden und himmlischen Speer mit dem Glanz des Blitzes. In seinem Köcher lagerte unter Sandelstaub das Geschoß mit dem Schlangenmaul und den goldenen Schwingen, das alle Feinde vernichten konnte. Er überging alle heldenhaften Wagenkrieger mitsamt Bhishma und Drona und ersuchte Rama, den Sohn des Jamadagni, um die gräßliche Brahma Waffe. Er zerschnitt den Bogen von Abhimanyu, als sich Drona und die anderen Krieger schwer getroffen vom Kampf abwandten. Er zerschoß dem unbesiegbaren Bhima mit der Kraft von tausend Elefanten und der Heftigkeit des Windes dreimal lachend den Wagen. Er besiegte den unbesiegten Sahadeva, trieb ihn vom Wagen, aber tötete ihn nicht aus Mitgefühl und Tugend. Er schlug mit Indras Speer Ghatotkacha, den Prinzen der Rakshasas, der kampfes- und siegeshungrig tausende Illusionen herbeigerufen hatte. Seine Fähigkeiten in der Schlacht erfüllten Arjuna mit Furcht, denn er vermied all die Zeit einen Zweikampf mit Karna. Weh, wie konnte der Held nur fallen? (Ganguli läßt hier einige Zeilen aus, in denen Dhritarashtra Arjuna unterstellt, nur mit den Samsaptakas gekämpft zu haben, um Karna aus dem Wege gehen zu können.) Ich kann mir nur vorstellen, daß er fiel, weil sein Wagen vernichtet wurde, sein Bogen zersprang oder seine Waffen erschöpft waren. Denn wer könnte diesen wahren Tiger besiegen, solange er seinen Bogen handhabt und mit Ungestüm seine tödlichen Pfeile absendet? Sicher brach sein Bogen, oder sein Wagen sank in die Erde ein, oder seine Waffen verließen ihn, da du mir erzählst, daß er geschlagen wurde. Einen anderen Grund sehe ich nicht für Karnas Untergang.

Er sprach diesen grausigen Eid aus: „Ich werde meine Füße nicht waschen, bis ich Arjuna geschlagen habe!“ Aus Furcht vor ihm tat Yudhishthira, der Gerechte, während der dreizehn Jahre im Exil kein Auge zu. Auf die überragende Heldenmacht dieses Kriegers vertrauend, ließ Duryodhana die Gattin der Pandavas in die Versammlungshalle zerren, und dort, inmitten der Könige beleidigte er sie als „die Ehefrau von Sklaven“. Und Karna, dieser Held der Suta Kaste, sprach zu Draupadi vor allen Edelmännern: „Alle deine Gatten, oh Draupadi, sind wie unfruchtbare Sesamkörner. Such dir lieber einen anderen Ehemann, oh du mit dem schönen Angesicht.“ Im Zorn ließ er sie noch andere, grobe und kränkende Ausdrücke hören. Und nun ist der Held tot. Er war es, der zu Duryodhana sprach: „Wenn Bhishma, der so stolz ist auf seine Heldenkraft, und Drona, der Unbesiegbare, die Pandavas aus Parteilichkeit nicht schlagen, dann werde ich sie alle besiegen, damit das Fieber deines Herzens gestillt sei.“ Und dann sprach er noch: „Was sollen Gandiva und zwei unerschöpfliche Köcher meinem Speer schon anhaben können, wenn er mit kühlender Sandelpaste eingerieben durch das Himmelsgewölbe eilt?“ Ach, wie konnte nur der Held mit den breiten und gewölbten Schultern von Arjuna besiegt werden? Er achtete die gräßlichen Pfeile von Gandiva gering, und beschimpfte Draupadi mit: „Du hast keine Ehemänner mehr!“, während er die Pandavas anstarrte. Nicht für einen Moment spürte er Furcht vor den Pandavas mit ihren Söhnen und Krishna, denn er vertraute auf die Kraft seiner Arme. Ich war überzeugt, daß er nicht einmal von der Hand eines zornigen Gottes in der Schlacht sterben könnte, und noch viel weniger durch die Pandavas! Niemand konnte vor ihm bestehen, sobald er seine ledernen Fingerschützer angelegt und die Bogensehne berührt hatte. Es war denkbar, daß die Erde ohne den Glanz von Sonne und Mond sein könne, doch niemals, daß der beste Mann sich vom Kampf zurückziehen würde. Und mein närrisches, unverständiges Kind hat mit Karna und seinem Bruder Dushasana als Verbündeten sich entschlossen, alle Vorschläge von Krishna abzulehnen. Wie muß er nun klagen und den Tod des breitschultrigen Karna beweinen? Was sagte Duryodhana über den Tod Karnas und den Sieg der Pandavas? Sicher beklagt er nun den Tod von Durmarshana und Vrishasena. Auch mußte er mit ansehen, wie die Könige ihre Gesichter abwandten und das Heer brach und floh. Was sagte also mein stolzer, unbelehrbarer, ungezügelter und törichter Sohn beim Anblick seiner entmutigten Armee? Er hat die Feindschaft geschürt, obwohl ihm viele davon abrieten. Und nun verliert er all seine Freunde und Brüder in der Schlacht. Und wie reagierte er, als Dushasana von Bhima getötet wurde, und Bhima das Blut seines Bruders trank? Mein Sohn und Shakuni haben mir immer versichert: „Karna wird Arjuna töten!“. Doch nun ist es umgekehrt, und was sagt mein Sohn dazu? Und was spricht Shakuni heute, der damals euphorisch das Würfelspiel und den Betrug an Yudhishthira feierte? Was spricht Kritavarman, der große Krieger der Satwatas? Und was spricht der jugendliche, schöne, gefeierte und kluge Sohn von Drona, von dem Brahmanen, Kshatriyas und Vaisyas, ihm aufwartend, die Waffenkunst erlernen möchten? Was sagt Kripa, der Lehrer? Was sagt das Juwel Shalya zu Karnas Tod, dieser mächtige König der Madras, nachdem er Karnas Wagen gelenkt hat in diesem Zweikampf mit Arjuna? Und was sagen die anderen, tapferen Könige, die zur Schlacht kamen, über Karnas Tod?

Nun erzähle mir, oh Sanjaya, wer wurde alles nach Dronas Tod zum Anführer der einzelnen Divisionen ernannt? Und wie kam es, daß Shalya zum Wagenlenker von Karna wurde? Wer beschützte Karnas rechtes und wer sein linkes Wagenrad im Kampf? Wer stand im Rücken des Helden? Wer waren die Männer, die standhaft bei ihm blieben, und wer floh feige davon? Wie konnte Karna in der Mitte all eurer vereinten Kräfte geschlagen werden? Und wie griffen die tapferen Pandavas Karna an, als er seine Pfeile wie Regentropfen niedergehen ließ? Und erzähle mir auch, oh Sanjaya, wie diese Waffe mit dem Schlangenkopf, so mächtig und himmlisch und die Beste ihrer Art, vereitelt werden konnte. Ich glaube nicht mehr an die Möglichkeit, daß auch nur ein kleiner Rest meines Heeres gerettet werden könnte, wenn die Anführer alle zermalmt werden. Schon als ich von der Niederlage der beiden Helden Bhishma und Drona vernahm, die beide so tapfer kämpften und bereit waren, ihr Leben für mich zu geben, hat mein Leben seinen Sinn verloren. Und nein, ich kann es nicht aushalten, daß Karna mit der Kraft von zehntausend Elefanten von den Pandavas besiegt worden sein soll. So sprich mir von der Schlacht zwischen den mutigen Kriegern nach dem Tode Dronas. Und sprich mir auch davon, wie Karna im Duell mit seinem Feind schließlich seine Ruhe fand.


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