Pushpak Mahabharata Buch 7Zurück WeiterNews

Pratijna Parva – Der Schwur

Kapitel 72 – Arjunas Klage

Sanjaya sprach:
Der gräßliche, todbringende Tag ging zu Ende, die Sonne sank und sanftes Zwielicht senkte sich angenehm über den Abend. Die Truppen beider Seiten hatten sich in ihre Zelte zurückgezogen, und auch Arjuna mit dem Affen im Banner kehrte sich vom Schlachtfeld ab, nachdem er mit seinen himmlischen Waffen große Mengen von Samsaptakas geschlagen hatte. Während er auf seinem siegreichen Wagen zum Lager fuhr, fragte er Krishna mit stockender Stimme:
Warum ist mein Herz so beklommen, oh Kesava, und warum versagt mir die Stimme? Böse Omen bestürmen mich, und meine Glieder sind gelähmt. Gedanken an Desaster besetzen meinen Geist und gehen nicht fort. Von allen Seiten schlagen mich die Omen mit Furcht, sie sind überall und ganz verschieden und verkünden gräßliches Unheil. Ist alles in Ordnung mit meinem verehrten König und allen meinen Brüdern?

Krishna antwortete:
Mit deinen Brüdern ist alles in Ordnung. Sorge dich nicht. Die Omen verkünden nur eine Lappalie.

Sanjaya fuhr fort:
So verehrten die beiden Helden, Krishna und Arjuna, die Göttin des Zwielichts, bestiegen den Wagen und fuhren ins Lager, sich über die Geschehnisse des Tages unterhaltend, der so viele Helden vernichtet hatte. Nach ihren vollbrachten Heldentaten kamen sie ins Lager der Pandavas, und sahen, daß alle freudlos, traurig und verwirrt waren.

So sprach Arjuna erneut besorgt zu Krishna:
Oh Janarddana, es dröhnt heute keine frohe Trompete, keine Trommel wird geschlagen und kein Muschelhorn im Triumph geblasen. Niemand spielt die süße Vina, und niemand klatscht fröhlich den Takt dazu. Ich höre nicht die glücklichen und entzückenden Lieder, welche die Barden sonst zum Lobe der Truppen singen. Alle Krieger, die mich ansehen, lassen den Kopf hängen und sinken zusammen. Sie erzählen mir nicht wie sonst die Heldentaten, die sie vollbrachten. Oh Madhava, ist alles in Ordnung mit meinen Brüdern? Wenn ich unsere Leute so kummervoll sehe, finde ich keinen Frieden. Ist alles in Ordnung mit dem Herrscher von Panchala, mit Virata und den anderen Kriegern, oh du von unvergänglicher Pracht? Und warum kommt mir nicht Subhadras Sohn mit seinen Brüdern entgegen, um mich freudig lächelnd zu empfangen?

Sanjaya sprach:
So unterhielten sich die beiden Helden und kamen zum Zelt Yudhishthiras, wo alle niedergeschlagen und traurig beisammen saßen. Da verließ auch Arjuna alle Freude, und da er nirgends seinen Sohn sehen konnte, sprach er:
Eure Gesichter sind alle bleich, und ich sehe Abhimanyu nicht. Auch kommt er nicht, mir zu gratulieren. Ich hörte, daß Drona heute seine kreisförmige Schlachtordnung aufgestellt hat. Niemand unter euch, außer Abhimanyu, kann diese Aufstellung durchbrechen. Doch ich habe ihm nie beigebracht, wie man wieder herauskommt, wenn man einmal durchgekommen ist. Hast du den Jungen durch die feindlichen Reihen geschickt? Und hat der mächtige Bogenschütze es geschafft und zahllose feindliche Krieger geschlagen, bis er schließlich selbst fiel? Oh sage mir, wie unser Junge in diesem Kampfe fiel, dieser Held mit den starken Armen und den roten Augen, der wie ein Löwe an der Bergesflanke in unserer Linie geboren wurde und dem jüngeren Bruder von Indra selbst glich. Welcher Krieger wagte es mit vom Tod benommenen Sinnen, den lieben Sohn der Subhadra zu töten, welcher der Liebling von Draupadi, Krishna und Kunti war? Wie wurde dieser in Heldenmut, Gelehrtheit und Würde dem Vrishni Helden Krishna Ebenbürtige auf dem Schlachtfeld geschlagen? Ach, wenn ich den geliebten Jungen nicht mehr sehe, will ich selbst ins Reich Yamas eingehen. Sein Haar endete in sanften Locken, seine Augen glichen denen der Gazelle, und sein Gang war der eines zornigen Elefanten. Der zarte Jüngling was so hochgewachsen wie der Sproß eines Salbaums. Seine süßen Worte umspielte immer ein Lächeln, und er war seinen Eltern stets gehorsam. Er handelte schon wie ein reifer Erwachsener, sprach angenehm, kannte keine Eitelkeit und hatte großen Mut und gewaltige Energie. Seine Augen waren so groß wie Lotusblüten. Immer war er freundlich zu den ihm Hingegebenen, und niemals folgte er den Gemeinen. Er war so beherrscht, dankbar, wissend, geschickt in Waffen, niemals feige und immer freudig dem Kampfe zugetan. Er ließ die Feinde erzittern und erfreute Familie und Freunde. Seinen Vätern wünschte er alle Siege, dabei schlug er niemals zuerst zu und war vollkommen furchtlos in der Schlacht. Weh, wenn ich meinen lieben Jungen nicht mehr sehe, gehe ich auch ins Reich Yamas. Andere Krieger nannten ihn Maharatha, und ich meine, er war mir überlegen in seinem zarten Alter und mit den starken Armen. Pradyumna und Krishna liebten ihn ebenso wie ich, und ich sehe ihn nirgends mehr! Seine Nase war so schön geformt, seine Stirn edel, die Augen bezaubernd, die Augenbrauen geschwungen und die Lippen voll. Wenn ich sein Gesicht nicht mehr sehe, welchen Frieden kann mein Herz noch kennen? Seine Stimme war so melodisch wie der Gesang des Kokila und so entzückend und sanft wie der Klang der Vina. Wenn ich seine Stimme nicht mehr höre, welchen Frieden kann mein Herz noch kennen? Seine Schönheit war unvergleichlich und selbst unter Göttern kaum zu finden. Wenn meine Blicke nicht mehr über seine schöne Gestalt schweifen können, welchen Frieden kann mein Herz noch finden? Er grüßte die Älteren immer mit Respekt und Verehrung und folgte gehorsam allen Geboten. Weh, wenn ich meinen lieben Sohn nicht mehr sehe, kennt mein Herz keinen Frieden mehr.

Entschlossen warf er sich in die Schlacht, wo er doch jeden Luxus gewöhnt war und das weichste Bett verdiente. Doch nun liegt mein Junge auf der blanken Erde, als ob er niemanden hätte, der sich um ihn sorgt. Dabei hatte er die besten Beschützer. Die schönsten Mädchen umsorgten ihn sonst auf seinem Ruhelager, und nun liegt er von Pfeilen zerfleischt zwischen heulenden und Unglück verheißenden Schakalen, die über das Schlachtfeld schleichen. Ihn weckten Sänger und Musiker aus dem Schlummer, doch heute wird er nur das mißtönende Geheul der Aasfresser vernehmen. Sein schönes Antlitz hätte den angenehmen Schatten des Sonnenschirms verdient, doch nun bedeckt es nur Staub und Schmutz. Weh mein Junge, der Tod entreißt dich mir Unglücklichem, wo ich mich doch niemals an dir satt sehen konnte. Zweifellos erstrahlt heute das Reich Yamas, die entzückende Heimstatt der Gerechten, durch deinen Glanz in aller Schönheit. Zweifellos heißen dich Yama, Varuna, Satakratu und Kuvera als lieben Gast willkommen und freuen sich über dein heldenhaftes Selbst.

So versank Arjuna in verzweifelten Gram wie ein Seemann im Ozean, dessen Kutter untergeht. Dann fragte er Yudhishthira zutiefst traurig:
Oh du aus dem Geschlecht der Kurus, stieg er in den Himmel auf? Kämpfte er zur Zufriedenheit der größten Krieger und verursachte ein großes Gemetzel unter den Feinden? Sicher wandte sich sein Herz zu mir um Hilfe, als er sich ganz allein gegen zahllose hervorragende Krieger behaupten und mit energischer Entschlossenheit kämpfen mußte. Oh, als ihn die scharfen Pfeile von Drona, Karna, Kripa und den anderen schwer trafen, hat da mein schwacher Sohn immerzu denken müssen: „Mein Vater wird mich sicher aus dieser Notlage befreien!“ Oh ich glaube, als er so klagte, tötete ihn ein grausamer Krieger. Oder vielleicht hat er solche Klagen nie ausgesprochen, war er doch von mir gezeugt, der Neffe von Krishna und von Subhadra geboren. Weh, mein Herz muß so hart wie die Essenz des Donnerkeils sein, denn es bricht nicht, obwohl ich den starken Held mit den roten Augen nirgends sehe. Wie konnten nur mächtige Bogenschützen mit grausamen Herzen ihre tiefe Wunden reißenden Pfeile auf den Knaben abschießen, der noch so jung, mein Sohn und Krishnas Neffe war? Mit edlem Herzen kam er mir immer entgegen, um mich zu grüßen und mich zu beglückwünschen. Doch ach, heute kommt er nicht, wo ich doch den Feind geschlagen habe. Besiegt liegt er in seinem Blute, das ist wohl gewiß. Er verschönert die Erde, wenn sein Körper so am Boden liegt wie die gefallene Sonne. Ich weine auch um Subhadra, denn wenn sie vom Tode ihres tapferen Sohnes hört, wird sie verzweifelt ihr Leben aufgeben. Was wird sie zu mir sagen aus Trauer um ihren Sohn? Was wird Draupadi zu mir sprechen? Und was werde ich den Gramvollen erwidern können? Ach, und wird mir das Herz nicht brechen, wenn ich meiner weinenden Schwiegertochter begegne?

Wahrlich, die laut tönenden, stolzen Jubelschreie der gegnerischen Seite drangen bis in meine Ohren. Krishna hat die tadelnden Worte von Yuyutsu sicher gehört, als er zu den Dhritarashtras sagte:
Da ihr mächtigen Wagenkrieger nicht in der Lage seid, Arjuna zu töten, habt ihr ein Kind getötet. Worüber freut ihr euch? Schon bald werdet ihr Ungerechten die Macht der Pandavas fühlen. Ihr habt zum Unmut von Krishna und Arjuna beigetragen. Eure Stunde des Leids ist damit gekommen, doch ihr brüllt freudig wie Löwen. Die Frucht dieser sündigen Tat wird euch bald ereilen. Abscheulich war euer Verbrechen. Wie lange wird es keine Früchte tragen?

So tadelte der hochbeseelte Sohn von Dhritarashtra und seiner Vaisya Frau seine Brüder, warf die Waffen beiseite und ging zornig und traurig davon. Oh Krishna, warum hast du mir das nicht während der Schlacht erklärt? Ich hätte all diese grausamen Krieger sofort verbrannt!

Sanjaya fuhr fort:
Da tröstete Krishna seinen lieben Freund Arjuna, der völlig in Tränen aufgelöst in seinen kummervollen Gedanken schwelgte, und sprach:
Gib dich nicht der Trauer hin! Dies ist der Weg aller tapferen Helden, die niemals der Schlacht den Rücken kehren, und besonders für Kshatriyas, deren Pflicht der Kampf ist. Oh kluger Mann, das ist das Ziel für Helden, welches die Gelehrten in den Schriften erklärten. Wer der Schlacht nicht den Rücken kehrt, auf den wartet der Tod. Es gibt keinen Zweifel darüber, daß Abhimanyu in die himmlischen Bereiche aufstieg, welche für die Gerechten bestimmt sind. Und alle mutigen Männer beneiden ihn dafür, daß der starb, den Feinden das Antlitz zugewandt. Abhimanyu hat viele heldenhafte und mächtige Prinzen geschlagen. So traure nicht, oh Tiger unter den Männern. Es ist eine alte Weisheit, daß genau dies der Verdienst für Kshatriyas ist, nämlich im Kampf zu sterben. Deine Brüder sind außerordentlich niedergeschlagen, ebenso deine Freunde und all diese Könige, weil sie dich weinen sehen. Oh tröste sie mit sanften Worten, oh Ehrenspender. Du weißt alles, was man wissen sollte. So ziemt es sich nicht für dich, im Kummer zu schwelgen.

Also sprach Arjuna seufzend und stockend zu seinen Brüdern:
Oh Herren der Erde, ich möchte erfahren, wie der starkarmige Abhimanyu mit den Lotusaugen focht. Ihr werdet sehen, wie ich den Feind mitsamt Elefanten, Pferden und Wagen auslösche, und vor allem die Krieger mit ihrem Gefolge, die meinen Sohn getötet haben. Ihr seid alle vollkommen im Gebrauch der Waffen und gerüstet. Wie konnte Abhimanyu nur getötet werden, selbst wenn der Träger von Donner und Blitz gegen ihn und euch gekämpft hätte? Ach, wenn ich geahnt hätte, daß die versammelten Pandavas und Panchalas nicht in der Lage waren, meinen Sohn zu beschützen, dann hätte ich es getan. Ihr standet auf euren Wagen. Ihr habt eure Pfeile abgeschossen. Wie konnte es nur geschehen, daß Abhimanyu die feindlichen Reihen verheerend schlug und doch fiel? Euch verließen wohl Männlichkeit und Heldenmut, wenn vor euren Augen Abhimanyu sterben mußte. Aber ach, mich selbst sollte ich tadeln, denn ich ging fort, und wußte nicht, daß ihr so schwach, feige und unentschlossen seid. Tragt ihr eure Rüstungen und Waffen nur wie hübschen Schmuck? Und Worte sind euch wohl nur gegeben, um in Versammlungen angenehm zu sprechen, denn ihr habt meinen Sohn nicht beschützt.

Nach diesen Worten setzte sich Arjuna nieder, Bogen und Schwert in der Hand haltend. Niemand konnte ihn nur ansehen, denn er glich dem zornigen Vernichter höchstselbst, wie er lang und tief atmete. Keiner seiner Freunde wagte ein Wort zu sprechen, als sein Gesicht mit Tränen bedeckt war, und die Verzweiflung über den Tod seines Sohnes ihn gepackt hatte. Nur Krishna oder Yudhishthira konnten ihn ansprechen, denn die beiden ehrte er sehr und liebte sie zutiefst. So sprach nach einer Weile Yudhishthira sanft zu seinem Bruder mit den Lotusaugen, der voller Trauer und Zorn war.


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