Pushpak Mahabharata Buch 6Zurück WeiterNews

Kapitel 42 - Der erlösende Pfad der Entsagung

Arjuna sprach:
Oh Starkarmiger, ich wünsche, das wahre Wesen des Verzichts und der Entsagung im Einzelnen zu erfahren, oh Herr der Sinne.

Der Heilige sprach:
Das Zurückweisen von Werken aus Begierde bezeichnen die Gelehrten als Verzicht. Das Hingeben der Frucht aller Handlungen nennen die Weisen Entsagung. Manch kluge Leute verkünden, daß man das Handeln selbst als Übel aufgeben soll. Andere meinen, daß die Handlungen des Opferns, des Schenkens und der Askese bewahrt werden müssen. Betreffs dieses Aufgebens, höre meine Überzeugung, oh Bester der Bharata Söhne:

Das Aufgeben, oh Tiger unter den Menschen, wird als von drei Arten erklärt. Die Handlungen des Opferns, des Schenkens und der Askese sollten nicht aufgegeben, sondern bewahrt werden. Denn Opfern, Schenken und Askese ist die Reinigung des Weisen. Aber auch diese Handlungen sollten ohne Anhaftung an deren Früchte erfolgen. Das, oh Sohn der Pritha, ist meine hohe und entschiedene Meinung. Der Verzicht auf eine Tat, die geschehen soll, ist selten heilsam. Denn geschieht dieses Aufgeben aus Verblendung, dann spricht man von der Qualität der Dunkelheit. Und wenn das Aufgeben aufgrund von Sorgen oder (der Angst vor) körperlichen Schmerzen geschieht, dann ist es von Leidenschaft geprägt, und wird ebenfalls nicht die heilsame Wirkung der Entsagung bringen. Wenn aber getan wird, was getan werden soll, oh Arjuna, wenn das vorbestimmte Werk vollbracht, aber die Anhaftung an die Früchte aufgegeben wird, dann ist dieses Aufgeben von der Qualität der Güte getragen. Voller Weisheit und aller Zweifel ledig, kennt ein Entsagender mit dieser Motivation der Güte weder eine Abneigung gegen unangenehme Handlungen noch eine Zuneigung zu angenehmen.

Weil von einem Verkörperten die Handlungen niemals völlig aufgegeben werden können, deshalb nennt man den, der den Früchten der Handlungen entsagt, einen wahrhaft Entsagenden. Denn ohne diese Entsagung sammelt man stets die dreifache (karmische) Frucht von Zuneigung, Abneigung und Ignoranz an. Nur der wahrhaft Entsagende bleibt von allem frei.

Höre nun von mir, oh Starkarmiger, von den fünf Grundlagen, die für alle vollständigen Handlungen in der Sankhya Lehre zur Überwindung des Handelns erklärt werden. Diese sind der Handlungsbereich, der Handelnde, die unterschiedlichen Handlungsorgane, die verschiedenen Wirkungskräfte und mit ihnen die göttliche Vorsehung (bzw. das Schicksal) als Fünftes. Was auch immer ein Mensch mit Körper, Rede oder Denken unternimmt, sei es rechtens oder nicht, diese Fünf sind die Grundlagen dafür. Wenn dies so ist, dann belügt sich, wer aufgrund seiner Unwissenheit sein Ich als alleinig Handelnden betrachtet. Wer aber kein Ich fühlt, wessen Geist rein ist, der bleibt ungebunden (durch das Handeln) und tötet nicht, selbst wenn er die ganze Welt erschlüge.

Die Erkenntnis, das Erkenntnisobjekt und der Erkennende bilden den dreifachen Impuls einer Tat. Die Handlungsorgane, die Handlung und der Handelnde verwirklichen als Dreiheit diese Tat. Darunter erscheinen Erkenntnis, Handlung und Handelnder als dreifach entsprechend den drei aufgezählten Qualitäten. Höre nun auch darüber:

Die Erkenntnis, worin man das Eine, das Ewige Sein, in allen Erscheinungen sieht, die Einheit in der Vielfalt - diese erkenne als von der Qualität der Güte getragen. Die Erkenntnis, welche in allen Erscheinungen unterschiedlichste essentielle Kategorien mit grundsätzlichem Getrenntsein sucht und sieht - die erkenne als leidenschaftlich. Aber die Erkenntnis, die an einzelnen Erscheinungen hängt, als wäre dies alles, ohne tieferen Grund und ohne tiefere Wahrheit, aber voller Kleinlichkeit - die ist von der Qualität der Dunkelheit bestimmt.

So ist auch die Handlung, die getan werden soll, und die ohne Anhaftung, Begierde oder Abneigung sowie ohne Verlangen nach den Früchten geleistet wird von der Qualität der Güte. Doch jene Handlung, die nach den Objekten der Begierde greift, die voller Egoismus und begleitet von großem Leiden erzwungen wird, ist von der Qualität der Leidenschaft. Und die Handlung, die aufgrund von Wahnvorstellungen ohne Rücksicht auf Folgen, Verlust, Verletzung anderer und der eigenen Fähigkeit unternommen wird, die gilt als von der Qualität der Dunkelheit getragen.

Der Handelnde, der von Anhaftung frei ist, der nie über sich selbst spricht, der voller Beständigkeit und Energie ist und im Erfolg und Mißerfolg unbewegt bleibt, wird von der Qualität der Güte getragen. Der Handelnde, der voller Verlangen ist, der die Frucht seiner Handlungen begehrt, der voller Begierde mit Gewalt handelt, der unrein ist und von Euphorie und Sorgen getrieben wird, ist von der Qualität der Leidenschaft geprägt. Dagegen wird der Handelnde, der ohne Sinn und Verstand, sturköpfig, betrügerisch, boshaft, faul, verzweifelt und zögerlich handelt, von der Qualität der Dunkelheit bestimmt.

Höre jetzt, oh Arjuna, die dreifache Unterteilung des Verstandes und der Beständigkeit gemäß ihren drei Qualitäten:

Der Verstand, der das Handeln und Nichthandeln kennt, der sieht, was getan und gelassen werden sollte, was zu fürchten und nicht zu fürchten ist und was Bindung und Erlösung bringt, ist von der Qualität der Güte, oh Sohn der Pritha. Der Verstand, durch den man auf eigensinnige Weise alles in richtig und falsch einteilt, in das, was man tun oder vermeiden will, der ist, oh Sohn der Pritha, von der Qualität der Leidenschaft geprägt. Und der Verstand, welcher durch Unwissenheit getrübt, das Rechte als Unrecht sieht und alles ins Gegenteil verkehrt, der ist von der Qualität der Dunkelheit.

So ist auch die unverwirrte Beständigkeit, durch die man die Funktionen der Gedanken, des Lebensatems und der Sinne im Yoga kontrolliert, oh Pritha Sohn, von der Qualität der Güte. Dagegen ist die Beständigkeit, oh Arjuna, durch die man sich voller Anhaftung an Religion, Wünsche und Besitz festhält und deren Früchte begehrt, von Leidenschaft geprägt. Und die Beständigkeit, durch die der Einsichtslose seine Verträumtheit, Ängste, Sorgen, Verzweiflung und Illusionen nicht aufgeben will, diese Beständigkeit hat die Qualität der Dunkelheit.

Höre jetzt von mir, oh Stier der Bharatas, daß auch das Glück von dreierlei Art ist:

Das Glück, welches das Leiden auflöst und worin man Zufriedenheit findet, das Glück, was am Anfang wie Gift erscheint, aber am Ende dem Nektar (der Unsterblichkeit) gleicht, das Glück, was aus Entsagung und Selbsterkenntnis geboren wird, das gilt als von der Qualität der Güte. Dagegen ist das Glück, was aus dem Kontakt der Sinne mit ihren Objekten entsteht, welches am Anfang dem Nektar gleicht, aber am Ende zum Gift wird, von der Qualität der Leidenschaft getragen. Und jenes Glück, welches von Anfang bis Ende nur Selbsttäuschung ist, was aus Verträumtheit, Faulheit und Blindheit entsteht, das kommt aus der Qualität der Dunkelheit.

Es gibt weder auf Erden noch im Himmel unter den Göttern ein Wesen, das von diesen drei naturgeborenen Qualitäten vollkommen frei wäre. Auch die Aufgaben der Brahmanen, Kshatriyas, Vaisyas und Shudras unterscheiden sich, oh Feindevernichter, aufgrund dieser natürlichen Qualitäten. So sind Selbstdisziplin, Friedlichkeit, asketische Entsagung, Reinheit, Vergebung, Rechtschaffenheit, Studium, Erfahrung und Vertrauen die Aufgaben der Brahmanen, welche aus ihrem Wesen geboren werden. Mut, Energie, Entschlossenheit, Geschicklichkeit, Kampfbereitschaft, Wohltätigkeit und Herrschaft sind die Aufgaben von Kshatriyas, die ihrer Natur entsprechen. Landwirtschaft, Viehhaltung und Handel ist die natürliche Aufgabe der Vaisyas. Und für die Shudras besteht die wesentliche Aufgabe im Dienen. Jeder Mensch, der seine ihm gegebenen Aufgaben erfüllt, gelangt zur Vollkommenheit.

So höre jetzt, wie man Vollkommenheit durch die Erfüllung seiner Aufgaben erreicht:

Wer durch seine Pflichterfüllung alleinig den verehrt, der Alles bewegt und Alles durchdringt, der geht den Weg der Vollkommenheit. So ist es weit besser, wenn man die eigenen Aufgaben mangelhaft erfüllt, als die Aufgaben von anderen gut. Denn wer seine Aufgaben erfüllt, weil sie ihm bestimmt wurden, der sammelt damit keine Sünde an. Oh Sohn der Kunti, so sollte man nie die naturgegebenen Aufgaben ablehnen, auch wenn sie unvollkommen erscheinen, denn jede Handlung ist von Fehlern umhüllt wie das Feuer vom Rauch. Nur, wessen Geist nirgends anhaftet, wer sein Ich überwunden hat und kein Begehren mehr kennt, der erreicht durch Entsagung die höchste Vollkommenheit in der Freiheit vom Karma.

Lerne nun von mir in Kürze, oh Kunti Sohn, wie man über diese Vollkommenheit (des Handelns) hinaus zum Brahman gelangt, der höchsten und vollendeten Erkenntnis:

Wer mit gereinigtem Geist, beständiger Selbstzügelung, Entsagung der Sinnesgenüsse, Überwindung von Zuneigung und Abneigung, in Einsamkeit wohnend, mit gemäßigter Ernährung, Zügelung von Körper, Rede und Denken, Beständigkeit in Meditation und Einsicht, Zuflucht zur Gelassenheit, sowie Entsagung von Egozentrik, Gewalt, Stolz, Begierde, Zorn und Besitz, wer auf diese Weise von Ichhaftigkeit befreit, zur inneren Stille gefunden hat, der ist bereit zum Verschmelzen im Brahman. Denn wer mit Brahman Eins geworden und im Geist gestillt ist, den trifft weder Verlust noch Gewinn. Mit Allem vereint, erreicht er die vollkommene Hingabe zu Mir. Durch diese Hingabe erkennt er Mich wahrhaftig, was Ich bin und wer Ich bin. Mit dieser wahrhaften Erkenntnis geht er unverzüglich in Mich ein. So vollbringt er zu jeder Zeit alle Handlungen im Einklang mit Mir und erreicht durch meine Gnade das ewige und unvergängliche Sein.

So widme Mir in deinem Herzen alle Handlungen, sei Mir hingegeben, suche geistige Einsicht, gründe all dein Denken in Mir. Wenn deine Gedanken in Mir gegründet sind, wirst du durch meine Gnade alle Hindernisse überwinden. Denn wer aus Eigendünkel nicht belehrbar ist, der wird bald zugrunde gehen. Selbst wenn du auf dem ichhaften Entschluß beharrst „Ich werde nicht kämpfen!“, so ist dieser Entschluß doch vergeblich, weil deine Natur dich zwingen wird. Denn was du aus Verblendung verweigerst, wirst du unfreiwillig trotzdem tun, gebunden durch deine Aufgabe, die deiner eigenen Natur entspringt. Der Herr, oh Arjuna, wohnt in der Tiefe aller Herzen, und durch seine Macht zur Illusion treibt er all diese Wesen umher, als wären sie in eine Maschine eingebunden. Suche auf jede Weise, oh Bharata, Zuflucht in Ihm. Durch seine Gnade wirst du die höchste Stille, das zeitlose Sein erreichen.

So habe ich dir das Wissen erklärt, das mehr als alles andere verborgen ist. Bedenke es gut und handle entsprechend. Erinnere dich immer wieder an mein höchstes Wort, das größte Mysterium von Allem. Du bist mir im höchsten Sinne zugetan, deshalb will ich offenbaren, was zu deinem Wohle ist. Setze dein Herz auf Mich, sei Mir hingegeben, opfere Mir allein und verehre Mich, dann wirst du zu Mir kommen. Das verspreche Ich dir wahrhaftig, denn du bist Mir lieb. Laß alle Bindungen hinter dir und komm zu Mir als alleinige Zuflucht. Sei unbesorgt, Ich werde dich von allen Sünden erlösen!

Doch dies sollte man niemanden verkünden, der keine Entsagung übt, der keine Hingabe kennt, der sich nicht offen für Belehrung zeigt oder mir feindlich gesinnt ist. Wer durch sein Opfer der vollkommenen Hingabe zu mir dieses höchste Mysterium denen verkündet, die dafür offen sind, der wird zweifellos zu mir kommen. Denn es gibt niemanden unter den Menschen, der mir etwas Lieberes täte als er, und so wird auch er unter allen Erdenbewohnern mir der Liebste sein.

Wer dieses heilige Gespräch zwischen uns achtsam studiert, der wird mir, so denke ich, bald das Opfer der Erkenntnis darbringen. Und selbst der Mensch, der es ohne Widerwillen mit Vertrauen hört, der wird befreit die seligen Regionen der Frommen erreichen. Oh Sohn der Pritha, hast du das alles mit einem gesammelten Geist vernommen? Oh Arjuna, ist dein aus Unwissenheit geborener Wahn zerstreut worden?

Und Arjuna sprach:
Wahrlich, meine Wahnvorstellung ist zerstreut, und durch deine Gnade, oh Unvergänglicher, habe ich tiefgründige Erinnerung zurückgewonnen. Ich bin nun standhaft, meine Zweifel sind gelöst, und ich werde dein Gebot erfüllen.

Sanjaya fuhr fort:
So hörte ich dieses wunderbare Gespräch zwischen Vasudeva und dem hochbeseelten Sohn der Pritha, das mich zutiefst ergriffen hat. Durch die Gunst von Vyasa erfuhr ich dieses höchste Mysterium, diesen Yoga von Krishna selbst, dem Herrn des Yogas, wie er ihn persönlich offenbarte. Oh König, wieder und wieder erinnere ich mich an dieses wunderbare und heilige Zwiegespräch von Kesava und Arjuna. Mehr und mehr erfreut es mich. Und immer wieder erinnere ich mich an die wundervolle Gestalt von Hari, die ich mit großem Staunen sah, oh König, und die mich jedesmal mehr entzückt. So denke ich, dort, wo Krishna, der Herr des Yogas, und der große Bogenschütze Arjuna weilen, dort ist sicherlich Wohlfahrt, Sieg, Größe und ewige Gerechtigkeit.

Hier endet mit dem 42. Kapitel das Bhagavad-Gita Parva im Bhishma Parva im gesegneten Mahabharata.


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