Pushpak Mahabharata Buch 6Zurück WeiterNews

Kapitel 30 - Der Yoga der Meditation

Der Heilige sprach:
Wer das Werk, das getan werden soll, vollbringt, ohne nach den Früchten zu greifen, der ist ein Entsagender und ein Yogi, nicht aber, wer die Opferfeuer löscht und das Werk verhindert. Erkenne, oh Pandu Sohn, daß das, was man Entsagung nennt, nichts anderes als Hingabe ist. Denn niemand hat wahrhafte Hingabe, der nicht allen eigensinnigen Absichten entsagt hätte. So sagt man, daß der Weise, der sich zur Hingabe erhebt, den Weg des Handelns geht. Und wenn er voller Hingabe ist, dann spricht man vom Weg der Entsagung. Wenn er nicht mehr an Sinnesobjekten anhaftet, noch an den Handlungen, wenn er allen eigennützigen Absichten entsagt hat, dann gilt er als einer, der voll wahrhafter Hingabe ist.

So möge man sich durch das Selbst erheben, und sich nicht selbst versinken lassen. Denn man kann sich selbst ein Freund oder auch ein Feind sein. Wer sich zum Selbst überwindet, ist sich selbst ein Freund. Doch wer das Ego nicht zügelt, der läßt das Leiden wachsen und wird sich selbst ein Feind. Wer sich überwunden hat und in der Stille selig ist, bleibt zufrieden inmitten von Kälte und Hitze, Freude und Schmerz, Ehre und Unehre. Als ein Yogi voller Hingabe gilt, wer zufrieden im Lernen und Erfahren ist, wer keinen Eigennutz mehr kennt, wer seine Sinne gezügelt hat und wer in einem Grashalm, einem Stein und einem Klumpen Gold überall das Eine sieht. Und wer mit dieser Einsicht auch auf Wohlgesinnte und Feinde, auf Freunde und Fremde, Neutrale, Gegner und Verbündete, Gute und Übelgesinnte schaut, ist wahrlich groß.

So sollte ein Yogi seinen Geist in der Meditation sammeln, an einem einsamen Ort alleinsam verweilen und sowohl das Denken als auch den Körper zügeln, ohne irgendetwas zu erwarten oder zu befürchten. An einem reinen Ort mag er sich einen festen Sitz bereiten, weder zu hoch, noch zu niedrig, der mit einem Tuch, einem Hirschfell oder mit Kusha Gras bedeckt wird. Dort soll er sitzen und all sein Bewußtsein auf einen Punkt richten. So zügelt er das Denken und die Sinne und übt Meditation, um sich zu reinigen. Dabei halte er Körper, Kopf und Hals aufrecht und ruhig und richte seinen Blick zur Nasenspitze, ohne umherzuschweifen. Mit gelassenem Geist, frei von Furcht, im Gelübde der Enthaltsamkeit gegründet, das Denken gezügelt und sein Innerstes auf mich gerichtet, soll der Yogi sitzen, mich als alleinige Zuflucht betrachtend. Ein Yogi, der sich beständig so übt und sein Innerstes zügelt, findet zu jener zeitlosen Stille, die im Nirwana, dem Einssein mit mir gipfelt. Doch diese Hingabe, oh Arjuna, erreicht niemand, der übermäßig ißt oder fastet, noch der zuviel schläft oder wacht. Nur wer gemäßigt im Essen und der Zerstreuung lebt, gemäßigt in all seinen Arbeiten und gemäßigt im Schlafen und Wachen, für den wird dieser Yoga der Hingabe das Leiden beseitigen.

Wer im Innersten gezügelt, beständig im Selbst ruht und wen die Begierden nicht verstricken, der gilt als Yogi. Wie die Flamme einer Lampe an einem windstillen Ort nicht flackert, so verweilt der Yogi, der sein Innerstes gestillt hat und im Selbst geeint ist. Wo der Geist durch beständige Einung zur Ruhe kommt, wo man das Selbst durch das Selbst schaut, wo man im Selbst zufrieden ist, wo man höchste Glückseligkeit jenseits aller Sinne erfährt, die kein Verstand mehr begreifen kann, wo man beständig in der Wahrheit verweilt, wo nichts Höheres zu erreichen wäre, wo man auch in das schwerste Leiden nicht verstrickt wird, dies ist das Dasein, das man wahre Hingabe nennt, wo der Leidenszusammenhang aufgelöst ist. Diese Hingabe sollte man mit Geduld und heiterem Herzen üben. So kann man alle Begierden, die aus dem Eigennutz geboren werden, ausnahmslos aufgeben, die verschiedenen Sinne mit dem Denken allseits zügeln und in kleinen Schritten allmählich zur Ruhe kommen, indem man geduldig und achtsam das Spiel der Gedanken kontrolliert. Dann trifft der Geist auf das Selbst, und man kann in der Stille jenseits aller Gedanken verweilen. Wohin auch immer die Gedanken abwandern, die von Natur aus ruhelos und unstet sind, von dort bringe man sie zurück zum Selbst allein.

Wahrlich, zu einem solchen Yogi, dessen Geist gestillt ist, dessen Leidenschaft gezügelt wurde, der im Brahman geeint und frei von Sünde ist, kommt die höchste Glückseligkeit. Wer seine Seele auf diese Weise beständig in der Einung übt und sich vom Karma gereinigt hat, dem wird, ohne danach zu verlangen, diese höchste Seligkeit im Brahman gegeben. Wer sich dieser Einung widmet und mit dem Auge der Einheit alles durchschaut, erkennt sich selbst in allen Geschöpfen und alle Geschöpfe in sich selbst. Und wer dann alles in mir und mich in allem sieht, der kann mich weder verlieren, noch werde ich ihn je verlassen. Wer mich in allen Geschöpfen verehrt und dabei das Eine in Allem erkennt, der ist ein wahrhafter Yogi. Und welche Lebensweise er auch führt, er lebt in mir. Oh Arjuna, wer alles mit dem Auge der Einheit durchschaut, wer alle Geschöpfe wie sich selbst erkennt und all ihr Glück und Leiden wie sein eigenes, der gilt als vollkommener Yogi.

Arjuna sprach:
Oh Madhu Vernichter, ich kann nicht sehen, daß dieser Yoga der Hingabe und Gelassenheit aufgrund der Unruhe des Geistes eine stabile Basis hätte. Oh Krishna, der Geist ist ruhelos, stürmisch, unverläßlich und eigensinnig. Seine Zügelung betrachte ich als ebenso schwierig wie die Zügelung des Windes.

Der Heilige sprach:
Zweifellos, oh Starkarmiger, ist der Geist ruhelos, und seine Zügelung ist schwierig. Aber durch beständige Übung und Entsagung der Begierden kann er kontrolliert werden. Ich denke, daß man ohne einen gezügelten Geist den Yoga der Hingabe kaum erreichen kann. Aber wer sich zügelt und beständig übt, der kann diese Hingabe mit den rechten Mitteln verwirklichen.

Arjuna sprach:
Was geschieht mit dem, oh Krishna, der trotz Fleiß und Vertrauen sich in diesem Yoga nicht bezähmen kann und in seiner großen Hingabe erfolglos bleibt? Ist der nicht doppelt gefallen, oh Starkarmiger, weil er seinen (weltlichen) Halt aufgegeben und den Pfad zum Brahman verfehlt hat? Geht er nicht verloren wie eine kleine Wolke am Himmel? Oh Krishna, zerstreue mir restlos diesen Zweifel! Denn außer dir kenne ich niemanden, der ihn zerstreuen könnte.

Der Heilige sprach:
Oh Pritha Sohn, weder hier noch später geht so ein Mensch verloren. Denn niemand, oh Herr, der heilsam handelt, geht ins Verderben. Nachdem er in die entsprechenden Bereiche für seine verdienstvollen Taten gelangt ist und dort lange gelebt hat, nimmt er, der die Hingabe noch nicht vollkommen verwirklicht hat, seine Geburt im Haus von frommen und wohlhabenden Menschen. Oder er wird sogar in einer Familie weiser Yogis wiedergeboren, eine Geburt, die in der Welt wirklich schwer zu erlangen ist. Dort kommt er wieder in Kontakt mit dem Brahman-Wissen, was er in seinem vergangenen Leben angesammelt hatte. Und so kämpft er weiter, oh Nachkomme des Kuru, auf dem Pfad zur Vollkommenheit, den er scheinbar ganz von selbst aufgrund seiner ehemaligen Bemühungen wieder betritt. Auf diesem Erkenntnisweg geht er mit der Zeit über alle vedischen Rituale hinaus. So kämpft er mit beständiger Übung, bis alle seine Sünden bereinigt sind, und erreicht nach vielen Geburten die Vollkommenheit, seine höchste Bestimmung. Ein solcher Yogi übertrifft den Asketen, den Gelehrten und auch den Opferritualisten. Deshalb werde ein Yogi, oh Arjuna! Und als Hingebungsvollsten unter allen Yogis betrachte ich den, der mich im Innersten zutiefst verehrt und voller Vertrauen allein in mir ruht.


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