Pushpak Mahabharata Buch 6Zurück WeiterNews

Kapitel 28 - Der Yoga der Erkenntnis

Der Heilige sprach:
Diesen unvergänglichen Yoga der Hingabe habe ich einst Vivasvat (dem Sonnengott) verkündet. Vivasvat verkündete ihn an Manu und Manu an Ikshvaku. Von Generation an Generation weitergegeben, haben ihn die königlichen Weisen erfahren. Doch im Laufe dieser langen Zeit, oh Feindevernichter, ist diese Hingabe in der Welt wieder geschwunden. So habe ich dir heute diesen Yoga erneut erklärt, weil du mein Verehrer und Freund bist, denn dies ist das höchste Mysterium.

Da fragte Arjuna:
Oh Krishna, deine Geburt war doch viel später als die von Vivasvat. Wie soll ich das verstehen, daß du ihn am Anfang belehrt hattest?

Der Heilige sprach:
Viele Geburten habe ich schon durchlaufen, so wie auch du, oh Arjuna. Ich kenne sie alle, du aber nicht, oh Feindevernichter. Obwohl ich ungeboren und der Herr aller Wesen bin und im Grunde keinen Verfall kenne, so nehme ich doch, gegründet im Selbst und durch meine Macht zur Illusion (Maya) verkörperte Geburten an. Oh Bharata, wann immer es die Ordnung in der Welt erfordert, verkörpere ich mich selbst, um die Gerechtigkeit zu fördern und das Unheil einzudämmen. So erscheine ich von Zeitalter zu Zeitalter, um die Weltordnung (das Dharma) zu erhalten.

Wer diese göttliche Geburt und mein Werk wahrhaft erkennt, der wird nicht wiedergeboren, wenn er sich von diesem Körper löst, sondern kommt zu mir, oh Arjuna. Schon viele, die von Anhaftung, Angst und Zorn befreit wurden, die ganz von mir erfüllt und nur in mir gegründet waren, haben gereinigt und durch Erkenntnis und entsagendes Handeln meine Seinsweise erreicht. Unter welchen Umständen auch immer die Menschen zu mir kommen, ich nehme sie an, wie sie sind. Denn auf unterschiedlichsten Wegen, oh Partha, folgen mir doch die Menschen überall. Sie beten zu den Göttern, wenn sie in dieser Welt Erfolg suchen, denn mit ihrer Kraft führen die Handlungen hier auf Erden schnell zu Resultaten. Dafür habe ich die vierfache Aufteilung der Kasten gemäß den unterschiedlichen Qualitäten (Sattwa, Rajas und Tamas) mit den entsprechenden Aufgaben (für die Menschen) geschaffen.

Doch obwohl ich der Schöpfer von allem bin, so erkenne mich als ewig Nichthandelnden und Unvergänglichen. Denn diese Handlungen verstricken mich nicht, weil ich kein Verlangen nach ihren Früchten habe. Wer mich so erkennt, wird durch Taten nicht mehr gebunden. Mit dieser Erkenntnis betätigen sich die Weisen, die nach Befreiung suchten, seit ältesten Zeiten im Handeln. So vollbringe auch du dein Werk, wie all die Großen vor dir!

Was ist Handeln, was ist Nichthandeln? Selbst die Gelehrten sind sich darin nicht einig. Deshalb möchte ich dir das Handeln erklären. Wer es erkennt, kann das Leiden überwinden. Tiefgründig sollte man das wahre Wesen von Handeln, nicht Handeln und Nichthandeln erkennen. Denn die Wege des Handelns sind schwer ergründbar. Wer das Nichthandeln im Handeln und das Handeln im nicht Handeln sieht (wer sieht, wie Handeln ohne karmische Bindung sein kann, aber nicht Handeln karmisch binden kann), der ist weise unter den Menschen, und voller Hingabe wird er alle Werke vollbringen. Selbst die Gelehrten nennen ihn weise, weil seine Bemühungen ohne Begierde und ichhafte Absicht sind. So verbrennt er das Karma all seiner Handlungen im Feuer der Erkenntnis.

Wer jegliche Anhaftung an die Frucht der Handlung aufgegeben hat, stets zufrieden und an niemanden gebunden ist, der handelt nicht, auch wenn er tätig ist. Wer auf diese Weise ohne Begierde und mit gezügelten Sinnen und Gedanken der ichhaften Sorgen ledig ist, handelt stets zum Wohle aller und sammelt keine Sünde an. Wer mit dem zufrieden ist, was ihm gegeben wird, wer jenseits aller Gegensätze verweilt, wer keinen Neid mehr kennt und im Erfolg und Mißerfolg der Gleiche bleibt, wird in die Handlungen nicht mehr verstrickt, auch wenn er tätig ist. Wessen Geist in dieser Erkenntnis gründet, wer ohne Anhaftung frei ist und jede Tat als Opfer widmet, der handelt, ohne irgendetwas anzusammeln. Für ihn ist Brahman der Opferaltar und Brahman die Opfergabe, die durch Brahman selbst ins Opferfeuer des Brahman gegossen wird. Und indem er seinen ganzen Geist im Brahman gründet, der die Handlung selbst ist, erreicht er das Brahman.

Manche Yogis opfern den Göttern, manche opfern das Opfer selbst im Brahmafeuer, manche opfern ihre Sinne im Feuer der Selbstbeherrschung, manche opfern die Sinnesobjekte im Feuer der Sinne, und manche opfern alle Sinnestätigkeiten und die Funktion des Lebenssamens durch Selbstzügelung im Feuer der Hingabe, das durch Erkenntnis entzündet wurde. Manche Yogis opfern allen Reichtum, manche erbringen das Opfer der asketischen Entsagung, das Opfer der Meditation, das Opfer des Studiums oder das Opfer des Wissens, und andere leben als Asketen mit beständigen Gelübden. Manche opfern das aufstrebende Einatmen (Apana) in das hinabstrebende Ausatmen (Prana), und andere das hinabstrebende Ausatmen in das aufstrebende Einatmen. Manche halten Ein- und Ausatmung zurück und opfern die Atemkontrolle, andere fasten und opfern damit die Lebensenergie an die Lebensenergie. Sie alle, die das Wesen des Opferns erkannt haben, verbrennen im Opfer ihre Sünden, leben vom reinen Nektar der Opferreste und erreichen das ewige Brahman. Und wenn schon diese Welt ohne Opfer nicht bestehen kann, wie könnten es die höheren, oh Bester der Kurus?

So sind diese verschiedenen Opfer durch die Veden ausgebreitet. Erkenne, oh Arjuna, daß sie alle aus Handlungen hervorgehen und du wirst frei sein. Dabei ist das Opfer der Erkenntnis höher als alle anderen Opfer und verdienstvollen Taten, oh Feindevernichter, weil alles Handeln schließlich in der Erkenntnis Vollendung findet. So finde auch du diese Erkenntnis durch Demut, Lernen und Dienen. All die Weisen mit wahrhafter Sicht werden dich zur Erkenntnis führen, womit du nie wieder in solche Illusion verfallen kannst. So wirst du die zahllosen Geschöpfe (der Welten) zuerst in dir und dann in mir erkennen. Selbst wenn du der größte Sünder unter allen Sündern wärst, mit dem Floß dieser Erkenntnis wirst du alles Leiden überqueren.

Oh Arjuna, so wie ein aufflammendes Feuer seinen Brennstoff zu Asche verbrennt, so verbrennt das Feuer dieser Erkenntnis das Karma aller Handlungen. Es gibt in dieser Welt keinen anderen Weg der Reinigung, welcher dieser Erkenntnis gleichkäme. Wer den Yoga der Hingabe geduldig übt, erreicht sie, ohne sie zu begehren, mit der Zeit von selbst. Wer Vertrauen hat und darin beständig ist, und wer seine Sinne zügelt, der findet diese Erkenntnis in der höchsten Stille jenseits der Zeit. Denn ohne Erkenntnis und Vertrauen verliert man sich in einem zweifelhaften Geist. Und in diesem Wahn verloren, ist weder in dieser Welt noch in der kommenden Glück beschieden.

Oh Dhananjaya, nur der verstrickt sich nicht im Handeln, der das Handeln durch Hingabe von sich abgeworfen hat, dessen Unwissenheit durch Erkenntnis zerstreut wurde, und der im Selbst gegründet ist. Deshalb zerschlage mit dem Schwert der Erkenntnis allen Wahn, der durch Unwissenheit geboren wird und in deinem Geist lebt! Übe den Yoga der Hingabe und erhebe dich, oh Sohn des Bharata!


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