Pushpak Mahabharata Buch 5Zurück WeiterNews

Kapitel 133 - Die Geschichte von der Königin Vidula

Kunti sprach:
Diesbezüglich, oh Feindevernichter, wird eine alte Geschichte vom Gespräch zwischen Vidula und ihrem Sohn erzählt. Mögest du diese Geschichte oder eine noch bessere an Yudhishthira übermitteln. Es gab einst eine hochgeborene Dame mit großer Weitsicht, welche Vidula genannt wurde. Sie war berühmt, hatte ihre Sinne unter Kontrolle und war den Kshatriya Tugenden hingegeben. Gut gebildet, war sie allen Königen der Erde bekannt. Höchst gelehrig hörte sie die Reden und Anweisungen verschiedener Lehrer. Und eines Tages rügte die Prinzessin Vidula ihren eigenen Sohn, der nach seiner Niederlage gegen den König der Sindhus mit entmutigtem Herzen der Verzweiflung erlag. Und sie sprach:

Du bist nicht mein Sohn, oh Freude deiner Feinde! Weder wurdest du von mir geboren, noch von deinem Vater gezeugt! Woher kamst du nur? Ohne Zorn, wie du bist, kannst du nicht als Mann gezählt werden. Deine Eigenschaften verraten dich eher als Eunuchen. Versinkst du in Verzweiflung, so lange du noch lebst? Wenn du dein Wohlergehen wünschst, dann trage die Last des Lebens! Bereite deiner Seele keine Schande. Ertrage es nicht, mit Mittelmäßigkeit zufrieden zu sein. Strebe nach Wohlfahrt, und wirf all deine Ängste ab. Erhebe dich, oh Feigling! Lieg nicht am Boden nach deiner Niederlage, ohne jegliches Gefühl der Würde. Damit erfreust du alle deine Feinde und grämst deine Freunde. Kleine Bäche erhalten nur wenig Wasser und die Hände einer Maus nur wenig Gaben. So gewinnt auch der Feigling nur Kleinigkeiten. Vergehe lieber beim Herausreißen der Giftzähne einer Schlange, als wie ein jämmerlicher Hund zu sterben. Zeig deine Heldenkraft, selbst unter Lebensgefahr! Wie ein Falke furchtlos am Himmel streift, so wandere auch du tapfer über die Erde, entfalte deine Heldenkraft, oder beobachte still deine Feinde für eine passende Gelegenheit.

Warum liegst du wie eine Leiche oder ein vom Donner Erschlagener? Stehe auf, oh Feigling, und schlaf nicht, nachdem du vom Feind besiegt wurdest. Verschwinde nicht vor dem Anblick der Welt, wie all die Elenden. Gewinne dir Ruhm durch deine Taten. Verweile nicht im Mittelmaß oder noch niedriger. Flamme auf wie das Tinduka Holz, und glimme nicht im Begehren, wie das flammenlose Feuer der Reisspreu. Es ist besser, für einen Moment aufzuflammen, als für ewig nur zu qualmen.

Möge niemals ein Sohn in einer königlichen Familie geboren werden, der übermäßig ungezügelt oder übermäßig schlaff ist. Indem er sich auf das Kampffeld begibt und jene großen Leistungen vollbringt, die für Menschen erreichbar sind, wird ein Tapferer von den Schulden befreit, die ihm die Aufgaben der Kshatriya Kaste auferlegen. Eine solche Person hält sich von jeder Schande frei. Ob er sein Ziel gewinnt oder nicht, wer seine Vernunft bewahrt, verliert sich nie im Kummer. Im Gegenteil, er vollbringt, was als nächstes getan werden muß, ohne sich ständig um sein Leben zu sorgen. Deshalb, oh Sohn, zeig deine Heldenkraft oder empfange jenes Ende, das unvermeidlich ist. Warum mißachtest du die Aufgaben deiner Kaste, obwohl du noch am Leben bist? Alle deine religiösen Riten, oh Eunuch, und alle deine Verdienste sind vergangen. Jede Wurzel deiner Freude wurde abgeschlagen. Wofür lebst du noch? Wer fallen und sinken muß, der sollte den Feind an den Hüften ergreifen (und mit sich ziehen, bzw. mit ihm kämpfen). Selbst wenn dir jede Wurzel abgehauen wurde, solltest du niemals nachgeben und verzweifeln. Jedes eifrige Pferd zeigt seine ganze Kraft, um schwere Lasten zu tragen. Erinnere dich an dein Wesen, sammle all deine Kraft und dein Ehrgefühl und erkenne, worin dein Kampfgeist besteht. Bemüh dich, diesen Stamm wieder zu erheben, der durch dich gesunken ist. Wer keine großen Leistungen vollbracht hat, worüber die Menschen sprechen, der dient nur dazu, die Anzahl der Bevölkerung zu erhöhen. Er ist weder Mann noch Frau. Wessen Ruhm sich nicht auf Wohltätigkeit, Askese, Wahrhaftigkeit, Lernen und Erwerb von Reichtum gründet, der ist nur das Exkrement seiner Mutter. Wer andererseits die anderen im Lernen, in der Askese, an Reichtum, Heldenkraft und Taten übertrifft, der ist wirklich ein Mensch.

Es ziemt sich für dich nicht, den müßigen, elenden, berüchtigten und jämmerlichen Beruf eines Bettlers anzunehmen, der nur für einen Feigling würdig ist. Freunde werden nie glücklich, die so einen Schwachen als Freund haben, an dessen Anblick sich nur der Feind erfreut, der von Menschen gemieden wird, der ohne Sitze und Roben ist, der mit Kleinlichkeiten befriedigt wird, der keinen Mut hat, mittellos und unedel ist. Ach, verbannt aus unserem Königreich, vertrieben aus dem Heim, aller Mittel der Freude und des Vergnügens beraubt und ohne Reichtum werden wir aus Mangel an den notwendigen Dingen des Lebens zugrunde gehen müssen! Oh Sanjaya, inmitten der Guten benimmst du dich schlecht und bist der Zerstörer deines Stammes und deiner Familie. So habe ich wohl Kali selbst in Form eines Sohns zur Welt gebracht. Oh, möge keine Frau solch einen Sohn zur Welt bringen, der ohne Feuer, ohne Anstrengung und Energie und nur die Freude seiner Feinde ist. Glimme nicht! Flamme auf, und zeig deine ganze Heldenkraft! Bezwinge deine Feinde! Lodere wenigstens für einen Moment auf den Häuptern deiner Feinde, sei es auch noch so kurz! Denn nur der ist ein Mensch, der Biß hat und nicht vergeblich lebt. Wer dagegen allzu nachsichtig und ohne Feuer ist, kann weder als Mann noch als Frau gelten. Vergeblichkeit und Schwäche des Herzens, sowie Trägheit und Angst, sind die Zerstörer des Wohlstandes. Wer ohne Anstrengung ist, kann niemals Großes gewinnen. Deshalb, oh Sohn, befreie dich selbst durch deine eigene Anstrengung von diesen Schulden, die zur Niederlage und zum Untergang führen. Stähle dein Herz und versuche wieder zu dir zu kommen. Denn ein Mann wird Purusha genannt, weil er fähig ist, seinen Feind zu bedrängen. Wer deshalb wie ein ängstliches Weib lebt, trägt zu Unrecht den Namen Purusha (Mann).

Ein tapferer König mit Macht, der sich wie ein Löwe bewegt, kann alle Wege gehen. Dann werden die Untertanen seines Reiches niemals unglücklich sein. Denn nur der König, der nie sein eigenes Glück und Vergnügen sucht, sondern den Wohlstand seines Königreiches, wird bald die Freude seiner Berater und Freunde sein.

Diese Worte hörend, fragte der Sohn:
Wenn ich sterben würde, welchen Sinn hätte die ganze Erde noch für dich, welchen Sinn deine Ornamente, welchen Sinn deine Vergnügungen und sogar das Leben selbst?

Und die Mutter antwortete:
Mögen unsere Feinden jene Bereiche erhalten, die den Niedrigen gehören. Und mögen unsere Freunde dahin gelangen, wo die Ruhmreichen sind. Folge nicht dem Leben jener Elenden, die ohne Kraft, Diener und Begleiter sind und sich auf Kosten anderer ernähren. Wie die irdischen Wesen vom Regen abhängen oder die Götter von Indra, so mögen die Brahmanen und deine Freunde dich als Stütze haben. Ein Leben, oh Sanjaya, ist niemals eitel, das zum Wohl aller Geschöpfe beiträgt, wie der früchtetragende Baum die Vögel beschützt und ernährt. Das Leben eines Tapferen ist wahrlich lobenswert, wenn die Freunde durch seine Kraft Freude erfahren, wie die Götter ihr Glück durch Indra. Denn wer durch die Kraft seiner Arme edel lebt, der gewinnt wahren Ruhm in dieser Welt und einen gesegneten Zustand in der folgenden!


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