Pushpak Mahabharata Buch 5Zurück WeiterNews

Kapitel 129 - Der Appell von Gandhari an ihren Sohn

Vaisampayana fuhr fort:
Als König Dhritarashtra diese Worte von Krishna hörte, verlor er keine Zeit und wandte sich an Vidura, der mit allen Prinzipien der Tugend bekannt war, und sprach:

„Geh zu Gandhari, oh mein Sohn, die mit großer Weisheit und Voraussicht begabt ist, und bring sie hierher. Mit ihrer Hilfe werde ich den Hartherzigen bitten. Wenn sie diesen Übelgesinnten mit schlechtem Herzen beruhigen kann, können wir noch imstande sein, gemäß den Worten unseres Freundes Krishna zu handeln. Es könnte sein, daß sie es mit eindringlichen Worten für den Frieden noch schaffen kann, diesen Dummkopf, der von Habgier gequält ist und übelgesinnte Verbündete hat, auf den richtigen Pfad zu weisen. Wenn sie diese große und schreckliche Katastrophe, die uns durch Duryodhana droht, noch abwehren kann, dann wird dies zum Erlangen und Bewahren von Glück und Frieden für lange Zeit beitragen.“

Und als Vidura diese Worte des Königs hörte, holte er auf sein Gebot hin die Königin Gandhari mit der großen Sicht. Und Dhritarashtra sprach zu Gandhari:

„Schau, oh Gandhari, deinen Sohn mit der übelgesinnten Seele, wie er alle meine Befehle überschreitet und dabei ist, Wohlstand und Leben durch seine selbstsüchtige Begierde nach Herrschaft zu opfern. Mit gehässiger Seele und wenig Vernunft hat er den Hof mit seinen sündigen Beratern wie ein Dummkopf verlassen, der seine Vorgesetzten ignoriert und die Worte seiner Wohlgesinnten im Nichts untergehen läßt.“

Vaisampayana fuhr fort:
Gandhari, die ruhmreiche Königin hörte die Worte ihres Mannes und sprach, nach dem höchsten Wohl bestrebt:

Bringt unverzüglich meinen Sohn zurück, der an der Begierde nach dem Königreich erkrankt ist. Wer mit unkultiviertem Herzen, sowohl die Tugend als auch den Gewinn opfert, der verdient es nicht, ein Königreich zu regieren. Dessen ungeachtet hat Duryodhana, der ohne Demut ist, trotzdem mit allen Mitteln ein Königreich erhalten. Tatsächlich, oh Dhritarashtra, warst du so nachsichtig zu deinem Sohn, daß du in großem Maße dafür verantwortlich bist. Denn obwohl du seine Sündhaftigkeit gut kennst, folgst du immer noch seinem Rat. Dieser Sohn von dir ist völlig von Begierde und Zorn besessen und nun ein Sklave seines Wahns. Deshalb, oh König, kann er jetzt nicht einmal mit Gewalt zur Umkehr veranlaßt werden. Du erntest heute die Frucht davon, oh Dhritarashtra, daß du das Königreich einem unwissenden Dummkopf mit übelgesinnter Seele vermacht hast, der von Habgier besessen ist und eigensinnige Berater hat. Warum sieht der König gleichgültig einer solchen Spaltung zu, die hier zwischen engen Verwandten stattfindet? Wahrlich, deine Feinde werden über dich lachen, wenn sie dich in dieser Uneinigkeit deiner Familie erblicken. Welcher vernünftige Mensch würde Gewalt anwenden, um diese Krise zu überwinden, oh König, welche durch Versöhnung und Geschenke gelöst werden kann?

Vaisampayana fuhr fort:
So ersuchte Vidura auf Befehl von Dhritarashtra und seiner Mutter, den rachsüchtigen Duryodhana wieder zum Hof zurückzukehren. Und erwartungsvoll gegenüber den Worten seiner Mutter, ging der Prinz zur Versammlung, mit zornvoll geröteten Augen, rot wie Kupfer, und schwer atmend wie eine Schlange. Als Gandhari ihren Sohn, der den rechten Weg verlassen hatte, wieder am Hofe erblickte, da rügte sie ihn streng und sprach diese Worte mit dem Wunsch nach Frieden:

Oh Duryodhana, achte meine Worte, oh lieber Sohn, die zum Guten für dich und deine Anhänger sind, die du akzeptieren kannst und die dein Glück sichern werden. Oh Duryodhana, folge dem Rat deiner Wohlgesinnten, jenen Worten, welche die Besten der Bharatas, dein Vater, Bhishma, Drona, Kripa und Vidura gesprochen haben. Wenn du Frieden schließt, würdest du dadurch Bhishma, deinen Vater, mich und alle deine Wohlgesinnten mit Drona an der Spitze ehren. Oh du mit großer Weisheit Begabter, niemand, oh Bester der Bharatas, erreicht Erfolg durch selbstsüchtige Wünsche im Erwerben, Bewahren und Genießen eines Königreiches. Wer seine Sinne nicht unter Kontrolle hat, kann sich an der Herrschaft nicht lange erfreuen. Nur mit Selbstkontrolle und Weisheit sollte man über ein Königreich herrschen. Begierde und Haß trennen den Menschen im Laufe der Zeit von seinen Reichtümern und Freuden. Diese Feinde sollte ein König zuerst überwinden, und erst danach die Erde unter seine Herrschaft bringen. Denn die Herrschaft über Menschen ist keine Kleinigkeit. Jeder Übelgesinnte könnte sich leichtfertig ein Königreich wünschen. Aber er wäre nicht fähig, dieses Reich zu bewahren. Wer ein umfassendes Reich bewahren möchte, sollte seine Sinne sowohl an Gewinn als auch an Tugend binden, weil mit der Zügelung der Sinne die Weisheit zunimmt wie ein Feuer, das mit Brennstoff genährt wird. Unkontrolliert können die Sinne ihren Besitzer sogar töten, wie ungezügelte und wütende Pferde einen ungeschickten Reiter.

Wer sich bemüht, seine Minister zu kontrollieren, ohne sich selbst zu kontrollieren, und seine Feinde zu überwinden, ohne seine Leidenschaften zu überwinden, der wird bald selbst besiegt und zerstört werden. Wer sich aber zuerst selbst überwindet, wie einen Feind, der wird sich nicht vergebens bemühen, mit der Zeit auch seine Minister und Feinde zu kontrollieren. Der Wohlstand selbst verehrt besonders jene Menschen, welche ihre Sinne und Minister beherrschen, welche die Übeltäter bestrafen, welche nach reiflicher Überlegung handeln, und welche mit Weisheit begabt sind. Denn Begierde und Haß, die im Körper wohnen, werden in ihrer Kraft durch Weisheit gezügelt, wie ein Schwarm Fische in einem Netz mit dichten Maschen. Dieses aufregende Paar, Begehren und Hassen, ist der Grund dafür, weshalb die Götter die Himmelstore verschließen, wenn man das Irdische ablegen und zum Himmel aufsteigen will. Der König, der wirklich weiß, wie man Begierde und Haß, Neid, Prahlerei und Stolz überwindet, kann die Herrschaft der ganzen Erde erringen.

Der König, der Reichtum und Tugend gewinnen und seine Feinde besiegen möchte, sollte stets seine Leidenschaften zügeln. Wer unter dem Einfluß von Gier oder Zorn steht, und sich betrügerisch zu seinen Angehörigen oder zu anderen benimmt, wird niemals viele Verbündete gewinnen. Verbinde dich mit jenen Feindevernichtern, den heroischen Söhnen des Pandu, die alle mit großer Weisheit begabt sind, dann kannst du, oh Sohn, diese Erde im Glück genießen. Was Bhishma, der Sohn von Shantanu, und der mächtige Wagenkrieger Drona zu dir gesagt hat, oh Sohn, ist wirklich wahr: Krishna und Dhananjaya sind zusammen unbesiegbar. Suche deshalb den Schutz dieses Starkarmigen, der alles mit Leichtigkeit bewältigt. Laß uns Kesava erfreuen und seinem Rat folgen, dann werden beide Seiten glücklich sein. Denn der Mensch, der den Wünschen seiner weisen und gelehrten Freunde nicht folgt, die stets sein Wohl suchen, erfreut damit nur seine Feinde.

Oh Sohn, es liegt nichts Gutes in einem Krieg, weder Tugend noch Gewinn. Wie könnte dann ein Krieg Glück bringen? Niemals ist der Sieg sicher. Strebe deshalb nicht nach diesem Krieg! Oh Kluger, Bhishma, dein Vater und Valhika gaben damals den Pandavas ihren Anteil am Königreich aus Furcht vor einem Streit zwischen euch, oh Feindevernichter. Daß du heute die Herrschaft über die ganze Erde ohne fremde Rivalen hast, ist die Frucht dieser friedlichen Lösung. Das Reich, über das du heute herrschst, wurde von den Pandavas vergrößert. Sie haben alle Rivalen geschlagen. So gib ihnen, oh Feindevernichter, was ihnen gebührt! Wenn du mit deinen Beratern die Hälfte dieses Reiches genießen kannst, dann überlaß ihnen ihren Anteil. Die Hälfte der Erde sollte für dich und deine Berater mehr als genügend sein. Großen Ruhm wirst du gewinnen, oh Bharata, wenn du nach den Worten der dir Wohlgesinnten handelst. Ein Krieg mit den Söhnen des Pandu, die alle mit Wohlstand begabt sind, die ihre Seelen kontrollieren, die voller Intelligenz sind und ihre Leidenschaften überwunden haben, wird nur dazu führen, daß du selbst deinen großen Wohlstand verlierst. Zerstreue doch den Unmut all deiner Wohlgesinnten, beherrsche dein Königreich, wie es dir gegeben wurde, oh Stier der Bharats, und übergib den Pandu Söhnen ihren Anteil.

Oh Sohn, die Verfolgung der Pandavas für volle dreizehn Jahre ist genug gewesen! Lösche nun dieses Feuer, welches durch Begierde und Haß aufgelodert ist, oh du mit Weisheit Begabter. Den Reichtum der Pandavas zu begehren, ist nicht rechtmäßig von dir, noch vom Sohn dieses Suta oder von deinem zornvollen Bruder Dushasana. Wahrlich, wenn Bhishma, Drona, Kripa, Karna, Bhimasena, Dhananjaya und Dhrishtadyumna ihren Zorn in diesem Krieg entfalten, steht die ganze Bevölkerung der Erde vor dem Untergang. Oh Sohn, rotte nicht unter dem Einfluß des Zorns den Kuru Stamm aus! Zerstöre nicht die weite Erde für deine selbstsüchtigen Zwecke! In deiner Unwissenheit denkst du, daß Bhishma, Drona, Kripa und alle anderen Helden um dich herum mit ihrer ganzen Kraft kämpfen werden. Das wird nie geschehen, weil jene, die mit Selbsterkenntnis begabt sind, gleiche Zuneigung zu den Pandavas wie auch zu dir haben. Nur weil sie vom König (Dhritarashtra) ihren Lebensunterhalt erhalten haben, sind sie bereit, auch ihr Leben für ihn hinzugeben. Doch sie werden niemals imstande sein, nur einen rachsüchtigen Blick auf König Yudhishthira zu werfen. Es wurde in dieser Welt noch nie gesehen, daß Menschen ihr Wohlergehen durch Habgier erwerben. Gib deine Habgier auf, oh Sohn, und laß davon ab, oh Stier des Bharata Stammes.


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