Pushpak Mahabharata Buch 5Zurück WeiterNews

Kapitel 38 - Fortsetzung der Belehrung von Vidura

Vidura sprach:
Das Herz eines jungen Menschen schlägt höher, wenn ein alter und ehrwürdiger Gast sein Haus besucht. Indem er ihm entgegengeht und ihn begrüßt, beruhigt es sich wieder. Der Selbstbeherrschte bietet zuerst einen Sitz an, bringt Wasser zum Waschen der Füße und stellt die üblichen Fragen des Willkommens. Dann möge er von sich selbst sprechen und den Gast nach seinen Möglichkeiten bewirten. Die Gelehrten sagen, daß der Mensch vergebens lebt, in dessen Haus ein in Mantras erfahrener Brahmane Wasser, Honig, Quark oder Kühe zurückweist, weil er befürchtet, sie nicht verwenden zu können, da sie mit Geiz und Abneigung gegeben wurden. Quacksalber, Hersteller von Pfeilen, Ehebrecher, Diebe, Übeltäter, trinksüchtige Brahmanen, wer Abtreibungen durchführt, Söldner, sowie Verkäufer der Veden - wenn diese Leute als Gast erscheinen, sollte man trotz ihrer Unwürdigkeit dennoch das Wasser anbieten.

Ein Brahmane sollte niemals ein Verkäufer sein von Salz, gekochtem Essen, Quark, Milch, Honig, Öl, geklärter Butter, Sesam, Fleisch, Früchten, Wurzeln, Küchenkräutern, gefärbter Kleidung, Parfümen oder Sirup. Aber wer nie dem Ärger nachgibt, wer die Sorgen überwunden hat, kein Bedürfnis mehr nach Freund und Feind empfindet, in Lob und Tadel gelassen bleibt, jenseits von angenehm und unangenehm ist, wer diese Welt vollkommen überwunden hat, der ist ein wahrer Yogi und Brahmane. Der tugendhafte Asket, der von wildem Reis lebt, von Wurzeln und Kräutern, der seine Seele unter Kontrolle hat, der sorgfältig die Opferfeuer bewahrt und in den Wäldern wohnt, der alle Gäste achtet, der ist wahrlich der Erste seiner Bruderschaft.

Wer eine kluge Person benachteiligt, der sollte sich niemals sicher fühlen, auch wenn er denkt, daß er weit entfernt vom Geschädigten lebt. Denn lang sind die Arme, die der Kluge hat, mit denen er Unrecht für Unrecht zurückgeben kann, welches ihm angetan wurde. Vertraue niemals dem, dem man nicht vertrauen kann, und allen anderen vertraue nicht übermäßig, weil aus den Erwartungen an andere die Gefahr entsteht, die eigenen Wurzeln zu zerstören. Man sollte auf jeglichen Neid verzichten, die Ehefrauen beschützen, anderen geben, was sie wünschen und in der Rede angenehm bleiben. Sei freundlich zu den Ehefrauen, aber werde nie ihr Sklave. Denn es wird gesagt, daß tugendhafte Ehefrauen ein Segen sind. Sie sind verehrungswürdig, der Schmuck ihrer Häuser und wahre Verkörperungen des häuslichen Wohlstandes. Sie sollten deshalb besonders beschützt werden. Man sollte die Kontrolle über die inneren Gemächer auf ihren Vater übertragen, über die Küche auf ihre Mutter und über die Kühe auf einen guten Freund. Aber die landwirtschaftlichen Angelegenheiten sollte man selbst kontrollieren. Die Gäste aus der Händler-Kaste sollte man durch seine Diener umsorgen lassen und diejenigen der Brahmanen-Kaste durch seine Söhne.

Das Feuer hat seinen Ursprung im Wasser, die Kshatriyas in den Brahmanen und das Eisen im Stein. Die Energie von ihnen (Feuer, Kshatriyas und Eisen) kann alle Dinge bedrängen, aber wird neutralisiert, sobald sie mit ihren Ahnen (Ursprüngen) in Berührung kommen. Das Feuer liegt im Holz verborgen, ohne sich äußerlich zu zeigen. Gute und versöhnliche Menschen, die aus edlen Familien stammen und mit dieser feurigen Energie begabt sind, verraten nie durch Oberflächlichkeit, was in ihrem Inneren ist. Denn nur jener König, dessen Absichten Außenstehende nicht kennen, der aber durch achtsame Spione die Ziele anderer kennt, kann sich lange am Wohlstand erfreuen. Man sollte über seine Pläne nie unnötig sprechen. Laß das, was du bezüglich der Lebensziele von Tugend, Gewinn und Liebe (Dharma, Artha und Kama) tun willst, unbekannt sein, bis es getan ist. Enthülle niemandem dein Innerstes. Steige auf einen einsamen Bergesgipfel oder auf die Dachterrasse deines Palastes, oder geh in die Wildnis, wo keine Bäume und Büsche wachsen, und laß dort in der Einsamkeit deine Absichten reifen. Oh Bharata, weder ein ungelehrter Freund, noch ein gelehrter Freund, der keine Kontrolle über seine Sinne hat, sollte ein Behältnis von Staatsgeheimnissen werden. Oh König, mache niemanden zu deinem Minister, ohne ihn genau zu kennen. Denn der Reichtum eines Königs und seine Minister sind eng miteinander verbunden. Jener König ist der Erste aller Herrscher, dessen Minister seine Absichten bezüglich Tugend, Gewinn und Liebe erst erfahren, nachdem sie vollbracht wurden. Der König, dessen Absichten verborgen bleiben, wird zweifellos Erfolg haben.

Wer in seiner Unwissenheit tadelnswerte Handlungen begeht, der wird infolge der üblen Früchte jener Taten sein wahres Leben verlieren. Dagegen sind lobenswerte Handlungen stets mit wachsendem Wohlergehen verbunden. Wer auf solche Handlungen verzichtet, der wird es später bedauern. Wie ein Brahmane ohne Studium der Veden als Amtierender im Sraddha ungeeignet ist, so ist auch jener ungeeignet für die Teilnahme an politischen Beratungen, der die sechs Mittel zum Schutz eines Königreiches nicht kennt. Oh König, wer Zunahme, Abnahme und Überschuß im Königreich beobachtet, wer die sechs Mittel und sich selbst kennt und wessen Verhalten beständig gelobt wird, der wird die ganze Erde beherrschen wie sich selbst. Wessen Zorn und Freude produktiv sind, wer persönlich darüber wacht, was getan werden sollte, und wer seine Schatzkammer unter Kontrolle hat, der wird die ganze Erde beherrschen wie sich selbst. Ein König sollte mit dem Namen zufrieden sein, den er gewinnt und mit dem Schirm, der über seinen Kopf gehalten wird. Er sollte den Reichtum des Königreiches mit denen teilen, die ihm dienen, denn er ist nicht der Eigentümer davon.

Der Brahmane erkenne einen Brahmanen, der Mann kenne seine Ehefrau, der König die Minister, und Herrscher sollten Herrscher kennen. Ein Feind, der den Untergang verdient, sollte niemals freigelassen werden, wenn er einmal unterworfen wurde. Nur solange man schwach ist, sollte man dem Feind Respekt zollen, selbst wenn er den Tod verdient. Aber der Feind sollte besiegt werden, sobald die eigene Kraft es gebietet. Denn wenn er nicht besiegt wird, werden bald Gefahren aus ihm entstehen.

Man sollte unter allen Umständen seinen Zorn gegen Götter, Könige, Brahmanen, alte Menschen, Kinder und diejenigen kontrollieren, die hilflos sind. Wer klug ist, sollte alle Streitereien vermeiden, die keinen wirklichen Nutzen bringen und nur eine Beschäftigung für Dummköpfe sind. So gewinnt man Ruhm in dieser Welt und vermeidet Elend und Gram. Das Volk wünscht keinen Herrscher, dessen Gnade unfruchtbar ist und dessen Zorn im Nichts verraucht, so wie Frauen keinen Eunuchen als Ehemann wünschen.

Nur Gelehrtheit reicht nicht zum Wohlergehen, noch führt Untätigkeit immer ins Unglück. Nur der Weise allein kennt die subtilen Ursachen für die ungleichen Bedingungen in dieser Welt, sonst niemand. Ein Dummkopf, oh Bharata, ignoriert stets die Alten, Erfahrenen und Ehrwürdigen in Verhalten und Vernunft, in Gelehrtheit, Verdienst und Abstammung. Das weltliche Elend wird bald jene einholen, die übelgesinnt denken und keine Weisheit suchen, die neidisch, sündig, verlogen und zornig sind. Das Herz des Volkes sollte mit Wahrhaftigkeit, Wohltätigkeit, Anstand, Würde und wohlbedachte Rede erobert werden. Wer offen, fleißig, dankbar, intelligent und wohlgesinnt ist, der bewahrt seine Freunde, Berater und Diener, selbst mit leeren Schatzkammern. Vernunft, innere Ruhe, Selbstdisziplin, Reinheit, freundliche Rede und Wohlwollen, diese werden als Brennstoff für die Flamme des Wohlstandes betrachtet. Der Unwissende, oh König, der sich aneignet, was ihm nicht gehört, der übelgesinnt, undankbar und schamlos ist, der sollte stets gemieden werden. Der Schuldvolle, der andere gegen Unschuldige aufhetzt, der wird des Nachts niemals friedlich schlafen können, wie jemand, der Schlangen in seinem Haus hat.

Jene, oh Bharata, die durch ihren Zorn den Besitz und Lebensunterhalt von anderen gefährden, sollten stets besänftigt werden wie aufgebrachte Götter. Die Ziele, deren Erfolg von Frauen, Unbesonnenen, Unzuverlässigen oder Übelgesinnten abhängen, sind immer zweifelhaft. Denn jene versinken hilflos, oh König, wie ein Floß aus Stein, die ein Weib, ein Kind oder einen Betrüger als Führer haben. Der Mensch, der von Betrügern, Schmeichlern und Klatschweibern gelobt wird, ist mehr tot als lebendig. Nur wer das Wesen des Handelns erfahren hat, wird als klug und weise betrachtet, selbst wenn er die oberflächlichen Dinge nicht alle kennt. Denn das Oberflächliche ist zweitrangig.

Oh Bharata, du hast diesen mächtigen Bogenschützen, den Pandavas mit der unermeßlichen Kraft, entsagt und deinem Sohn Duryodhana die Sorge über ein mächtiges Reich übertragen. Du wirst deshalb bald sehen, wie dieses wohlhabende Reich fallen wird, wie Vali vom Thron der drei Welten.


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