Pushpak Mahabharata Buch 4Zurück WeiterNews

Kapitel 38 - Uttara erblickt des Heer der Kurus und flieht

Vaisampayana fuhr fort:
Und als sie die Stadt verließen, da sprach der Sohn von Virata unerschrocken zu seinem Wagenlenker: „Fahr zügig dorthin, wo die Kurus sind. Und nachdem wir die versammelten Kurus geschlagen haben, die mit dem Wunsch nach Sieg hierher kamen, werden wir schnell meine Rinder retten und zur Hauptstadt zurückkehren.“

Nach diesen Worten des Prinzen trieb der Sohn des Pandu jene ausgezeichneten Rosse weiter an. Und mit der Geschwindigkeit des Windes begabt und mit goldenen Ketten geschmückt, schienen jene Rosse durch die Luft zu fliegen, als sie vom Löwen unter den Männern angetrieben wurden. Und sie waren nicht lange gefahren, als jener Feindevernichter Dhananjaya und der Sohn von Matsya die Armee der starken Kurus sichteten. Nicht weit vom Leichenplatz entfernt trafen sie auf die Kurus und schauten ihre Armee, die in Kampfordnung marschierte. Dieses Heer erschien vor ihnen wie das ausgedehnte Meer oder ein Wald mit unzähligen Bäumen, der sich bis zum Horizont erstreckte. Oh Bester der Kurus, man sah den Staub, der von dieser Armee bis zum Himmel aufstieg und allen Wesen die Sicht versperrte. Sie erblickten diese mächtige Heerschar, übervoll mit Elefanten, Pferden und Kampfwagen, geschützt durch Karna, Duryodhana, Kripa und dem Sohn von Shantanu, sowie vom klugen und großen Bogenschütze Drona mit seinem Sohn (Aswatthaman). Und da sprach der Sohn von Virata, dem vor Angst die Haare zu Berge standen, zu Arjuna:

Ich wage es nicht, mit den Kurus zu kämpfen. Sieh nur, wie sich mir die Haare auf dem Körper sträuben. Ich bin nicht fähig, mit dieser unzähligen Heerschar der Kurus zu kämpfen, die heroische Krieger im Überfluß haben, die äußerst kraftvoll sind und sogar von den Himmlischen nur schwer besiegt werden könnten. Ich wage es nicht, in die Armee der Bharatas einzudringen, die aus fürchterlichen Bogenschützen besteht und aus Unmengen von Pferden, Elefanten, Kampfwagen, Fußsoldaten und Standarten. Mein Geist ist völlig verwirrt durch diesen direkten Anblick des Feindes auf dem Kampffeld. Dort stehen Drona und Bhishma, Kripa und Karna, Vivinsati, Aswatthaman, Vikarna, Saumadatti, Valhika und der heroische König Duryodhana selbst, dieser Erste der Wagenkrieger, sowie viele andere herrliche Bogenschützen, alle im Kampf erfahren. Mir stäuben sich die Haare, und ich falle vor Angst in Ohnmacht, bei diesem unmittelbaren Anblick der Kuru Krieger in ihrer Kampfordnung.

Vaisampayana fuhr fort:
Und der ahnungslose und unwissende Uttara begann in seiner Verzweiflung, in Gegenwart des als Wagenlenker verkleideten höchsten Geistes sein Schicksal zu beklagen:
Ach, mein Vater ist ausgezogen, um die Trigartas zu finden. Er nahm alle seine Kämpfer mit, und ließ mich in der leeren Stadt zurück. Es gibt keine Soldaten mehr, die mir helfen könnten. Allein und bloß ein Jüngling, der noch nicht genügend Erfahrung im Kampf gesammelt hat, bin ich unfähig, auf diese unzähligen Krieger zu treffen, die in der Waffenkunst höchst erfahren sind. Deshalb, oh Vrihannala, laß uns nicht weiter vorwärts streben!

Darauf sprach Vrihannala:
Warum siehst du so blaß und ängstlich aus? Damit steigerst du den Triumph deiner Feinde. Denn bis jetzt hast du dem Feind auf dem Kampffeld noch nichts angetan. Du warst es doch, der mir den Befehl gab: „Bringe mich zu den Kauravas.“ Ich werde dich deshalb dahin fahren, wo diese unzähligen Fahnen wehen. Natürlich werde ich dich, oh Starkarmiger, in die Mitte der feindlichen Kurus bringen, die bereit sind um die Rinder zu kämpfen, wie Falken um das Fleisch. Ich würde das auch tun, wenn es um ein höheres Ziel zum Kampf ginge, wie um die Herrschaft über die ganze Erde. Als wir losfuhren, sprachen die Männer und Frauen so hoch von deinem Kampfgeist. Warum willst du nun vor dem Kampf fliehen? Wenn du ohne die Rinder nach Hause zurückkehren würdest, müßten alle braven Männer und Frauen über dich lächeln, wenn sie sich versammeln. Auch ich kann nicht zur Stadt zurückkehren, ohne die Rinder gerettet zu haben, denn die Sairindhri hat so hoch von mir bezüglich meiner Erfahrung als Wagenlenker gesprochen. Nur wegen des Lobes der Sairindhri und aufgrund deines Wunsches bin ich hier. Warum sollte ich deshalb den Kampf mit den Kurus nicht suchen? Also, sei unbesorgt!

Aber Uttara sprach:
Mögen doch die Kurus den ganzen Reichtum der Matsyas rauben. Mögen doch die Männer und Frauen, oh Vrihannala, über mich lachen. Laß doch meine Kühe zugrunde gehen und die Stadt eine Wüste sein. Laß mich beschämt vor meinen Vater treten. Ich fühle keine Begierde mehr nach diesem Kampf.

Vaisampayana fuhr fort:
So sprach der verschreckte Prinz, der mit Ohrringen geschmückt war, und sprang von seinem Wagen herunter, warf Pfeile und Bogen davon. Er begann zu fliehen und opferte seine Ehre und seinen Stolz. Doch Vrihannala rief ihm nach: „Das ist nicht das Wesen der Tapferen, daß sie als Krieger vom Kampffeld fliehen. Sogar der Tod im Kampf ist besser als die Flucht aus Angst.“

So sprach Dhananjaya, der Sohn von Kunti, und sprang ebenfalls vom vorzüglichen Wagen herab, um dem Prinz hinterherzulaufen. Dabei flatterten seine langen Zöpfe und seine reinliche rote Kleidung im Wind. Und einige Soldaten, nicht ahnend, daß es Arjuna war, dessen Zöpfe so im Wind flatterten, brachen bei diesem Anblick in stürmisches Gelächter aus. Doch bei weiterer Betrachtung des Dahinlaufenden begannen die Kurus zu zweifeln:

Wer ist diese Person, so verkleidete, wie das Feuer in der Asche verborgen liegt? Er ist teilweise Mann und teilweise Frau. Doch obwohl er kein Geschlecht zeigt, ähnelt er doch dem Arjuna. Er gleicht ihm an Kopf und Hals und hat dieselben Arme, wie zwei mächtige Keulen. Und sein Gang ist ihm ebenfalls ähnlich. Es kann niemand anderes sein als Dhananjaya. Wie Indra unter den Himmlischen, so ist Dhananjaya unter den Menschen. Wer sonst in dieser Welt würde sich allein gegen uns stellen, außer Dhananjaya? Virata ließ einen einzelnen Sohn in der leeren Stadt zurück. Er ist nur aus Kinderei und nicht aus wahrem Heldentum herausgekommen. Es ist bestimmt Uttara, der aus der Stadt kam und vielleicht hat er als seinen Wagenlenker Arjuna, den Sohn der Pritha, der jetzt verborgen lebt. Es scheint, daß er jetzt in Panik beim Anblick unserer Armee davonläuft. Und vielleicht ist es Dhananjaya, der dem jungen Prinzen nacheilt, um ihn zurückzubringen.

Vaisampayana fuhr fort:
Oh Bharata, so betrachteten die Kauravas den verkleideten Sohn des Pandu und wälzten ihre Vermutungen, konnten aber zu keinem ernsten Schluß kommen. Inzwischen ergriff Dhananjaya den eilig entfliehenden Uttara nach hundert Schritten an den Haaren. Und von Arjuna ergriffen, begann der Sohn des Virata in seinem großen Kummer zu jammern und rief: „Oh guter Vrihannala, erhöre mich. Wende schnell den Lauf des Wagens. Nur wer lebt, kann sein Wohlergehen sichern. Ich will dir alles geben, hundert Münzen aus reinem Gold, acht höchst strahlende Brillanten mit Gold, einen Kampfwagen der mit einem goldenen Fahnenmast ausgestattet ist und von ausgezeichneten Rossen gezogen wird, und noch zehn mächtige Elefanten. Oh Vrihannala, laß mich doch frei!“

Vaisampayana fuhr fort:
So angesprochen lächelte dieser Tiger unter den Männern und schleppte Uttara, der fast bewußtlos war und immer nur wehklagte, zum Wagen zurück. Und der Pritha Sohn sprach dann zum erschütterten Prinzen, der fast von Sinnen war: „Wenn du, oh Feindebedränger, es nicht selbst wagst mit dem Feind zu kämpfen, dann komm und halte wenigstens die Zügel der Rosse straff, wenn ich mit dem Feind kämpfe. Geschützt durch die Macht meiner Arme, dringe du in die furchterregenden und schwerbesiegbaren Reihen der Kampfwagen ein, die von heroischen und mächtigen Kriegern beschützt werden. Wirf die Angst ab, oh Feindevernichter! Du bist ein Kshatriya und der Erste vor der königlichen Prinzessin. Warum, oh Tiger unter den Männern, verzagst du in der Mitte der Feinde? Ich werde erfolgreich mit den Kurus kämpfen, in diese furchterregenden und unzugänglichen Reihen von Kampfwagen eindringen und die Rinder wiedererlangen. Sei du mein Wagenlenker, oh Bester der Menschen, und ich werde den Kampf austragen.“

So sprach Arjuna, der niemals im Kampf besiegt wurde, zu Uttara, dem Sohn von Virata, und tröstete ihn eine Zeitlang. Damit richtete der Sohn der Pritha, der Erste der Krieger, den schwach und unwillig gewordenen Prinzen wieder auf, der an seiner Angst verzweifeln wollte, und setzte ihn zurück auf seinen Kampfwagen.


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