Pushpak Mahabharata Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 305 – Kunti probiert das Mantra

Vaisampayana fuhr fort:
Kurze Zeit, nachdem der Brahmane fortgegangen war, begann Kunti über den Sinn des Mantras nachzudenken. Sie sagte zu sich:
Welcherart ist wohl das Mantra, welches mir der Hochbeseelte übertrug? Vielleicht sollte ich seine Macht prüfen.

Als sie solcherart grübelte, bemerkte sie plötzlich Anzeichen ihrer ersten Menstruation, und weil sie noch nicht verheiratet war, errötete sie schamvoll. Sie saß in ihrer Kammer auf einem kostbaren Bett und betrachtete durch das Fenster die im Osten sich erhebende Sonne. Dabei hefteten sich nicht nur die Augen sondern auch die Gedanken des Mädchens mit der wohlgerundeten Hüfte vollständig auf die Sonnenscheibe. Sie starrte und starrte und konnte sich an der Schönheit der Morgensonne nicht satt sehen. Und plötzlich ward ihr himmlische Sicht geschenkt, und sie sah den Gott von himmlischer Gestalt mit Rüstung und Ohrringen (Kundalas) geschmückt. Und wieder erwachte in ihr die Neugier, die Wirkung des Mantras auszuprobieren. So beschloß das Mädchen, den Sonnengott anzurufen. Sie begann mit Pranayama (Atemkontrolle) und sprach dann das Mantra, um den Sonnengott herbeizurufen. Sofort erschien der Gott vor ihr. Er war von goldiger Farbe wie Honig und hatte kräftige Arme. Sein Nacken war mit den Linien geziert, welche denen auf der Muschelschale gleichen. Er trug Armreifen und ein Diadem, lächelte und erleuchtete alles ringsumher. Mittels Yoga Kraft blieb ein Teil von ihm am Himmel und spendete weiter Wärme.

Und der andere Teil trat vor Kunti und sprach mit süßen Worten:
Oh zarte Maid, dein Mantra überwältigte mich, und ich komme, dir gehorsam zu sein. Was soll ich für dich tun, oh Königin, denn ich stehe unter deiner Macht? Befiehl mir, ich werde folgen, was immer es sei.

Kunti antwortete:
Oh Ehrenwerter, kehre wieder dahin zurück, woher du kamst. Ich rief dich aus reiner Neugier. Verzeih mir bitte, oh Verehrter.

Surya erwiderte daraufhin:
Oh Dame mit der schlanken Taille, ich werde zurückgehen, wie du gesagt hast. Doch wisse, es ist nicht angebracht, einen Himmlischen umsonst anzurufen. Es ist deine Absicht, von Surya einen Sohn zu bekommen, der mit Rüstung und Ohrringen ausgestattet und an Ruhm unvergleichlich ist in dieser Welt. So übergib mir deinen Körper, oh Dame mit dem würdevollen Gang, und dein Wunsch wird erfüllt werden. Danach gehe ich wieder zurück, oh zartes Mädchen mit dem lieblichen Lächeln. Doch wenn du mir keine Genugtuung gewährst und meinem Wort nicht folgst, dann wird dich, deinen Vater und auch den Brahmanen der zornvolle Fluch treffen. Wegen deines Ungehorsams werde ich sie alle verbrennen. Für deinen törichten Vater, der deinen Ungehorsam nicht erkannt hat, werde ich eine angemessene Strafe finden und auch für den Brahmanen, der dir dieses Mantra gab, ohne deine Neigung und deinen Charakter zu kennen. Mit höhnischem Schmunzeln schauen gerade alle Himmlischen mit Indra an der Spitze auf mich herab, weil ich von dir getäuscht wurde, oh Dame. Schau sie dir an, denn du hast im Augenblick die himmlische Sicht, welche ich dir gab, damit du mich sehen kannst.

Und wirklich, die Prinzessin schaute all die Himmlischem am Firmament, ein jeder in seiner Sphäre, genau so wie sie zuvor den glänzenden Gott der vielen Strahlen geschaut hatte. Dies machte dem Mädchen Angst, und sie errötete schamvoll.

Doch noch einmal bat sie Surya:
Oh Herr der Strahlen, geh wieder zurück in deinen eigenen Bereich. Ich bin Jungfrau und unverheiratet, und dein Vorschlag peinigt mich. Nur Vater, Mutter und andere höhere Familienmitglieder können den Körper ihrer Tochter weggeben. Ich kann die Tugend nicht opfern. In dieser Welt wird es hoch geachtet und als die größte Pflicht einer Frau angesehen, wenn sie ihre Person ungeschändet bewahrt. Oh du mit dem reichen Glanz, ich wollte nur die Kraft dieses Mantras prüfen. Es war kindisch von mir, dich zu rufen. Bitte bedenke, daß ich noch sehr jung bin, und vergib mir, oh Herr.

Doch Surya sprach:
Nur, weil ich dich noch als Mädchen betrachte, spreche ich so milde mit dir. Keinem sonst würde ich dies zugestehen. Übergib dich mir, oh Kunti. Du wirst damit Glück erlangen. Für mich ist es unmöglich, wieder fortzugehen, ohne etwas bewirkt zu haben, wenn ich von dir mittels eines Mantras gerufen wurde. Damit würde ich zum Gespött in der Welt und aller Himmlischen, oh du mit den makellosen Gliedern. So komm zu mir, oh schöne Dame. Du wirst davon einen Sohn bekommen, der mir gleicht, und in der Welt hoch gelobt werden.


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