Pushpak Mahabharata Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 290 – Ende des Ramayana

Markandeya fuhr fort:
Nachdem Ravana, der üble König der Rakshasas und Feind der Himmlischen geschlagen war, erhob sich lauter Jubel bei Rama, Lakshmana und ihren Freunden. Die Himmlischen und die Rishis ehrten den starkarmigen Rama, segneten ihn und murmelten unablässig das Wort „Jaya“. Für ihn sangen sie Lobeshymen, und auf ihn, den Lotusäugigen, ließen sie Blumenschauer regnen, bis sie schließlich wieder in die Regionen zurückkehrten, aus denen sie gekommen waren. Und das Firmament strahlte, als ob ein großes Fest gefeiert würde.

Als nächstes übergab Rama, dieser Herr mit dem weltweiten Ruhm und Bezwinger aller feindlichen Städte, Vibhishan die Herrschaft über Lanka. Und der weise und alte Berater Avindhya und Vibhishan nahmen Sita in ihre Mitte und kamen aus Lanka herausgeschritten. Mit großer Demut sprach Avindhya zu Rama:
Oh Ruhmreicher, nimm diese Göttin an, die Tochter Janakas mit dem herausragend vorzüglichen Betragen.

Rama stieg von seinem Streitwagen ab und sah, daß Sita in Tränen gebadet war. Sie war mit Staub bedeckt, ganz und gar aufgeregt, und trug verfilzte Locken und abgetragene Kleidung. Doch aus Sorge um die Ehre sprach Rama zu ihr:
Tochter aus Videha, geh, wohin es dir beliebt. Du bist nun frei. Was ich tun mußte, habe ich getan. Oh gesegnete Dame, es wäre nicht gut für meine Ehefrau gewesen, im Heim eines Rakshasas alt zu werden. So habe ich den Wanderer der Nacht bezwungen. Doch wie könnte jemand mit Tugend und Moral eine Frau nur für einen Moment im Arm halten, die in der Hand eines anderen war? Oh Prinzessin von Mithila, seist du nun keusch oder nicht, ich wage es nicht, mich wieder mit dir zu vereinen, denn du bist wie geklärte Butter, an der ein Hund geleckt hat.

Als die ehrenwerte Dame diese grausamen Worte vernahm, fiel sie mit gebrochenem Herzen zu Boden wie eine aller Wurzeln beraubte Platane. Ihr Gesicht verlor alle Farbe, welche die Freude über das Wiedersehen mit ihrem geliebten Gatten ihr gegeben hatte, und ihr Blick wurde trüb wie ein angehauchter Spiegel. Auch die Affen und Lakshmana wurden totenstill bei diesen Worten Ramas. Und es erschien der viergesichtige Herr Brahma, der göttliche und reine Schöpfer des Universums, der aus dem Lotus kam, und zeigte sich Rama, dem Sohn des Raghu. Auch Indra, Agni, Vayu, Yama, Varuna, der ruhmreiche Herr der Yakshas (Kuvera), die heiligen Rishis und der (verstorbene) König Dasaratha erschienen in strahlender, himmlischer Gestalt und in Wagen, die von Schwänen gezogen wurden, bis das Firmament mit allen Himmlischen und Gandharvas angefüllt und so herrlich anzuschauen war, wie ein herbstlicher Abendhimmel voll glänzender Sterne. Und die gesegnete und ruhmreiche Prinzessin von Videha erhob sich vom Boden und sprach inmitten aller Versammelten zu Rama mit der breiten Brust:
Oh Prinz, ich tadele dich nicht für deine Worte, denn du weißt sehr wohl, welches Verhalten man sowohl Frauen als auch Männern gegenüber zeigen sollte. Doch höre meine Worte: Der sich immerfort bewegende Wind ist in jedem Wesen alle Zeit anwesend. Wenn ich gesündigt habe, dann möge er mir meine Lebenskräfte versagen. Wenn ich gesündigt habe, dann mögen Feuer, Wasser, Raum, Erde und Luft meine Lebenskräfte abziehen. Oh Held, ich habe niemals, nicht einmal im Traum das Bild eines anderen gehalten, denn du bist mein Herr, wie es die Götter bestimmten.

Nun erklang eine heilige Stimme, die alles durchdrang und die Herzen der hochbeseelten Affen besänftigte. Es war der Windgott, der zu vernehmen war:
Oh Sohn des Raghu, was Sita sagt, ist wahr. Ich bin der Gott des Windes. Die Prinzessin von Mithila ist ohne Sünde. Daher, oh König, vereine dich wieder mit deiner Gemahlin.

Auch der Feuergott bestätigte:
Oh Sohn des Raghu, ich lebe im Körper jedes Wesens. Die Prinzessin ist nicht der kleinsten Sünde schuldig.

Und Varuna:
Oh Sohn des Raghu, alle Gemütsverfassungen im Körper der Wesen leiten ihre Existenz von mir ab. Und ich sage dir, du kannst die Prinzessin von Mithila annehmen.

Dann sprach Brahma:
Oh Nachfahre des Kakutstha, mein Sohn, dein Verhalten ist nicht verwunderlich, denn du bist aufrecht, rein und mit allen Pflichten der königlichen Weisen vertraut. Doch höre nun meine Worte: Du hast den Feind der Götter, Gandharvas, Nagas, Yakshas, Danavas und großen Rishis besiegt. Durch meinen Segen konnten all diese ihn nicht schlagen. Und ich hatte meine Gründe, ihn für einige Zeit zu dulden. Doch der Raub von Sita diente seiner Vernichtung. Sie selbst war geschützt durch den Fluch Nalakuvaras, denn durch seine Worte wäre Ravanas Haupt in hundert Teile zersplittert, wenn er einer Dame zu nahe gekommen wäre, die ihn nicht begehrte. Laß daher allen Zweifel fahren, oh Rama. Oh du Herrlicher, nimm deine Gattin zurück. Du hast eine hervorragende Heldentat zum Wohle der Götter vollbracht. Und du bist voll göttlichen Glanzes.

Zum Schluß meldete sich noch Dasaratha zu Wort:
Oh mein Kind, ich bin überaus zufrieden mit dir. Sei gesegnet, ich bin dein Vater. Und ich gebiete dir, deine Gemahlin anzunehmen und dein Königreich zu regieren, du Bester aller Menschen.

Daraufhin sprach Rama:
Wenn du mein Vater bist, dann grüße ich dich voller Hochachtung, oh König der Könige. Und ich werde auf deinen Befehl hin in die schöne Stadt Ayodhya zurückkehren.

Und sein Vater antwortete ihm glücklich:
Ja, kehre nach Ayodhya zurück und herrsche glücklich über das Reich. Oh du Ruhmreicher, die vierzehn Jahre deines Exils sind vorüber.

Rama verbeugte sich vor den Göttern, wurde von seinen Freunden gegrüßt und vereinte sich wieder mit seiner Gemahlin wie der Herr der Himmlischen mit der Tochter Pulomas. Dann segnete er Avindhya und übergab Reichtümer und Ehren der Rakshasi Trijata. Und Brahma und die Himmlischen fragten Rama:
Oh Sohn der Kausalya, welche Wünsche sind in deinem Herzen, die wir dir gewähren sollen?

So erbat sich Rama Standhaftigkeit in der Tugend und Unbesiegbarkeit durch alle Feinde. Auch bat er darum, all die in der Schlacht von Rakshasas getöteten Affen wieder zum Leben zu erwecken. Brahma stimmte zu und sprach:
So sei es.

Daraufhin erhoben sich alle Affen mit neuem Leben vom Schlachtfeld. Und auch Sita gewährte Hanuman einen Segen:
Möge dein Leben so lange währen wie der Ruhm von Ramas Taten. Und mögen dir durch meine Gnade immer himmlische Nahrung und Getränke zur Verfügung stehen, oh du mit den gelben Augen.

Danach verschwanden die Himmlischen den Blicken der makellosen Krieger, und Matali, der Wagenlenker Indras, schaute auf Rama, wie er wieder mit Sita vereint war, und sprach zu ihm:
Oh du mit dem unerschütterlichen Heldenmut, du hast die Sorgen der Himmlischen und Menschen zerstreut. Daher werden alle Wesen solange von dir erzählen, wie die Erde besteht.

Dann ehrte Matali den Rama, nahm seinen Abschied vom vorzüglichsten Bogenschützen und fuhr im sonnengleich strahlenden Wagen von dannen. Nachdem alles für den Schutz Lankas unternommen worden war, machten sich Vibhishan, Rama mit Sita, Lakshmana und all die prächtigen Affen auf den Heimweg über die Brücke über den Ozean. Rama fuhr in dem schönen und himmelsdurcheilenden Wagen Pushpak, der nach dem Willen des Fahrers überall hin reisen konnte. Dabei war Rama mit den gezügelten Leidenschaften von all seinen hoch angesehenen Freunden und Beratern umgeben. Als sie am Meeresufer angekommen waren, wo er sich einst meditierend in den Sand gelegt hatte, da machte der tugendhafte König eine Pause und schlug ein Lager auf. Dort ließ er alle Affen vor sich treten, ehrte sie und dankte ihnen, übergab ihnen Juwelen und Edelsteine und entließ sie alle nacheinander. Nachdem die meisten Anführer der Affen mit peitschendem Schweif und auch die Bären auf dem Heimweg waren, da begab sich Rama mit Sugriva im schönen Wagen Pushpak nach Kishkinda. Dabei zeigte Rama der Prinzessin die schönen Wälder auf dem Wege. In Kishkinda ernannte Rama den erfolgreichen Angad als Prinzregenten des Königreichs, und reiste dann von seinem Bruder und den engsten Freunden begleitet heimwärts. Vor Ayodhya sandte Rama den Hanuman als Boten zu Bharata, um ihm die guten Nachrichten seiner Rückkehr zu überbringen. Sodann betrat Rama Nandigrama, wo er Bharata mit Staub bedeckt und in schlichte Kleider gehüllt vor Ramas Sandalen sitzen sah. Mit großer Freude begrüßte Bharata seinen älteren Bruder, ehrte ihn und übergab ihm das Königreich, welches als Pfand in seinen Händen gelegen hatte. Vasishta und Vamadeva krönten den heldenhaften Rama in der achten Muhurta des Tages unter der Konstellation Sravana zum Herrscher des Reiches. Als das Fest vorüber war, entließ Rama mit kummervollem Herzen seinen Freund Sugriva und all dessen Gefolgsleute nebst Vibhishan höchst geehrt und beschenkt in die Heimat. Rama ehrte und dankte auch dem göttlichen Pushpak und gab ihn freudig an Kuvera zurück. Mit Hilfe Vasishtas, dieses himmlischen Rishis, führte er am Ufer der Gomati zehn Pferdeopfer im Laufe seine Herrschaft durch. Dabei gab es keinerlei Störungen und dreimal so viel Geschenke für die Brahmanen wie üblich.


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