Pushpak Mahabharata Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 197 – Sivi, der Falke und die Taube

Markandeya fuhr fort:
Eines Tages beschlossen Indra und Agni, König Sivi, den Sohn von Usinara, zu testen und stiegen zur Erde hinab. Sie sprachen zueinander: „Nun wohl.“, Agni nahm die Gestalt einer Taube an und flog vor Indra davon, welcher ihn als Falke verfolgte. Die Taube flog dem herrschaftlich thronenden König Sivi in den Schoß, und sein Priester sagte daraufhin:
Diese Taube fürchtet sich vor dem Falken und kam schutzsuchend zu dir, um ihr Leben zu retten. Die Gelehrten sagen, daß wenn jemandem eine Taube in den Schoß fliegt, ist dies ein Zeichen von großer Gefahr. Möge der König, welcher Omen versteht, viel Reichtum verschenken, damit er sich vor der angezeigten Gefahr bewahre.

Und die Taube sprach zum König:
Ich flehe dich um deinen Schutz an, denn mich graust es vor dem Falken, der mir nach dem Leben trachtet. Ich bin ein Muni. In Gestalt der Taube komme ich zu dir als Schutzsuchender. Ich ersuche dich um mein Leben. Wisse, daß ich in der vedischen Tradition verankert bin, der Brahmacharya Art zu leben folge und Selbstkontrolle und asketische Tugenden besitze. Wisse auch, daß ich niemals Unangenehmes zu meinem Lehrer sprach, jede Tugend mein ist, und ich ohne Sünde bin. Ich kann die Veden rezitieren, kenne ihr Versmaß und habe sie Buchstabe für Buchstabe studiert. Ich bin keine bloße Taube. Oh, überlaß mich nicht dem Falken! Das Ausliefern eines gelehrten und reinen Brahmanen kann niemals eine gute Tat sein.

Daraufhin wandte sich der Falke an den König:
Die Geschöpfe kommen nicht immer in der gleichen Ordnung in die Welt. Während der Gestaltung der Schöpfung kann es sein, daß du in einer früheren Geburt von dieser Taube gezeugt wurdest. (Und auch, wenn es dein Vater wäre,) ziemt es sich nicht für dich, oh König, mir meine Nahrung zu verweigern, indem du diese Taube beschützt.

Nach diesen Worten wunderte sich der König:
Hat jemals jemand einen Vogel solch reine Worte wie ein Mensch sprechen hören? Wir haben beider Rede gehört, doch wie können wir nun tugendhaft handeln? Wer eine ängstliche und schutzsuchende Kreatur ihrem Feind übergibt, wird keine Hilfe bekommen, wenn er selbst in Not ist. Für ihn schütten die Wolken keinen Regen aus, und die ausgebrachten Samen keimen und wachsen ihm nicht. Wer ein gepeinigtes Wesen seinem Feind überläßt, muß seine Kinder einen frühen Tod sterben sehen. Die Ahnen eines solchen Menschen finden keinen Frieden im Himmel, und die Götter selbst verweigern die ihnen dargebrachten Opfergaben an geklärter und ins Feuer geschütteter Butter. Die Götter mit Indra an ihrer Spitze schleudern ihm den donnernden Blitz aufs Haupt, die Nahrung, die er zu sich nimmt, ist nicht geheiligt und mit niederer Seele fällt er schon bald aus jedem Himmel. Oh Falke, nimm vom Volk des Sivi Stammes einen fetten Ochsen mit gekochtem Reis an, den wir dir anstelle der Taube gerne vorsetzen werden. Und mögen wir dir immerzu und frohgemut Berge von Fleisch zu dem Ort tragen, an dem du lebst.

Der Falke antwortete:
Oh König, ich bitte nicht um einen Ochsen oder anderes Fleisch. Die Taube wurde mir von den Göttern übergeben. Dieses Wesen ist für heute meine Nahrung, und daher wurde ihr Tod bereits beschlossen. So übergib sie mir, oh König.

Doch der König gab noch nicht auf:
Oh laß meine Leute dir einen sorgfältig ausgewählten Ochsen bringen mit vollkommenen Gliedern. Und laß den Ochsen das Lösegeld für dieses angstvolle Wesen sein. Vor meinen Augen soll der Ochse zu dir getragen werden. Oh, töte die Taube nicht. Und wenn ich mein Leben geben müßte, ich kann die Taube nicht aufgeben. Siehst du denn nicht, oh Falke, das diese Kreatur dem Opfer mit Soma Saft gleicht? Oh Gesegneter, hör auf, soviel Wesens um die Sache zu machen. Ich kann dir auf gar keinen Fall die Taube überlassen. Oder wenn dir etwas anderes zusagt, was ich oder mein Volk für dich tun können, so daß alle Leute mich freudig loben und es dir gut gefällt, dann befiehl mir solches. Ich verspreche dir, ich werde tun, worum du mich bittest.

Auf dieses flehende Gesuch des Königs erwiderte der Falke:
Oh König, wenn du aus deinem rechten Oberschenkel so viel Fleisch schneidest, das die Taube aufgewogen wird, dann kannst du die Taube wahrlich retten. Ich wäre zufrieden, und dein Volk spräche lobend von dir.

Der König stimmte zu, schnitt ein Stück aus seinem Oberschenkel und wog es gegen die Taube ab. Doch die Taube war schwerer. So schnitt der König noch ein Stück aus seinem Leibe, doch immer noch war die Taube schwerer. Überall schnitt sich nun der König Fleisch aus allen Gliedern und warf sie in die Waagschale. Doch immer noch wog die Taube schwerer. Schließlich stieg der König selbst auf die Waage und fühlte keinen Gram dabei. Da sprach der Falke: „Gerettet!“, und verschwand vor aller Augen.

Nun bat der König die Taube:
Oh Taube, laß das Volk der Sivi wissen, wer der Falke war. Ich meine, nur der Herr des Universums würde so handeln. Bitte, du Heilige, kläre mir diese Frage.

Und die Taube sprach:
Ich bin der rauchgeschmückte Agni, der auch Vaishvanara genannt wird. Der Falke ist kein anderer als Indra mit dem Donnerblitz. Oh Sohn von Suratha, du bist wahrlich ein Bulle unter den Männern. Wir kamen, dich auf die Probe zu stellen. All die Stücke, die du mit dem Schwert aus deinem Körper schnittest, verursachten klaffende Wunden. Ich werde sie in schöne und glücksverheißende Zeichen verwandeln. Sie werden golden sein und einen süßen Duft verströmen. Du hast großen Ruhm bei den Göttern und Rishis erlangt und sollst lange über deine Untertanen regieren. Ein Sohn wird deiner Flanke entspringen namens Kapataroman, ja, er wird aus deinem Körper entstehen. Und du wirst mit ansehen, wie er der Erste unter den Saurathas wird, strahlend vor Ruhm, Kühnheit und großer Schönheit.


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