Pushpak Mahabharata Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 192 – Markandeya erzählt von Parikshit und seinen Söhnen

Da bat Janamejaya:
Oh bitte erzähl mir in aller Ausführlichkeit über die Größe der Brahmanen, wie es der mächtige Asket Markandeya den Söhnen Pandus damals entfaltete.

Vaisampayana sprach:
Der älteste Sohn des Pandu hatte Markandeya genau dasselbe gefragt, und jener hatte geantwortet:
So höre, oh König, über das Betragen der Brahmanen in längst vergangenen Tagen.

Die Geschichte von Parikshit

Einst lebte ein König namens Parikshit in Ayodhya. Er gehörte zum Geschlecht des Ikshvaku. Eines Tages ritt der König ganz allein auf die Jagd und verfolgte einen Hirsch, der ihn weit in die einsame Wildnis führte. Müde vom langen Ritt und von Hunger und Durst geplagt kam er in einen dunklen und dichten Wald. Dort entdeckte er eine schöne Wasserstelle, in der sowohl Reiter als auch Pferd ein erfrischendes Bad nahmen. Dann legte der König seinem Pferd einige Lotusstengel und -blätter vor, und ruhte sich aus. Als er eine Weile neben der Wasserstelle lag, hörte er von Ferne lieblichen Gesang. Und er überlegte: „Ich sehe nirgends Fußspuren von Menschen. Wer singt hier nur so schön?“ Schon bald erblickte er ein blumenpflückendes Mädchen von großer Schönheit, die süße Lieder sang. Als sie in seiner Nähe kam, fragte sie der König:
Sei gesegnet! Wer bist du und wessen Tochter?

Die Antwort war:
Ich bin ein Mädchen.

Und der König:
Ich bitte dich, mein zu sein.

Das Mädchen antwortete:
Gib mir ein Pfand, denn sonst kann ich nicht dein sein.

So fragte sie der König, welches Pfand sie meine. Und das Mädchen sprach:
Du darfst nie von mir verlangen, meine Blicke auf gewöhnliches Wasser zu richten.

Der König sprach:
So sei es.

Und heiratete sie. Nach der Trauung vergnügte er sich mit ihr in höchstem Entzücken und saß dann schweigend und ermattet neben seiner Braut. Nach einiger Zeit kamen die Truppen des Königs nach und stellten sich um ihren König herum auf. Freudig bestieg der König mit seiner neuen Gattin ein schönes Gefährt und kehrte in die Hauptstadt zurück. Dort angekommen, verbrachte er all seine Zeit mit seiner reizenden Gemahlin, tief verborgen in den inneren Gemächern. Alle Menschen, die ihm sonst lieb und nahe waren, wurden nicht mehr vorgelassen und konnten nicht mit ihm sprechen. Da erkundigte sich sein oberster Minister bei den Dienerinnen des Königs:
Was ist los?

Sie antworteten:
Wir sahen eine Frau von unvergleichlicher Schönheit. Der König vergnügt sich mit ihr, seit er sie geheiratet hat mit dem Versprechen, ihr niemals Wasser zu zeigen.

Da ließ der Minister einen künstlichen Wald erschaffen mit vielen blühenden und Früchte tragenden Bäumen. In diesem schönen Flecken ließ er ganz abgelegen eine Wasserstelle ausheben, die mit klarem und Amrit- süßem Wasser gefüllt und vollständig von einem Netz aus Perlen bedeckt war. Dann schaffte er es eines Tages, vor den König zu treten, und sprach zu ihm:
Dies ist ein schöner Wald ohne Wasser. Vergnüge dich hier mit großer Lust.

Was der König mit seiner angebeteten Gemahlin tat. Lange Zeit verbachten sie an diesem bezaubernden Ort ganz allein, doch dann meldeten sich Hunger, Durst und Müdigkeit. Und als der König eine hübsche Laube aus weiß blühendem und betörend duftendem Madhavi entdeckte, ließ er sich mit seiner Liebsten in dieser Laube nieder. Von dort aus schaute er auf die klare, perlenbedeckte Wasserstelle mit dem verführerischen Wasser wie Nektar und sprach zu seiner allerliebsten Gemahlin:
Tauche nur lustvoll in dieses herrliche Wasser ein.

Sie gehorchte ihrem Herrn, tauchte im Wasser unter und kam nicht mehr an die Oberfläche zurück. Da suchte der König nach ihr, doch vergebens. Nirgends fand er eine Spur von ihr. Schließlich befahl er, das Wasserbecken auszuschöpfen. Doch zutage kam nur ein Frosch, der quakend im Loche saß. Dies erzürnte den König so sehr, daß er folgende Anordnung verkündete:
Überall in meinem Reich sollen die Frösche sterben. Wer mit mir sprechen möchte, muß mir erst einen Tribut von toten Fröschen bringen.

So begann ein gräßliches Fröscheschlachten im ganzen Land, und alle Frösche spürten große Angst im Herzen. Sie gingen zu ihrem König und erzählten ihm von ihrer Pein. Dieser nahm die Gestalt eines Asketen an und trat mit folgenden Worten vor den König:
Oh König, übergib dich nicht dem Zorn. Neige dich der Barmherzigkeit zu. Es frommt dir nicht, unschuldige Frösche zu morden. Oh du mit dem unvergänglichen Ruhm, töte keine Frösche mehr. Besänftige deine Wut. Wohlstand und asketischer Verdienst schwinden bei denen dahin, die ihre Seelen tief in Unwissenheit tauchen. Versprich, deinen Ärger auf die Frösche zu dämpfen. Zu welchem Zweck begingst du so eine große Sünde? Und welchen Sinn soll es haben, Frösche zu töten?

Doch der König, dessen Seele voller Traurigkeit war ob des Verlustes seiner Angebeteten, antwortete dem Anführer der Frösche:
Ich kann den Fröschen nicht vergeben. Ich muß sie vernichten. Sie haben meine Geliebte verschlungen und verdienen den Tod durch meine Hand. Oh Gelehrter, setze dich nicht für sie ein.

Schmerzlich an Geist und Sinnen berührt sprach da der König der Frösche:
Oh König, laß Gnade walten. Ich bin Ayu, der König der Frösche. Deine Gemahlin war meine Tochter mit Namen Susobhana. Oh, dies verdanken wir ihrem schlechten Betragen. Schon viele Könige hat sie wie dich zuvor betrogen.

Nun sprach der König:
Ich wünsche sie an meiner Seite. Übergib sie mir.

Dies tat der König der Frösche, indem er zu seiner Tochter sprach:
Warte dem König auf und diene ihm.

Und weiter sprach er zornvoll zu ihr:
Weil du schon so viele Könige getäuscht und damit unaufrichtiges Betragen gezeigt hast, werden deine Kinder Brahmanen mißachten.

Nun hatte der König seine Angebetete wieder und versank erneut in tiefste Leidenschaft zu ihr, denn sie war so außerordentlich gesellig. Er fühlte sich als Herrscher der drei Welten, verbeugte sich vor dem König der Frösche, ehrte ihn in aller Form und sprach mit vor Freudentränen erstickter Stimme:
Wahrlich, alles ist zu meinen Gunsten.

Der König der Frösche verabschiedete sich von seiner Tochter und kehrte in sein Reich zurück. Einige Zeit später wurden dem König drei Söhne geboren. Ihre Namen waren Sala, Dala und Vala. Zur angemessenen Zeit übergab der Vater seinem ältesten Sohn das Königreich, kehrte sein Herz der Askese zu und zog sich in den Wald zurück.

Über die Söhne Sala und Dala, Vamadeva und seine Vami Pferde

Eines Tages ging Sala auf die Jagd und verfolgte auf seinem Wagen einen Hirsch. Seinen Wagenlenker trieb er an: „Schneller! Schneller!“, doch jener erwiderte dem König:
Dies ist ein unsinniger Plan. Diesen Hirsch kannst du nicht erreichen. Nur mit Vami Pferden vor deinem Wagen könntest du ihn erlegen.

Barsch befahl da der König seinem Wagenlenker:
Erzähl mir alles über die Vami Pferde, oder ich töte dich!

Dies brachte den Wagenlenker in tödliche Panik. Er fürchtete den König ebenso wie Vamadevas Fluch und schwieg verwirrt. Doch der König zog drohend seinen Dolch und sprach:
Sag mir sogleich, was ich hören will, sonst werde ich dich töten!

So überwog die Angst vorm König, und der Wagenlenker sprach:
Die Vami Pferde gehören Vamadeva. Sie sind so schnell wie der Gedanke.

Sofort befahl der König:
Fahr mich zur Einsiedelei von Vamadeva.

Dort angekommen sprach der König zum Rishi:
Oh Heiliger, ein Hirsch floh angeschossen vor mir davon. Es ziemt sich für dich, mir die erfolgreiche Jagd zu gewähren, indem du mir dein Paar Vami Pferde gibst.

Der Rishi gab zurück:
Ich überlasse dir mein Paar Vami Pferde für diese Jagd. Doch wenn du dein Ziel erreicht hast, dann gib sie mir wieder.

Freudig spannte der König die Pferde vor seinen Wagen, verabschiedete sich vom Rishi und verfolgte den Hirsch. Doch bereits nachdem er die Einsiedelei verlassen hatte, sprach er zum Wagenlenker:
Brahmanen verdienen es nicht, solche Juwelen von Rossen zu besitzen. Wir geben sie Vamadeva nicht zurück.

So erlegte er den Hirsch, kehrte in seine Stadt zurück und nahm die Pferde in die inneren Gemächer des Palastes mit.

In der Zwischenzeit überlegte der Rishi:
Der Prinz ist jung. Die vorzüglichen Pferde gefallen ihm zu sehr, und er gibt sie mir nicht zurück. Das ist schade!

Nach einem Monat sprach er zu seinem Schüler:
Geh Atreya, und sag dem König, wenn er mit den Vami Pferden fertig ist, soll er sie deinem Lehrer wiedergeben.

Dies tat Atreya folgsam, doch der König erwiderte:
Dieses Paar Pferde sollte ein König besitzen. Brahmanen verdienen es nicht, solche wertvollen Schätze zu besitzen. Was haben Brahmanen mit Pferden zu tun? Geh zufrieden wieder heim.

Atreya wanderte zu seinem Lehrer zurück und berichtete ihm alles. Als Vamadeva die traurige Botschaft vernahm, füllte sich sein Herz mit Zorn. Diesmal ging er selbst zum König und fragte ihn nach den Pferden. Wieder weigerte sich der König, seiner Bitte nachzukommen.

Vamadeva sprach zu ihm:
Oh Herr der Erde, gib mir meine Pferde zurück. Du hast mit ihnen ein Ziel erreicht, was für dich eigentlich unerreichbar war. Nun überschreite nicht alle Gewohnheiten von Brahmanen und Kshatriyas, und übergib dich nicht dem Tod durch die gräßliche Schlinge Varunas, oh König.

Doch der König gab zurück:
Oh Vamadeva, ein Paar hervorragende, wohl ausgebildete und fügsame Bullen sind angemessene Tiere für Brahmanen. Nimm diese, großer Rishi, und geh, wohin es dir beliebt. Denn du gehörst zu denen, welche von den Veden getragen werden.

Vamadeva antwortete:
Wahrlich, oh König, die Veden tragen Menschen wie uns, doch dies ist nur in der kommenden Welt so. In dieser Welt werden wir von Tieren getragen wie alle anderen auch, oh König.

Nun machte der König folgenden Vorschlag:
Dann laß dich von vier Eseln tragen, oder von vier Mulis der besten Zucht, meinetwegen auch von vier windesschnellen Pferde. Geh mit diesen deiner Wege. Doch diese beiden Vami Pferde sind einem Kshatriya würdig und sollten von ihm besessen werden. Erkenne, sie sind nicht dein.

Da sprach Vamadeva:
Oh König, Brahmanen sind schwerste Gelübde auferlegt. Und weil ich sie alle befolgte, mögen vier schreckliche und mächtige Rakshasas mit gräßlichen Gesichtern und eisernen Körpern dich verfolgen. Von mir geschickt, sollen sie deinen Tod bewirken, dich auf ihren scharfen Lanzen aufspießen und deinen Körper in vier Teile reißen.

Schnell befahl da der König:
Mögen alle, die nun wissen, daß du als Brahmane in Gedanken, Worten und Taten anderen ihr Leben rauben willst, auf meinen Befehl hin ihre blitzenden Schwerter und Lanzen ergreifen und dich und deinen Schüler vor mir niederstrecken!

Daraufhin sprach Vamadeva:
Oh König, nachdem du meine Vami Pferde erhalten hattest, hast du versprochen: „Ich werde sie dir wiedergeben.“ Jetzt gib sie mir zurück. Nur so bist du in der Lage, dein Leben zu schützen.

Daraufhin der König:
Die Jagd auf Wild ist für Brahmanen nicht bestimmt. Doch ich will dir die Strafe für deine Unaufrichtigkeit erlassen. Von heute an will ich auch all deine Befehle befolgen, oh Brahmane, und dadurch in die Regionen der Glückseligkeit eingehen.

Doch Vamadeva erwiderte:
Einen Brahmanen kann man nicht mit Worten, Taten oder Gedanken strafen. Nur der kluge Mensch, der mit asketischer Enthaltsamkeit einen Brahmanen auf diese Weise erkennt, wird in der Welt ruhmreich sein.

Nach diesen Worten Vamadevas erhoben sich vier gräßliche Rakshasas mit fürchterlichen Mienen und Lanzen in der Hand. Sie griffen den König an, welcher laut aufschrie:
Da alle Abkömmlinge der Ikshvakus, mein Bruder Dala und alle meine Untertanen meine Herrschaft anerkennen, werde ich niemals die Vami Pferde dem Vamadeva überlassen, denn solche Menschen können nicht tugendhaft sein.

Noch während die Worte durch den Raum klangen, starb er durch die Rakshasas und sank niedergestreckt zu Boden. Die Ikshvakus setzten daraufhin Dala auf den Thron. Schon bald trat Vamadeva vor den neuen König hin und sprach zu ihm:
Oh König, in allen heiligen Büchern wird erklärt, daß die Menschen Brahmanen beschenken sollen. Wenn du die Sünde fürchtest, oh König, dann gib mir jetzt meine Vami Pferde, ohne zu zaudern.

Zornig befahl da der König seinem Wagenlenker:
Bring mir einen dieser wohlbewahrten Pfeile, die so schön anzuschauen sind und voller Gift, damit ich damit Vamadeva durchbohre und er sich in Schmerzen auf dem Boden wälze, während ihn die Hunde zerfleischen.

Doch Vamadeva antwortete ihm:
Ich weiß, oh König, daß du einen Sohn namens Senajita von zehn Jahren hast, den deine Königin gebar. Möge durch mein Wort dein gräßlicher Pfeil sofort deinen geliebten Jungen töten.

Der Monarch schoß den Pfeil mit der schrecklichen Energie ab, und in den inneren Gemächern des Palastes starb der junge Prinz. Als Dala davon erfuhr, sprach er:
Ihr Menschen des Ikshvaku Geschlechts, ich möchte euch Gutes tun. Ich werde diesen Brahmanen mit grimmiger Gewalt vernichten. Bringt mir einen anderen, mächtigen Pfeil, und schaut meinen Heldenmut, ihr Herren der Erde.

Nach diesen Worten Dalas entgegnete Vamadeva:
Du greifst nach einem Pfeil von furchtbarer Gestalt und äußerst wirksamem Gift, oh Herrscher der Erde, doch du wirst nicht in der Lage sein, ihn auf mich zu richten oder sogar abzuschießen.

Schließlich mußte der König zugeben:
Seht, ihr Männer des Ikshvaku Geschlechts, wie ich den bereits aufgenommenen Pfeil nicht abschießen kann. Ich kann den Tod dieses Brahmanen nicht vollbringen. Möge Vamadeva mit einem langen Leben gesegnet sein.

Und Vamadeva:
Berühre mit eben diesem Pfeil deine Königin, und du magst dich von dieser Sünde (des versuchten Brahmanenmordes) befreien.

Was König Dala folgsam tat. Danach wandte sich die Königin an den Muni:
Oh Vamadeva, laß mich in der Lage sein, meinen törichten Ehemann von Tag zu Tag aufs Beste zu unterweisen. Möge ich ihm heilsame Worte vermitteln und immer den Brahmanen dienen können, damit mich diese Anstrengung in die heiligen Regionen bringe.

Zu ihr sprach Vamadeva:
Oh du mit den schönen Augen, du hast diese königliche Familie gerettet. Bitte um einen unvergleichlichen Segen. Ich werde ihn dir erfüllen, was immer du erbitten magst. Oh Makellose, erhebe dein Volk und das große Königreich der Ikshvakus, oh Prinzessin.

Die Prinzessin erwiderte:
Dies ist der Segen, den ich erflehe, oh Heiliger, daß mein Ehemann von seiner Sünde befreit sein mag, und daß du zum Wohl seiner Söhne und Untertanen wirken mögest. Das ist mein Wunsch, oh bester Brahmane.

Der Muni antwortete:
So sei es.

Und Markandeya schloß:
König Dala fühlte wieder höchstes Glück und gab dem Muni mit einer tiefen und ehrfurchtsvollen Verbeugung seine Vami Pferde wieder.


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