Pushpak Mahabharata Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 110 – Die Pilgerreise geht weiter

Am Berg Hemakuta

Vaisampayana sprach:
Nun begab sich der Sohn der Kunti langsamen Schrittes zu den beiden Flüssen Nanda und Aparananda, welche über die Tugend verfügten, die Angst vor Sünde zu vernichten. Als der Beschützer der Menschen den heilsamen Berg Hemakuta erreichte, bemerkte er dort eine Anzahl seltsamer und unfaßbarer Dinge. Ein ausgesprochenes Wort verursachte das Zusammenballen der Wolken und Steinhagel. Wenn Menschen den Berg anschauten, wurden sie traurig und konnte ihn nicht besteigen. Die Winde bliesen dauernd, der Himmel schüttete ständig Regen aus, und überall war das Rezitieren von heiligen Geboten zu hören, doch kein Körper war zu sehen. Abends und morgens zeigte sich das gesegnete Feuer, welches die Opfergaben zu den Göttern trug. Doch Fliegen bissen beständig und unterbrachen damit die Ausübung der Buße. Eine tiefe Traurigkeit überkam die Seele nach einer Weile, und die Menschen wurden krank. Da befragte der Sohn des Pandu Lomasa nach diesen seltsamen Vorfällen.

Und Lomasa antwortete ihm:
Oh Feindebezwinger, ich werde dir erzählen, was ich dazu vernommen habe. Lausche mit aufmerksamem Geist. Einst lebte auf diesem Gipfel des Rishava ein Heiliger, der auch diesen Namen trug. Sein Leben dauerte viele hundert Jahre lang, in dem er sich ganz und gar der Enthaltsamkeit widmete, aber gleichzeitig schnell erzürnbar war. Und wohl aus dem Grund, daß andere hier an diesem Ort unerwünscht zu ihm gesprochen hatten, wandte er sich zornig an der Berg und befahl ihm:
Wer auch immer hier ein Wort ausspricht, auf den sollst du Steine werfen. Und du sollst die Winde rufen, damit sie ihn davon abhalten, irgendein Geräusch zu machen.

Das waren die Worte, die der Heilige sprach. Und deswegen wird hier jedes Wort vom Brüllen der Wolken übertönt. Doch noch mehr Dinge verbot der Heilige aus Zorn. Die Überlieferung sagt, daß einst, als die Götter nach Nanda kamen, urplötzlich auch Menschen hier erschienen, welche die Götter schauen wollten. Doch die Götter mit Indra wollten nicht gesehen werden, und so machten sie den Ort schwer erreichbar mit Hindernissen in Form von Bergen. Seit dieser Zeit, oh Sohn der Kunti, können hier die Menschen nichts ansehen, was Bergen ähnelt, geschweige denn, sie erklimmen. Dieser große Berg kann von niemandem gesehen oder bestiegen werden, der kein enthaltsames Leben führt. So beherrsche deine Zunge, oh Sohn der Kunti. Die Götter führten hier große Opferriten durch, deren Zeichen bis heute zu sehen sind. So gleicht dieses Gras hier dem heiligen Kusha Gras, und der Boden scheint damit übersät zu sein. Viele Bäume sehen wie Opferpfähle aus, an denen die Opfertiere angepflockt waren. Die Götter und Heiligen leben immer noch hier. Ihre Opferfeuer kann man morgens und abends sehen. Wer hier badet, dessen Sünden sind unverzüglich vernichtet. So führe mit deinen Brüdern deine Waschungen durch, oh Bester des Kuru Geschlechts. Wenn du dich in Nanda gewaschen hast, dann gehen wir zum Fluß Kausiki, den Ort, an dem Vishvamitra die schwerste und beste Form der Askese übte.

So reinigten der König und seine Begleiter ihre Körper im Wasser der Nanda, und wanderten weiter zum Fluß Kausiki mit seinem reinen, angenehmen und kühlen Wasser.

Die Geburt von Rishyasring und der Beginn der Dürre im Lande Anga

Hier sprach Lomasa:
Dies ist die reine und göttliche Kausiki, oh Anführer des Bharata Stammes. Und dort ist die entzückende Einsiedelei des Vishvamitra deutlich sichtbar. Dies ist die heilige Einsiedelei des Kasyapa mit der großen Seele, dessen Enkel Rishyasring der Buße hingegeben war und seine Leidenschaften unter Kontrolle hatte. Durch die Kraft seine Buße ließ er Indra Regen spenden. Ja, dieser göttliche Vernichter der Dämonen Bala und Vritra respektierte ihn sehr und schickte Regen nach langer Dürre. Dies war ein großes Wunder im Land des Lomapad. Und als das Getreide wieder wuchs, gab König Lomapad dem Rishyasring seine Tochter Santa zur Ehefrau, wie der Sonnengott seine Tochter Savitri verheiratete.

Yudhishthira fragte:
Wie kam es, daß Rishyasring, der Enkelsohn Kasyapas, von einer Hirschkuh geboren wurde? Und warum war er heilig, obwohl er das Ergebnis einer tadelnswerten sexuellen Verbindung war? Wieso respektierte Indra den scharfsinnigen Jungen, und schüttete Regen über einem trockenen Land aus? War die reine Prinzessin Santa wirklich so schön, daß sie das Herz dessen bezaubern konnte, der von einer Hirschkuh geboren wurde? Es wird auch gesagt, daß König Lomapad ein tugendhafter Weiser war. Aus welchem Grund hielt Indra den Regen in seinem Land zurück? Oh Heiliger, bitte erklär mir all das ganz genau, denn ich möchte alles über die Taten von Rishyasring erfahren.

Lomasa antwortete:
So vernimm denn, wie Rishyasring mit dem gefürchteten Namen dem Vibhandaka als Sohn geboren wurde, der ein Heiliger in der Brahmanenkaste war, seine Seele mittels Enthaltsamkeit gezügelt hatte, dessen Samen niemals fehlte, seine Familie fortzuführen und der gelehrt und strahlend war wie der Herr der Wesen. Sein Vater war hochgeehrt, und der Sohn verfügte ebenfalls über einen mächtigen Geist. Bereits als Jüngling gewann er die Achtung der Altehrwürdigen. Eines Tages wanderte Vibhandaka, der Sohn Kasyapas, zu einem See und übte dort Buße. Für lange Zeit plagte sich der Göttergleiche. Als er einmal seinen Mund im See ausspülte, da erblickte er die himmlische Nymphe Urvasi, und sein Samen schoß aus ihm heraus ins Wasser. Eine Hirschkuh, die auch zum See gekommen war, trank durstig das Wasser mitsamt dem Samen und wurde schwanger. Sie war einst eine Tochter der Götter, und vor langer, langer Zeit hatte Brahma zu ihr gesprochen:
Du wirst eine Hirschkuh sein und in dieser Gestalt einen Heiligen gebären. Dies wird dich befreien.

Und weil es das Schicksal so fügte, und das Wort des Schöpfers niemals unwahr ist, gebar die Hirschkuh dem Vibhandaka einen heiligen Sohn. Dieser Rishyasring war immer der Buße zugetan und verbrachte seine Tage im Wald. Er trug ein Horn auf seiner Stirn und bekam daher den Namen Rishyasring. Außer seinem Vater bekam ihn in dieser Wildnis niemand zu Gesicht, und so war sein Geist vollkommen den Pflichten eines keuschen und enthaltsamen Lebens zugetan.

Zu dieser Zeit lebte im Lande Anga ein Herrscher namens Lomapad, der ein Freund Dasarathas war. Doch aus Anhänglichkeit zum Vergnügen war er einst unaufrichtig zu einem Brahmanen gewesen, und so mied ihn die ganze Priesterkaste. So hatte er auch keinen Priester im Palast, und Indra nahm davon Abstand, seinem Land Regen zu senden. Das Volk litt sehr unter der Dürre und König Lomapad befragte viele enthaltsame, fähige und gelehrte Brahmanen, wie der Himmel wieder Regen gewähren könnte.

Und einer von ihnen, der Beste, sagte:
Oh König, die Brahmanen zürnen mit dir. Tue etwas, um sie zu besänftigen. Und dann hole Rishyasring zu dir, den Sohn eines Heiligen, der im Walde lebt. Er weiß nichts von weiblicher Erotik und Lust und hat stets die Heiterkeit der Einfalt. Wenn er, der in der Übung der Enthaltsamkeit aufgewachsen ist, dein Land betritt, werden die Himmel wieder Regen gewähren. Daran besteht kein Zweifel.

So entschuldigte sich der König für seine Sünden und besänftigte die Brahmanen. Er ging zu ihnen, und kam erst zurück, als sie besänftigt waren. So war auch sein Volk wieder glücklich, als er nach Hause kam. Dann beriet er sich mit seinen Ministern, doch es war äußerst schwer, einen geeigneten Plan zu ersinnen, Rishyasring zu sich zu bringen. Doch schließlich wurde mit den gelehrten und erfahrenen Ministern beschlossen, eine Schar gerissener Freudenmädchen zu rufen.

Als jene vor dem König erschienen, sprach der Herrscher zu ihnen:
Ihr lieblichen Mädchen und Frauen, ihr müßt einen Weg finden, Rishyasring, den Sohn eines Heiligen zu verzaubern und sein Vertrauen zu gewinnen. Dann mögt ihr ihn zu mir bringen.

Doch die Mädchen ließen traurig und verloren die Köpfe hängen, denn sie fürchteten sowohl den gräßlichen Fluch des asketischen Vaters von Rishyasring als auch den Zorn des Königs. Fast alle lehnten den Auftrag ab, weil dessen Ausführung nicht in ihrer Macht stünde.

Nur eine alte und ergraute Dame sprach zum König:
Ich werde versuchen, den einen, dessen ganzer Reichtum einzig und allein in Askese besteht, zu dir zu bringen. Doch du mußt mir einiges dafür zur Verfügung stellen, denn ich habe einen Plan. Wenn du das tust, mag ich erfolgreich sein.

So gab der König den Befehl, daß ihr alles, gebracht werden sollte, wonach sie bat. Auch gab er ihr Reichtum und Juwelen vielerlei Art. Und die Alte nahm eine Schar junger und schöner Mädchen mit sich und begab sich ohne Verzögerungen in den Wald.


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