Pushpak Mahabharata Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 107 – Sagaras Pferdeopfer

Lomasa fuhr fort:
Da vertraute Sagar der Stimme aus dem Himmel und tat alles wie geheißen. Jeden Samen legte er in ein extra Gefäß mit geklärter Butter und stellte für jeden Sohn eine Amme an. Nach langer Zeit erhoben sich durch Rudras Gnade sechzigtausend überaus kräftige Söhne für den heiligen König Sagar. Sie waren fürchterlich und ihre Taten unbarmherzig. Sie konnten sich in den Himmel erheben und dort umherwandern. Ihre große Anzahl und Stärke ließ sie alles verachten, sogar die Götter. Immer waren sie zum Kampf aufgelegt und jagten in ihrem Stolz die Götter, Gandharvas, Rakshasas und all die anderen geborenen Wesen umher. Die von Sagaras Söhnen schwer geplagten Menschen vereinten sich mit den Göttern und suchten bei Brahma Zuflucht.

Zu ihnen sprach der Große Vater:
Geht nur alle eurer Wege, denn in nicht allzu langer Zeit wird Sagaras Söhne die große und höchst schreckliche Vernichtung treffen, welche sie durch ihre Taten herbeiführen.

Nach einiger Zeit nahm König Sagar die Weihe an, um die Riten in einem Pferdeopfer durchzuführen. Das Pferd wanderte frei umher und wurde von seinen Söhnen bewacht. Doch als das Pferd zum Ozean kam, der so ohne Wasser gräßlich anzusehen war, verschwand es plötzlich, obwohl alle sorgsam aufgepaßt hatten. So nahmen die Söhne Sagaras an, daß jemand es gestohlen hatte, kehrten zu ihrem Vater heim und berichteten von dem Diebstahl und Verschwinden des Pferdes. Und ihr Vater befahl ihnen:
So geht und sucht das Pferd in allen Himmelsrichtungen.

Was seine Söhne gründlich taten. Kein Fleckchen der Erdoberfläche blieb unbesehen, doch alle sechzigtausend Söhne konnten gemeinsam weder Pferd noch Dieb ausfindig machen. Mit gefalteten Händen kamen sie wieder heim und sprachen zu ihrem Vater:
Oh Beschützer der Menschen, Herrscher der Erde, oh König, auf dein Geheiß durchsuchten wir die ganze Erde mit ihren Bergen und Wäldern, Seen und Inseln, Flüssen, Bächen und Höhlen. Doch nirgends konnten wir das Pferd oder den finden, der es gestohlen hat.

Da wurde König Sagar sehr wütend und vom Schicksal getrieben sprach er:
Geht fort! Möget ihr nicht noch einmal (erfolglos) heimkehren! Sucht erneut nach dem Pferd. Und kommt mir ohne es nicht zurück!

Seine Söhne gehorchten, und die Suche begann erneut. Diesmal entdeckten die Helden einen Riß in der Erdoberfläche, in dem sie gruben. Mit Spaten und Spitzhacke höhlten sie die Spalte immer weiter aus und gruben sich mit größter Anstrengung unter dem Meeresboden entlang. Doch das Graben und Wühlen, Reißen und Scharren von allen Seiten quälte das Reich Varunas sehr. Die Rakshasas, Dämonen, Schlangen und anderen Tiere schrien vor Schmerz, als die vereinten Söhne Sagaras viele von ihnen beim Graben töteten. Überall sah man hunderte und tausende von toten Tierkörpern, abgetrennten Köpfen oder Rümpfen, zerrissenen Fellen oder gebrochenen Knochen. Lange gruben die zornvollen Söhne Sagaras sich in die Tiefe vor, doch das Pferd konnten sie nicht finden. Doch dann, in nordöstlicher Richtung des Ozeans, als die Söhne Sagaras die niederen Welten erreicht hatten, erblickten sie endlich das Pferd frei laufend auf einer weiten Ebene. Auch erblickten sie den großen und strahlenden Kapila, der so hell wie ein großes Feuer glänzte. Der Anblick der Pferdes erregte sie freudig, doch ihr angeborener Zorn ließ sie den strahlenden Kapila mißachten. Vom Schicksal getrieben rannten sie an ihm vorbei, um das Pferd einzufangen. Da richtete der gerechte Kapila, den die großen Weisen auch Vasudeva nennen, nur einen zornigen Blick auf die Söhne des Sagar und verbrannte die stumpfe Schar in einer einzigen Flamme. Der große Asket Narada schaute die übriggebliebene Asche, ging zu König Sagar und erzählte ihm, was geschehen war. Die furchtbare Nachricht ließ den König sehr traurig werden, und er erinnerte sich an die Worte Shivas. Dann schickte er nach seinem Enkelsohn Ansuman, den Sohn von Asamanjas, und sprach zu ihm:
Meine sechzigtausend unermeßlich starken Söhne forderten Kapilas Zorn heraus und trafen wegen mir auf ihren Tod. Oh mein Junge mit dem makellosen Charakter, deinen Vater mußte ich verbannen, um meine Pflichten als König zu erfüllen und weil ich meinen Untertanen helfen wollte.

Da fragte Yudhishthira:
Oh Heiliger, dessen einziger Reichtum in der religiösen Praxis besteht, erklär mir, aus welchem Grund hat der heldenhafte Sagar seinen eigenen Sohn verbannt, wo diese Tat so schwer ist?

Lomasa antwortete:
Die Prinzessin von Sivi hatte einen Sohn zur Welt gebracht, der Asamanjas genannt wurde. Ihm gefiel es, die kleinen und schwachen Kinder der Bürger an der Kehle zu packen und die gellend Schreienden in den Fluß zu werfen. Von Angst und Grauen gepackt versammelten sich die Bürger und flehten mit gefalteten Händen König Sagar an:
Oh großer König, du bist unser Schutz vor allen drohenden Gefahren aus feindlichen Attacken. Darum ist es angemessen, dich um die Abwendung der gräßlichen Gefahr zu bitten, die von deinem Sohn Asamanjas kommt.

Lange sann da König Sagar traurig nach und sprach dann zu seinen Ministern:
Mein Sohn Asamanjas soll von heute aus der Stadt verbannt sein. Wenn ihr meinen Wünschen Folge leisten wollt, dann führt diesen Befehl schnell aus.

Und die Minister handelten zügig nach den Worten des Königs. Dies war der Grund, warum König Sagar seinen eigenen Sohn fortschickte. Er wünschte das Wohl seiner Bürger. Doch höre nun, was Sagar noch zu seinem Enkel sprach.

Er sagte:
Oh mein Junge, mein Herz ist wund, weil ich deinen Vater verbannen mußte, meine anderen Söhne tot sind und niemand Erfolg hatte, das Opferpferd wiederzubringen. Oh mein Enkelsohn, mich verfolgen Trauer und Verdammnis, weil die Ausführung meiner religiösen Riten verhindert ist. Mögest du das Pferd zurückbringen und mich von dieser Hölle befreien.

So ritt Ansuman mit schwerem Herzen zu dem ausgehöhlten Spalt in der Erde und begab sich durch die Passage in die Tiefe des Meeres. Dort schaute er den ruhmreichen Kapila und das Pferd. Er beugte sein Haupt vor dem gerechten und strahlenden Heiligen bis zum Boden und erzählte ihm den Grund seines Besuchs. Dies Betragen freute Kapila sehr, und der Heilige mit der tugendhaften Seele bot dem Jüngling seine Gunst an. Dieser bat als erstes um das Pferd, damit sein Vater das Opfer weiterführen konnte. Und als zweites bat er um die Reinigung seiner Väter (eigtl. Onkel, die verstorbenen sechzigtausend Söhne Sagaras). Da sprach der mächtige Heilige Kapila zu ihm:
Ich werde dir alles gewähren, was du wünschst, oh Makelloser. Möge dir Gutes geschehen. In dir sind Nachsicht, Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit fest verankert. Durch dich werden Sagaras Wünsche erfüllt, und so bist du deinem Vater ein wahrhafter Sohn. Durch dich werden die Söhne Sagaras (gereinigt) in den Himmel eingehen. Dazu wird der Sohn deines Sohnes die Gunst des Gottes Shiva gewinnen und die Ganga, welche in drei Strömen fließt, zur Erde herabbringen. Möge ein gutes Schicksal dein sein. Nimm nun das Opferpferd mit dir, mein Junge, und beende die Opferriten des großen Sagar.

Ansuman tat, wie ihm geheißen, und erreichte schon bald den Opferplatz des hochbeseelten Sagar. Dort fiel er seinem Großvater zu Füßen und erzählte ihm alles, was geschehen war, während sein Großvater liebkosend über seinem Scheitel atmete. Als jener vernahm, daß das Opferpferd wieder da war, hörte er auf zu trauern und lobte und ehrte seinen Enkelsohn. Dann beendete er das Opfer, wurde ehrend von allen Göttern gegrüßt und nahm das Meer, das Reich Varunas, an Sohnes statt an. Nachdem der lotusäugige Sagar sein Reich lange regiert hatte, setzte er seinen Enkelsohn mit aller Verantwortung auf den Thron und stieg in den Himmel auf. Ansuman mit der tugendhaften Seele folgte den Fußspuren seines Großvaters und herrschte über das Reich bis zum Ufer des Meeres. Sein Sohn war der tugendhafte Dilipa, und nachdem Ansuman ihm alle Pflichten eines Herrschers übergeben hatte, verließ auch Ansuman sein Leben. Dilipa wußte natürlich um das Schicksal seiner Vorfahren und war darob zutiefst bekümmert. Beständig dachte er darüber nach, wie er die Söhne Sagaras in den Himmel aufsteigen lassen konnte, und unternahm viele Mühen, die Ganga herabzubringen. Doch obwohl er alles ihm Mögliche versuchte, gelang ihm nicht, was er so sehnlich erwünschte. Ihm wurde ein Sohn mit Namen Bhagiratha geboren, der schön war, einem tugendhaften Leben zugetan, wahrhaft und frei von allen bösartigen Gefühlen. Dilipa ernannte ihn zum König und widmete sich einem Leben im Walde. Er folgte dem verdienstvollen Pfad der Enthaltsamkeit und ging am Ende seiner Zeit in den Himmel ein.


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