Pushpak Mahabharata Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 65 – Das Ende der Karawane und Ankunft am Hofe Suvahus

Vrihadashwa fuhr fort:
Nach diesen Worten des Anführers der Karawane schloß sich Damayanti dem Zug an, immer auf der Suche nach ihrem Herrn. Nach einigen Tagen kam der Troß an einen großen See mit schönen Lotusblüten inmitten des dichten und wilden Waldes. Es war ein sehr schöner Ort mit grünem Gras an den Ufern, Holz für die Feuer, Früchte zum Essen und herrlichen Blumen. Viele Wasservögel lebten dort, und das Wasser selbst war rein, herzerfrischend und köstlich. Müde beschloß der Troß, hier zu halten und das Lager für die Nacht aufzuschlagen. Mit Erlaubnis des Karawanenführers verteilten sich die Händler im Gelände, und zur mitternächtlichen Stunde war alles ruhig und still. Die ermatteten Reisenden schliefen tief und fest, als sich eine Herde wilder und brünstiger Elefanten dem See näherte, um ihren Durst zu stillen. Doch als die wilden Tiere ihre gezähmten Artgenossen bei der Karawane entdeckten, wurden sie gereizt, und griffen wütend die zahmen Tiere an. Die Gewalt, welche diese heranstürmende, wilde Herde mitbrachte, war kaum zu ertragen, wie die Heftigkeit herabfallender Steinlawinen an einem Bergabhang. All die Menschen, welche schlafend rings um den Lotussee verteilt lagen, waren den wilden Elefanten im Wege und so trampelten sie alles und jeden in ihrer wilden Gereiztheit nieder. Da begann ein großes Geschrei unter den Menschen, welche aus dem Schlaf gerissen wurden und panisch und noch fast blind die Flucht ins Unterholz ergriffen, um der Gefahr zu entgehen. Manche fielen den schwingenden Rüsseln der Tiere zum Opfer, manchen wurden die Stoßzähne zum Verhängnis und viele wurden in der Dunkelheit niedergetrampelt. Auch die Kamele und Pferde der Karawane starben beim Angriff der wilden Elefanten, und Scharen von Menschen erdrückten sich gegenseitig bei ihrer panischen Flucht. Mit lautem Geschrei stolperten viele auf unebenem Gelände und fielen zu Boden, während andere voller Furcht auf die Bäume kletterten. So mußte die große Karawane durch den plötzlichen Angriff der wilden Elefantenherde großes Leid erfahren.

Verwirrt und laut schrien die Menschen durcheinander, daß es die drei Welten erschütterte:
Weh! Rettet uns! Ein großes Unheil ist ausgebrochen! Lauft schnell weg! Wohin flieht ihr? Sammelt die Juwelen auf, die überall herumliegen! Weh, aller Welten Reichtum ist nichts wert! Ich spreche nichts Falsches. Denkt an meine Worte, ihr Elenden!

Mit solchen Rufen liefen sie erschreckt hin und her. Auch Damayanti war voller Angst und Schrecken erwacht, als ringsum das gräßliche Unheil tobte. Atemlos und panisch sprang die Dame mit den Lotusaugen von ihrem Lager auf, und blickte auf das große Sterben, welches so unerwartet kam und die Furcht aller Welten erwecken konnte. Und jene aus dem Troß, welche die Gefahr unverletzt überstanden hatten, rotteten sich zusammen und begannen zu klagen:
Was haben wir getan, daß wir solche Konsequenzen ertragen müssen? Haben wir den ruhmreichen Manibhadra und auch den hohen und herrlichen Vaishravana (Kuvera), den König der Yakshas, nicht genügend geehrt? Vielleicht haben wir den Gottheiten, welche Gefahren hervorbringen nicht die erste Ehre erwiesen oder ganz vergessen, ihnen zu opfern. Oder kam das Unheil von seltsamen Vögeln, die wir erblickten? Die Sterne sind uns doch nicht ungünstig! Warum kam diese Katastrophe über uns?

Und einige, die alles verloren hatten, sowohl Familienmitglieder als auch ihren Reichtum, kamen auf die Idee:
Diese seltsame Frau, die plötzlich zu unserer Karawane kam, hat bestimmt diesen grausamen Wahnsinn heraufbeschworen, so fremd und fast unmenschlich, wie ihr Erscheinen bei uns war. Sie ist gewiß eine schreckliche Dämonin, eine Yaksha oder Pisasha Frau (fleischfressende Dämonen). All das Böse ist sicher ihr Werk, wer hat daran noch Zweifel? Wenn sie uns noch einmal vor Augen kommt, werden wir diese hinterhältige Unheilbringende mit Steinen und Dreck, Holz und Gras bewerfen und böse schlagen für die vielen Toten unter uns.

Als Damayanti diese scheußlichen Worte hörte, versteckte sie sich ängstlich, beschämt und aufgeregt vor der Gefahr im Dickicht. Dabei tadelte sie sich selbst:
Weh, brennend und groß ist der Zorn Gottes über mich gekommen, denn meinen Schritten folgt kein Frieden. Oh, welche Schandtat ging dem voraus? Ich kann mich nicht erinnern, daß ich irgend jemandem auch nur ein kleines Übel angetan hätte, weder in Gedanken, noch in Worten oder Taten. Welche Tat war wohl die Ursache hierfür? Bestimmt beging ich große Sünden in einem früheren Leben, weil solches Elend heute über mich kam. Erst der Verlust des Königreichs meines Gatten, dann die Niederlage durch seine eigene Familie, die Trennung von meinem Herrn, meinem Sohn und meiner Tochter, mein jetziger ungeschützter Zustand und meine Flucht in diese wilden Wälder hier.

Am nächsten Morgen beklagten die Überlebenden der Katastrophe ihre toten Brüder, Väter, Söhne und Freunde und die große Vernichtung. Dann verließen sie den Ort, und auch die Prinzessin von Vidharba begann zu klagen:
Ach, welche Missetat beging ich wohl? Daß die vielen Menschen, die ich in diesem einsamen Walde traf, von der Herde Elefanten getötet wurden, liegt bestimmt an meinem unglücklichen Schicksal. Oh, zweifellos werde ich für lange Zeit große Qualen ertragen müssen. Von den Alten habe ich gehört, daß kein Mensch vor seiner Zeit stirbt, und nur deshalb wurde ich Elende wohl heute nacht nicht von den Elefanten totgetrampelt. Alles, was den Menschen geschieht, beruht auf Schicksal. Denn nicht einmal in meiner Kindheit beging ich eine solche Sünde, von der diese Katastrophe herrühren könnte. Vielleicht geschieht mir diese qualvolle Trennung von meinem Ehemann, weil ich die himmlischen Lokapalas bei meiner Gattenwahl mißachtete und Nala ihnen vorzog?

In der Stadt der Chedi

So klagte die hervorragende und treue Dame, schloß sich trauernd und bleich einigen vedenkundigen Brahmanen an, welche ebenfalls die unheilvolle Nacht überlebt hatten, und wanderte mit ihnen zügig in die mächtige Stadt des wahrhaftig sprechenden Suvahu, König der Chedi. Dort trat sie in die Stadt ein, furchtsam, in nur ein halbes Kleid gehüllt, mager und melancholisch, das Haar zerwühlt und mit Staub bedeckt, und die Bürger dachten bei ihrem Anblick, sie wäre ganz verstört. Die Jungen in der Stadt rannten neugierig hinter ihr her, und inmitten der Knabenschar gelangte sie zum Palast des Königs. Doch dort wurde sie von der Königinmutter entdeckt, die von einer Terrasse herabblickte.

Und die Königin sprach zu ihrer Amme:
Geh, und bring diese Frau zu mir. Sie wirkt verlassen und hilflos in der Menge. Sie geriet wohl in eine Notlage und braucht nun Beistand. Ich denke, daß ihre Schönheit mein Haus erleuchten wird. Die Schöne scheint zwar verstört, aber gleicht mit ihren großen Augen der göttlichen Shri.

So ging die Amme hinaus, vertrieb die Knabenschar und brachte Damayanti zur Königin auf die schöne Terrasse. Dann fragte die staunende Amme Damayanti:
Obwohl du offensichtlich bitter leidest, bist du doch wunderschön! Du strahlst wie ein Blitz inmitten dunkler Wolken. Sag mir, wer du bist und zu wem du gehörst. Oh du mit dem himmlischen Glanz, deine Schönheit ist übermenschlich, selbst ohne jeglichen Schmuck. Und obwohl du ganz allein und hilflos bist, scheinst du doch unbewegt von der lärmenden Menschenmenge zu sein.

Die Tochter von Bhima antwortete der Amme:
Wisse, ich bin eine Frau, die ihrem Gatten treulich hingegeben ist. Ich bin eine Dienerin aus gutem Hause. Ich lebe, wo es mir gefällt, ernähre mich von Früchten und Wurzeln, und übernachte ohne einen Gefährten dort, wo mich die Nacht überrascht. Mein Ehemann verfügt über zahllose Tugenden und war mir immer zugetan. Und ich bin ebenfalls zutiefst mit ihm verbunden und folgte ihm immer wie ein Schatten. Doch eines Tages geschah es, daß er sich in das Würfelspiel verlor, alles verlor und in die Wälder ging. Ich allein begleitete und tröstete den Helden, der nur in ein Gewand gehüllt und von Pein und Qual ganz überwältigt war. Und dann geschah es, daß der hungernde und dürstende Held noch sein letzten Kleid verlor. Doch ich blieb bei ihm, umhüllte ihn mit meinem Gewand, und schlief für viele Nächte nicht. Doch als mich dann endlich der Schlaf übermannte, schnitt er die Hälfte meines Gewandes ab und verließ mich, obwohl ich ihm kein Leid angetan hatte. Nun suche ich meinen lotusäugigen Gatten, doch ich kann ihn nirgends finden. Und solange ich ihn, das Entzücken meines Herzens, diesen geliebten Herrn, dessen Antlitz einem Himmlischen gleicht, nicht erblicke, brenne ich Tag und Nacht im Kummer.

Die Königinmutter selbst antwortete der in Tränen aufgelösten und ständig seufzenden Damayanti:
Oh gesegnete Dame, bleib hier bei mir. Ich habe meine Freude an dir. Meine Männer sollen nach deinem Gatten suchen, oh du Schöne, oder vielleicht kommt er auf seinen Wanderungen von selbst in unsere Stadt. Oh schöne Dame, bleib hier und du wirst schon bald deinen Ehemann wiedersehen.

Damayanti erwiderte daraufhin:
Oh Mutter von Helden, nur unter gewissen Bedingungen kann ich bei dir bleiben: Ich werde nicht die Reste einer Mahlzeit essen, noch irgend jemandes Füße waschen. Auch darf mich niemand dazu zwingen, mit anderen Männern zu reden. Und wenn irgend jemand mich zur Gattin oder Geliebten begehrt, muß er der Strafe deiner Hand unterworfen sein. Wenn ein Mann nicht aufhört, um mich zu werben und mich zu drängen, dann soll er mit dem Tode bestraft werden. Dies ist der Eid, den ich schwor. Nur mit den Brahmanen werde ich mich unterhalten, die du auf die Suche nach meinem Gatten schicken magst. Wenn du dies alles für mich tun willst, dann werde ich bei dir leben. Andernfalls kann mein Herz sich nicht dazu entschließen, an deiner Seite zu sein.

Da antwortete die Königinmutter mit frohem Herzen:
Ich werde alles tun, was du verlangst, denn du hast wohl getan, ein solches Gelübde anzunehmen.

Danach sprach die Königinmutter zu ihrer Tochter Sunanda:
Oh Sunanda, betrachte diese göttliche Dame als deine Sairindhri. (Eine Sairindhri ist mehr eine ebenbürtige Gefährtin, als eine Dienerin. Sie hatte keine niederen Arbeiten zu verrichten, sondern kümmerte sich um die Blumenkränze, die Sandelpaste, das Frisieren und die allgemeine Toilette der Königin oder ihrer Tochter.) Sie möge deine Freundin sein, denn ihr seid gleich alt. Und so freut euch aneinander ohne Sorgen.

Freudig nahm Sunanda Damayanti bei sich auf und führte sie mit ihren anderen Gefährtinnen in ihre eigenen Gemächer. Dort wurde Damayanti mit Achtung behandelt, fühlte sich wohl und blieb im Palast, ohne irgendwelche Ängste erdulden zu müssen, denn alle ihre Wünsche wurden erfüllt.


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