Pushpak Mahabharata Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 27 – Draupadi klagt Yudhishthira ihr Leid

Vaisampayana sprach:
Des Abends saßen die prinzlichen Exilanten mit ihrer Gattin Draupadi beieinander und unterhielten sich traurig und kummervoll. Und eines Tages wandte sich die schöne und wohl unterrichtete Draupadi, welche ihren Gatten lieb und hingegeben war, an Yudhishthira.

Draupadi sprach:
Die sündigen, grausamen und hinterhältigen Söhne Dhritarashtras haben bestimmt kein Mitgefühl für uns. Ich glaube nicht, daß die Hartherzigen Reue empfinden, nachdem sie dich und mich in Hirschfelle gehüllt und in den Wald gejagt haben. Das Herz von Duryodhana der bösen Taten muß aus Eisen sein, weil er dich, seinen tugendhaften älteren Bruder, mit solch harschen Worten bedachte. Und nun, nachdem er dich in solches Elend gestürzt hat, wo du doch alles Glück und niemals Kummer verdienst, freut er sich mit seinen Freunden darüber. Oh Bharata, als du in Hirschfelle gekleidet die Stadt verließest, haben nur vier Menschen keine Tränen vergossen, und das waren Duryodhana, Karna, der gemeine Shakuni und Dushasana, dieser schlimme und gräßliche Bruder von Duryodhana. Alle anderen Kurus waren in Tränen aufgelöst. Wenn ich deine Schlafstatt hier betrachte und daran denke, wie du zuvor in allem erdenklichen Luxus lebtest, den du voll und ganz verdienst, dann bin ich traurig, oh König. Ich denke an den Thron aus Elfenbein und Juwelen in deinem Palast, vergleiche ihn mit diesem Sitz hier aus Kusha Gras und bin von Kummer überwältigt. Ich sah dich an deinem Hofe von all den anderen Königen umgeben, oh König. Wie kann mein Herz ohne diesen Anblick Frieden finden? Ich denke an deinen sonnengleichen Körper der mit Sandelpaste bedeckt war, und nun ist es Schlamm und Schmutz. Der Gram darüber vernebelt mir die Sinne. War früher die reinste, weiße Seide deine Kleidung, so sind es nun Lumpen. Früher trug man die beste und reinste Nahrung aller Art auf goldenen Tellern aus deinem Haus zu tausenden Brahmanen und Asketen mit und ohne festen Wohnsitz. Du erfülltest den Brahmanen alle Wünsche und ehrtest sie damit. Wie kann mein Herz bei diesem Anblick hier nun Frieden finden?

Ach, großer König, deine jugendlichen Brüder mit all ihrem Schmuck wurden sonst von den besten Köchen mit der süßesten Nahrung bedacht. Doch jetzt leben sie nur von dem, was der Wald ihnen bietet, und verdienen dieses Leid nicht. Mein Herz kennt keinen Frieden hier. Wenn du an Bhimasena denkst, wie er kummervoll seine Zeit im Walde verbringt, regt sich da kein Zorn in dir? Der ruhmreiche Bhima hat immer alles ohne fremde Hilfe getan und verdiente alles Glück der Welt. Doch nun leidet er. Warum erhebt sich darob kein Zorn in dir? Ihn umgaben alle Arten von Fahrzeugen, kostbaren Dingen und edlen Kleidern. Und du spürst keinen Zorn? Dieser würdevolle Mann ist bereit, alle Kurus im Kampf zu schlagen. Er erträgt das Elend hier nur, weil er die Einhaltung deines Versprechens abwartet.
Schau auf Arjuna, der mit beiden Händen den Bogen gleichermaßen geschickt bedienen kann, so daß er Kartavirya mit den tausend Armen gleicht. Seinen Feinden erscheint er wie Yama am Ende des Yuga. Durch die Kraft seiner Waffen warteten alle Könige der Erde bei deinem Opfer den Brahmanen auf. Wenn du auf den nun besorgten Arjuna schaust, diesen Tiger unter den Männern, der von Göttern, Danavas und Menschen gleichermaßen verehrt wird, fühlst du da keine Entrüstung? Ich bin so traurig darüber, oh König, daß beim Anblick von Arjuna im Exil sich dein Zorn nicht erhebt, denn dieser Prinz wurde in allem Luxus erzogen und verdient es nicht, Elend ertragen zu müssen. Auf nur einem Streitwagen besiegte Arjuna Himmlische, Menschen und Nagas. Und dein Zorn erhebt sich nicht, wenn du ihn hier im Exil siehst? Er erkämpfte die Schätze der Könige der Erde. Er ist die Geißel aller Feinde. Ihm wurden Wagen, Sänften, Elefanten und Pferde in allen Ehren angeboten. Er kann fünfhundert Pfeile auf ein Mal abschießen. Und dein Zorn lodert nicht auf, wenn du ihn hier so siehst?
Warum erhebt sich nicht dein Zorn, wenn du Nakula erblickst, diesen schönen, jungen, kräftigen und besten Schwertkämpfer? Warum vergibst du dem Feind beim Anblick des schönen und tapferen Sahadeva im Exil? Beide sind von Kummer überwältigt, verdienen keine Qualen, und du schaust nur zu?
Und warum vergibst du dem Feind, wenn du mich hier im Exil siehst, die ich im Geschlecht Drupadas geboren, die Schwester von Dhrishtadyumna und die Schwiegertochter des ruhmreichen Pandu bin? Ich bin die ergebene Ehefrau von Helden, doch du, oh Bester der Bharatas, spürst keinen Ärger in dir. Denn warum sonst bleibt dein Geist unbewegt beim Anblick deiner Brüder und von mir in dieser Not? Es wird gesagt, daß es in der Welt keinen Kshatriya ohne Zorn gibt. Doch in dir wird dieses Sprichwort widerlegt. Oh Sohn der Pritha, wenn ein Kshatriya bei passender Gelegenheit seine Energie nicht entfaltet, wird er von allen Wesen mißachtet. Daher solltest du deine Vergebung nicht über dem Feind ausbreiten, denn mit deiner Energie kannst du sie zweifellos alle schlagen. Denn nur wenn ein Kshatriya nicht besänftigt ist, wenn die Zeit für Vergebung kommt, dann meiden ihn die Wesen, und er trifft auf Vernichtung in dieser und der anderen Welt.


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