Pushpak Mahabharata Buch 2Zurück WeiterNews

Kapitel 79 – Die Klage der Kunti

Bevor Draupadi sich auf die Reise machte, ging sie zur ruhmreichen Kunti und bat um Abschied. Auch von den anderen, zutiefst traurigen Damen des Haushalts verabschiedete sie sich. Sie grüßte und umarmte eine jede nach ihrem Stand, und war entschlossen, fortzugehen. Da erhob sich in den inneren Gemächern des Palastes ein lautes Wehklagen. Kunti schaute völlig aufgewühlt auf die zur Abreise bereite Draupadi und stammelte mit kummervoll erstickter Stimme:
Oh Kind, trauere nicht über die Misere, die euch überkam. Du kennst die Pflichten des weiblichen Geschlechts, und dein Betragen ist genauso, wie es sein sollte. Ich brauche dich wirklich nicht über deine ehelichen Pflichten zu belehren, oh du mit dem lieblichen Lächeln. Du bist züchtig und geschickt, deine guten Eigenschaften zieren gleichermaßen die Familie deiner Geburt als auch die Familie deiner Ehemänner. Glücklich können sich die Kauravas heißen, daß sie nicht durch deinen Zorn verbrannt wurden! Oh Kind, sei beschützt und geh mit all meinen Segnungen. Edle Frauen hegen über Unvermeidliches keine Trauer in ihren Herzen. Du wirst vom Höchsten, von der Tugend beschützt, und so wirst du bald ein gutes Schicksal erfahren. Doch habe ein Auge auf mein Kind Sahadeva, während ihr in den Wäldern lebt. Schau, daß sein Herz nicht in diesem großen Elend versinkt.

Draupadi antwortete mit tränenvollen Augen: „So sei es.“, und mit nur einen blutbefleckten Kleid und verwirrtem Haar verließ sie ihre Schwiegermutter. Als sie weinend davonging, folgte ihr Pritha in großer Sorge. Schon nach ein paar Schritten erblickte sie ihre Söhne ohne allen Schmuck, in Hirschfelle gehüllt und mit schamvoll gebeugten Häuptern. Sie waren von jubelnden Feinden und sorgenvollen Freunden umgeben. Voller Mutterliebe trat Kunti zu ihren Söhnen, umarmte sie alle und sprach mit trauriger Stimme:
Ihr seid tugendhaft und von gutem Benehmen, verfügt über alle guten Eigenschaften und Respekt. Ihr seid von hohem Geist und dient immer den Älteren. Ihr seid den Göttern ergeben und der Durchführung von Opfern. Warum mußte euch diese Katastrophe überkommen? Warum dieses Unglück? Ich kann nicht sehen, durch wessen Übeltat euch diese Sünde zuteil wurde. Weh, ich habe euch aufgezogen. Es muß an meinem bösen Schicksal liegen, daß euch diese Pein überkam, denn ihr seid voller hervorragender Tugenden. Ihr seid nicht arm an Energie, Stärke, Standhaftigkeit und Macht. Aber wie wollt ihr nun ohne all euren Reichtum und eure Besitztümer ärmlich im weglosen Dschungel wohnen? Wenn ich gewußt hätte, daß euch ein Leben in den Wäldern bestimmt sein würde, hätte ich nach Pandus Tod nicht die Berge von Satasringa verlassen, um nach Hastinapura zu kommen. Nun erachte ich euren Vater als glücklich, denn er erntete die Früchte seiner Askese und war mit Voraussicht beschenkt, als er dem Wunsch nach dem himmlischen Aufstieg nachgab, denn nun muß er wegen seiner Söhne keine Schmerzen leiden. Und glücklich war die gesegnete Madri, wie ich es heute sehe, denn auch sie hatte wohl eine Ahnung und entschied sich für den hohen Pfad der Loslösung und allen Segen, der damit verbunden ist. Ach, Madri wünschte mein Bleiben, und ihr Geist und ihre Zuneigung waren immer bei mir. Schande über meinen Wunsch zu leben, dem ich nun all dies Leiden verdanke.

Meine Kinder, ihr seid alle hervorragend und mir lieb. Ich bekam euch nach vielen Qualen und kann euch nicht verlassen. Ich will mit euch gehen! Weh Draupadi, warum verläßt du mich? Jedes Leben ist sicher dazu bestimmt zu vergehen. Hat Dhatri vergessen, meinen Tod zu beschließen? Vielleicht verläßt mich deshalb das Leben nicht. Oh Krishna in Dwaraka, jüngerer Bruder von Sankarsana, wo bist du? Warum befreist du nicht mich und diese besten Männer von dieser Pein? Man sagt, du seist ohne Anfang und Ende und befreist diejenigen, die an dich denken. Warum werden diese Worte nicht wahr? Meine Söhne hingen immer an Tugend, Edelmut, gutem Ruhm und Heldentat. Sie verdienen solch Misere nicht. Oh, sei ihnen gnädig!

Weh, wenn es solche Erfahrenen in unserem Geschlecht gibt wie Bhishma, Drona und Kripa, die alle Moral und Künste in weltlichen Belangen beherrschen, wie kann uns dann solches Elend überkommen? Oh Pandu, mein König, wo bist du? Warum erduldest du, daß deine guten Kinder auf solche Weise durch ein Würfelspiel ins Exil geschickt werden? Oh Sahadeva, geh nicht! Du bist mein Liebling und mir lieber als mein eigener Körper, du Sohn der Madri. Verlaß mich nicht! Du solltest mir freundlich sein. Wenn deine Brüder die Bande der Pflicht spüren, dann laß sie gehen. Doch gewinne dir die Tugend, die aus deinem Dienst an mir erwächst.

Vaisampayana fuhr fort:
So besänftigten die Pandavas ihre weinende Mutter mit schweren Herzen wegen ihrer Reise in die Wälder. Und Vidura, selbst zutiefst betrübt, führte die klagende Kunti sanft und langsam in sein Haus. Die königlichen Damen aus dem Hause Dhritarashtras weinten heftig und empörten sich laut über das Exil der Pandavas und die demütigende Behandlung Draupadis. Dann saßen sie lange Zeit stumm und bedeckten ihre lotusgleichen Gesichter mit ihren schönen Händen. Auch König Dhritarashtra bedachte die drohenden Gefahren für seine Söhne, wurde ein Opfer der Angst und fand keinen Frieden. Besorgt meditierte er über alles Geschehene, und mit aus dem Gleichgewicht geratenen Geist sandte er einen Boten zu Vidura mit den Worten: „Khatta soll sofort zu mir kommen.“ Vidura folgte schnellstens dem Ruf seines Bruders und begab sich zum Monarchen, welcher ihn sorgenvoll befragte.


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