Pushpak Mahabharata Buch 2Zurück WeiterNews

Kapitel 67 – Draupadi wird geholt

Vom Hochmut vergiftet sprach der Sohn von Dhritarashtra:
Schande über Vidura!

Dann blickte Duryodhana den Pratikamin (Saaldiener) an und befahl ihm:
Geh, Pratikamin, und bring Draupadi her. Hab keine Angst vor den Söhnen des Pandu. Nur Vidura wettert ängstlich daher, weil er uns den Wohlstand nicht gönnt.

Gehorsam und eilends begab sich der Suta zur Wohnstatt der Pandavas und trat wie ein Hund, der sich der Höhle des Löwen nähert, vor Königin Draupadi. Er sprach:
Yudhishthira wurde von den Würfeln übermannt, und Duryodhana hat dich, oh Königin, gewonnen. Folge mir also in das Haus Dhritarashtras. Ich werde dich hinführen und dir niedere Arbeit geben, oh Draupadi.

Draupadi erwiderte:
Warum sagst du das, oh Pratikamin? Welcher Prinz würde seine Frau verspielen? Der König war sicher von den Würfeln vergiftet. Konnte er denn keinen anderen Einsatz finden?

Pratikamin antwortete:
Er hat dich erst verspielt, als er nichts anderes mehr besaß. Erst hat er seine Brüder riskiert, dann sich selbst und schließlich dich, oh Prinzessin, und alles verloren.

Da sprach Draupadi:
Oh Sohn eines Suta, geh und frag den Spieler in der Versammlung, wen er zuerst verloren hat: sich selbst oder mich. Finde das heraus und komm wieder zurück. Dann magst du mich abholen.

Der Bote kehrte in die Halle zurück und richtete alles aus, was Draupadi gesprochen hatte. Er wandte sich an Yudhishthira, welcher inmitten der Könige saß:
Draupadi fragt dich: Wessen Herr warst du, als du mich im Spiel verlorst? Hast du zuerst dich oder mich verloren?

Doch Yudhishthira saß wie betäubt und ohne Verstand und gab dem Suta keine Antwort. Da sprach Duryodhana:
Die Prinzessin von Panchala soll herkommen und ihre Frage selbst stellen. Jeder hier in der Versammlung soll die Worte hören, die zwischen ihr und Yudhishthira gesprochen werden.

Gehorsam ging der Bote noch einmal zum Palast und sprach bekümmert zu Draupadi:
Oh Prinzessin, die Versammlung ruft dich zu sich. Es scheint, das Ende der Kauravas steht bevor, denn wenn Duryodhana dich vor die Versammlung bestellt, dann wird dieser verrückte König seinen Wohlstand nicht länger beschützen können.

Draupadi antwortete:
Der große Bestimmer dieser Welt hat es wohl so angeordnet. Sowohl Glück als auch Elend halten bei weisen und unweisen Menschen gleichermaßen Hof. Und es wird gesagt, daß Moral die höchste Tugend ist. Wenn diese geehrt wird, spendet uns dies sicherlich Segen. Möge die Moral die Kauravas nicht verlassen. So geh nun zurück in diese Halle und wiederhole diese tugendhaften und moralischen Worte. Ich bin bereit zu tun, was die Älteren, Tugendhaften und mit Moral Vertrauten mir ausrichten lassen.

Dies tat der Suta, doch alle saßen nur mit gesenkten Häuptern und sprachen kein Wort, denn sie wußten um die begierige Entschlossenheit von Dhritarashtras Sohn. Mittlerweile schickte Yudhishthira einen vertrauten Boten zu Draupadi, der ihr folgendes ausrichten sollte:
Panchali soll in die Sabha kommen und vor ihren Schwiegervater treten, auch wenn sie bitterlich weint und wegen ihrer Periode nur ein Kleid mit entblößtem Nabel trägt.

Während der kluge Bote die Nachricht zu Draupadi trug, konnten die Pandavas in ihrer verzweifelten Not und durch ihr Wort gebunden nicht entscheiden, was sie tun sollten. König Duryodhana schaute lange in ihre Gesichter und befahl dann mit freudigem Herzen dem Suta:
Geh, Pratikamin, bring sie her. Die Kauravas sollen ihr die Frage direkt beantworten.

Diesmal fürchtete der Suta Draupadis Zorn. Er verleugnete seine Klugheit und fragte:
Was soll ich Krishna diesmal sagen?

Als Duryodhana dies vernahm, sprach er zu Dushasana:
Ach Dushasana, geh du und bring die Tochter von Drupada eben mit Gewalt her. Dieser nicht allzu kluge Sohn eines Suta fürchtet Bhima. Doch unsere anwesenden Feinde hängen im Augenblick von unserem Willen ab. Was könnten sie dir schon tun?

Mit blutroten Augen folgte Dushasana den Worten seines Bruders, betrat das Haus der großen Krieger und sprach zur Prinzessin:
Komm, komm, oh Krishna, Prinzessin von Panchala, wir haben dich gewonnen. Gib deine Zurückhaltung auf und tritt vor Duryodhana. Oh du mit den großen Augen wie Lotusblätter, akzeptiere die Kauravas als deine Herren. Du wurdest rechtens gewonnen, nun komm schon, und begleite mich in die Halle.

In größter Not sprang da Draupadi auf, bedeckte ihr bleiches Gesicht mit den Händen und floh aufgelöst zu den Räumen, in denen sich die Damen von Dhritarashtras Haushalt aufhielten. Ärgerlich brüllend folgte Dushasana ihr und ergriff die Königin an ihren langen, dunklen und glänzenden Locken. Weh, diese Locken, die einst mit Wasser besprüht wurden, welches im großen Rajasuya Opfer mit Mantras geweiht worden war, ergriff nun der Sohn Dhritarashtras mit Gewalt und mißachtete die Macht der Pandavas. Er zerrte die Dame an ihren langen, langen Locken vor die Versammlung, als ob sie hilflos wäre und keine mächtigen Beschützer hätte, und machte sie zittern wie eine Bananenstaude im Sturm. Mit gekrümmtem Körper wimmerte die so gewaltsam Gezogene:
Lump! Grober Schuft! Es wird dir schlecht bekommen, daß du mich vor die Versammlung nötigst. Ich bin in meiner unreinen Zeit und trage nur ein Kleidungsstück.

Doch unbeeindruckt zerrte Dushasana sie weiter und sprach grob zu ihr, die mitleiderregend zu Krishna und Jishnu (Nara und Narayana) betete:
Ob du deine Tage hast oder nicht, ob du nur ein Kleid trägst oder völlig nackt bist, du wurdest beim Würfelspiel gewonnen und bist nun unsere Sklavin. Du gehörst jetzt zu unseren Dienerinnen.

Mit zerzaustem Haar und nur noch halbbekleidet wurde die scheue Draupadi von ihrem Peiniger in die Versammlung gezerrt und sprach niedergeschlagen und schwach vor Wut:
In dieser Menge sind vielseitig gelehrte Männer versammelt, welche alle Opfer und Riten kennen und Indra in Heldenmut gleichen. Einige sind meine Gurus und andere schätze ich gleichermaßen. In diesem Zustand kann ich nicht vor sie treten. Du Lump, du grausamer Mann, entblöße mich nicht und zerr nicht so an mir. Die Prinzen werden es dir nie verzeihen, selbst wenn die Götter selbst deine Verbündeten wären. Der hochbeseelte Sohn von Dharma, Yudhishthira, ist durch Forderungen der Moral gebunden, und die Wege von Dharma sind subtil. Nur, wer große Klarheit der Sicht hat, kann sie erkennen. Ich bin nicht geneigt, auch nur einen winzigen Makel an meinem Ehemann zuzugeben, wenn ich seine Tugenden bedenke. Es ist ein äußerst unwürdiger Akt, mich so vor die versammelten Kuru Helden zu zerren, während ich meine Periode habe. Doch niemand tadelt dich hier. Sie sind wohl alle deiner Meinung.

Oh Schande! Wenn alle Kurus in dieser Halle schweigend diese Tat dulden, die alle Grenzen der Kuru Moral übertritt, dann ist die Tugend der Bharatas zerstört, und die Bräuche der Kshatriyas sind vernichtet. Drona, Bhishma, Vidura und König Dhritarashtra haben ihre Größe verloren, denn warum sonst könnten die Alten und Weisen des Kuru Geschlechts diesem Verbrechen stillschweigend zuschauen?

So weinte die schlankhüftige Draupadi elendig in der Sabha und warf verzweifelte Blicke auf ihre bereits wütend entflammten Ehemänner, die dadurch noch wütender wurden. Der Verlust all ihrer kostbaren Güter und ihres Reiches hatte sie nicht so erregt, wie der scheue und gleichzeitig zornige Blick ihrer Gattin. Doch die Pandavas waren hilflos, und Dushasana zog immerfort gewaltsam an Draupadi, während er laut lachend „Sklavin! Sklavin!“ rief. Karna stimmte freudig in das Gelächter ein und auch Shakuni lobte Dushasana. Doch alle anderen, außer Duryodhana, erfüllte die Behandlung Draupadis mit tiefer Trauer.

Da ergriff Bhishma das Wort:
Oh gesegnete Dame, die Moral ist subtil. Ich bin nicht in der Lage, deine Frage zu beantworten, ob einer, der keine Habe mehr hat, die Habe anderer setzen kann. Denn Frauen sind auch immer unter der Kontrolle ihrer Ehemänner. Yudhishthira kann der ganzen Welt mit all ihren Schätze entsagen, doch er wird niemals die Moral opfern. So hat der Sohn des Pandu zugegeben: „Ich wurde gewonnen.“ Und daher kann ich die Sache nicht entscheiden. Es gibt keinen Ebenbürtigen für Shakuni im Würfelspiel. Yudhishthira hat freiwillig mit ihm gewürfelt und nicht gegen das betrügerische Spiel protestiert. Ich kann die Sache nicht entscheiden.

Draupadi sprach:
König Yudhishthira wurde in diese Versammlung und zu diesem Würfelspiel mit erfahrenen, geschickten, unnachgiebigen und hinterhältigen Spielern berufen, obwohl er kein Geschick im Spiel hat. Wie kannst du sagen, daß er freiwillig gesetzt hat? Der Anführer der Pandavas wurde von diesen zusammen agierenden Lumpen mit trickreichem Betragen und unheiligen Instinkten erst getäuscht und dann besiegt. Er konnte ihre Manöver gar nicht verstehen, doch nun ist es geschehen. Es sind hier in dieser Halle Kurus versammelt, welche sowohl die Herren ihrer Söhne als auch ihrer Schwiegertöchter sind. Überdenkt alle gründlich meine Worte und entscheidet sorgfältig.

So weinte und klagte Draupadi und warf mitleiderregende Blicke auf ihre hilflosen Gatten, während Dushasana viele unflätige und grobe Worte sprach. Bhima konnte den Anblick von Draupadi nicht länger ertragen, wie sie in ihrer Periode gestoßen und gezogen wurde mit halb losem Kleid und dies alles nur wenig verdiente. Unerträglich erregt faßte Bhima seinen Bruder Yudhishthira ins Auge und gab seinem Zorn mit Worten freien Lauf.


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