Pushpak Mahabharata Buch 2Zurück WeiterNews

Kapitel 41 – Sisupala beleidigt Bhishma

Sisupala sprach:
Alter und niederträchtiger Narr deines Geschlechts, schämst du dich nicht, all diese Monarchen mit falschen Ängsten zu schrecken? Du bist der Erste der Kurus und lebst im dritten Stadium (im Zölibat) – da ist es nur angemessen, daß du Ratschläge weit abseits jeglicher Moral gibst! Wie ein driftendes Boot an ein anderes gekettet oder ein Blinder einem Blinden folgt, so ergeht es den Kurus, die dir als Führer folgen. Du hast nur erneut unsere Herzen gepeinigt, indem du in allen Einzelheiten die Erfolge von Krishna aufgezählt hast. Arrogant und ignorant wie du bist, willst du immer nur Krishna loben. Warum spaltet sich deine Zunge nicht in hundert Teile? Du Hochgepriesener an Klugheit singst das Loblied auf diesen Kuhhirten, dessen zweifelhaften Ruf sogar Menschen mit niedriger Intelligenz schmähen. Als Krishna in seiner Kindheit einen Geier erschlug, was ist daran bemerkenswert? Oder als er Ashwa und Vrishaya besiegte, die beide unerfahren waren in der Schlacht? Wenn dieser mit einem Stoß ein totes Stück Holz, nämlich einen Wagen, zerschmetterte, was, oh Bhishma, ist daran so wunderbar? Was ist das Besondere daran, für eine volle Woche den Berg Govardhana zu stützen, der so groß wie ein Ameisenhügel ist? Manche mögen sich sehr gewundert haben, als sie von dir die Worte vernahmen: „Als er sich auf dem Gipfel des Berges vergnügte, verschlang er eine Menge an Nahrung.“ Doch, du in Moral Gegründeter, ist es nicht sehr absonderlich, daß dieser große Mensch Kansa, welcher Krishna die viele Nahrung gab, dann von ihm getötet wurde? Ach du Niederträchtiger, du kennst die Regeln der Moral gar nicht. Du hast niemals von den Weisen vernommen, was ich dir jetzt sagen werde. Die Tugendhaften und Weisen belehren die Aufrechten, daß Waffen niemals auf Frauen, Kühe, Brahmanen und jene gerichtet werden dürfen, deren Nahrung und Unterkunft man annahm. Es scheint, oh Bhishma, daß all diese Lehren auf dich nur verschwendet waren. Du bist so begierig, Krishna zu loben, daß du ihn vor mir als überragend, wissend und altehrwürdig beschreibst, als ob ich nichts wüßte. Wenn auf dein Wort einer geehrt wird, oh Bhishma, der Frauen und Kühe (Anspielung auf die Dämonin Putana und den Dämon Arista) getötet hätte, was wäre die Folge solcher Lektion? Wie könnte der Lob verdienen?

Krishna

„Er ist der weiseste Mensch. Er ist der Herr des Universums.“ Wenn Janarddana deinen Worten lauscht, glaubt er noch, sie seien wahr. Doch das stimmt nicht. Die Verse, die ein Barde singt, machen den Besungenen nicht besser, auch wenn er sie wieder und wieder singt. Jedes Wesen handelt nach seiner Veranlagung, wie der Vogel Bhulinga. Deine Veranlagung ist zweifellos niedrig und gemein. Und auch die Söhne Pandus scheinen mir von Natur aus sündig zu sein, denn sie achten Krishna als einen, der Ehre verdient, und folgen dir nach. Obwohl du das Wissen um die Tugend besitzt, bist du vom Pfad der Weisen abgefallen. Und so bist du sündhaft. Denn wenn du tugendhaft und vorzüglich wärst, würdest du nie so handeln. Du kennst nicht die Wege der Moral. Dein Geist folgt nicht der Weisheit. Denn sonst hättest du die tugendhafte Maid Amba nicht entführt, die ihr Herz einem anderen geschenkt hatte. Dein Bruder Vichitravirya wußte um Wahrheit und Tugend. Denn er heiratete das Mädchen nicht, als er erfuhr, wie es um sie stand, obwohl du sie für ihn herbeigeschafft hattest. Du prahlst zwar mit deiner Tugend, doch vor deinen Augen zeugte ein anderer auf ehrbare Weise Nachkommen mit den Witwen deines Bruders. Wo ist deine Tugend nur, oh Bhishma? Dein Zölibat, dem du aus Unwissenheit oder Impotenz folgst, ist fruchtlos. Und ich sehe keinen Wohlstand an dir. Niemals scheinst du den Alten gedient zu haben. Denn sie sagen, Verehrung, Geschenke, Studium, Opfer und reiche Gaben an die Brahmanen bringen nur den sechzehnten Teil an Verdienst im Vergleich zu einem Sohn. Der Verdienst, oh Bhishma, der aus zahllosen Gelübden und Fasten kommt, wird fruchtlos, wenn man kinderlos bleibt. Du hast keine Kinder, bist alt und zeigst die falsche Moral.

Wie der Schwan in der Geschichte wirst du durch die Hand deiner Verwandten sterben. Das haben die Gelehrten schon vor langer Zeit erklärt, und ich werde dir die Geschichte nun in voller Länge erzählen.

Einst lebte am Ufer des Meeres ein Schwan, der immerzu dem Federvolk Moral predigte. Alle Vögel hörten ihn unermüdlich sprechen: „Praktiziert Tugend und verbannt Sünde!“, oh Bhishma. Um der Tugend willen brachten die Meeresvögel ihm Nahrung. Auch ließen sie ihre Eier bei ihm zurück, während sie die Wogen der See auf der Suche nach Essen zerpflügten. Doch der sündige, alte Schwan fraß eigensinnig die Eier der Vögeln auf, die ihm törichterweise vertrauten. Als nach einer Weile immer mehr Eier fehlten, erhob sich in einem der weisen Vögel ein Verdacht. Eines Tages beobachtete er die Sache sogar. So sprach der weise Vogel zu den anderen und erzählte ihnen traurig von der sündigen Tat des Schwans. Und als die anderen sich mit ihren eigenen Augen auch davon überzeugt hatten, töteten sie den alten Schwan mit dem falschen Betragen.

Du verhältst dich wie der alte Schwan, oh Bhishma. Und die Herren der Erde könnten dich aus Zorn dafür schlagen, wie das Federvolk den Schwan. Menschen, welche die Puranas kennen, zitieren ein Sprichwort, welches diesen Vorfall beschreibt. Höre es, oh Bharata: „Oh du mit den Schwingen, obwohl dein Herz (von Leidenschaften) beeinflußt ist, predigst du (Tugend). Doch deine sündige Tat des Eierverschlingens verstößt gegen alle deine Worte.“


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