Pushpak Mahabharata Buch 2Zurück WeiterNews

Kapitel 17 – Die wundersame Geburt Jarasandhas

Krishna sprach:
Arjuna zeigt die Haltung eines Kshatriya, welcher im Geschlecht der Bharatas und ganz besonders als Sohn Kuntis geboren wurde. Wir wissen nicht, wann der Tod zu uns kommt, ob bei Tag oder Nacht. Und nie haben wir vernommen, daß jemand Unsterblichkeit erlangt hätte, der vorm Kampf zurückschreckte. Es ist die Pflicht des Menschen, mit all seinen Feinden gemäß den traditionellen Mitteln zu kämpfen. Damit erlangt das Herz Befriedigung. Ein Unternehmen wird von Erfolg gekrönt, wenn es von guter Taktik geleitet und nicht vom Schicksal vereitelt wird. Folgt eine Seite einer ungünstigen Taktik ohne die bekannten Künste zu achten, dann endet für sie die Schlacht in Niederlage oder Vernichtung. Wenn beide Parteien gleiche Wege einschlagen, dann ist das Ergebnis unsicher. Eine Seite muß die Oberhand erlangen, denn beide können nicht gewinnen oder verlieren. Also warum sollten wir uns nicht von guten Plänen leiten lassen, den Feind aufsuchen und ihn vernichten, wie ein reißender Strom die Bäume am Ufer entwurzelt? Wir umgehen unsere eigenen Schwächen und machen uns die seinen zunutze. Warum sollten wir auf diese Weise nicht erfolgreich sein? Dies ist die Taktik aller klugen Menschen, daß niemand mit einem Feind kämpfen sollte, der mächtiger ist und an der Spitze seines geordneten Heeres bereit steht. Das ist auch meine Meinung. Doch wenn wir heimlich das Haus unseres Feindes betreten und ihn angreifen, werden wir keinen Mißerfolg haben. Dieser Bulle unter den Männern, Jarasandha, erfreut sich ganz allein unsterblicher Herrlichkeit wie er, welcher die innere Seele aller geschaffenen Wesen ist. Doch ich sehe seinen Untergang bereits vor mir! Mit dem Wunsch, unsere Familien zu beschützen, werden wir ihn entweder im Kampf töten oder von ihm besiegt in den Himmel eingehen.

Yudhishthira sprach:
Oh Krishna, wer ist dieser Jarasandha? Woher stammt seine Energie? Welcherart ist sein Heldenmut, daß er nicht verbrannt wurde wie eine Motte, als er dich, das Feuer selbst, berührte?

Krishna antwortete:
Höre, oh Monarch, wer Jarasandha ist, woher seine Energie und seine heldenhaften Kräfte stammen, und warum wir ihn bisher verschont haben, obwohl er uns wiederholt beleidigt hat.

Es gab einmal einen mächtigen König namens Vrihadratha, der Herr der Maghadhas. Er hatte drei Akshauhinis an Truppen und war stolz in der Schlacht. Er glich einem zweiten Indra, denn er war schön, energisch, wohlhabend und unvergleichlich mächtig. Er trug alle Zeichen an seinem schlanken Körper, die auf durchgeführte Opfer und Fasten hinwiesen. In Herrlichkeit glich er Surya (der Sonne), in Vergebung der Erde, im Zorn dem Zerstörer Yama und im Wohlstand dem Kuvera. Die ganze Erde war in seine guten Eigenschaften eingehüllt, oh Erster der Bharatas, welche von einer langen Linie an Ahnen zu ihm reichten wie die Strahlen der Sonne. Dieser mächtige Monarch heiratete die beiden Zwillingstöchter des Königs von Kasi, die beide wunderschön waren. Heimlich vereinbarte der Monarch mit seinen beiden Frauen, daß er sie beide gleich lieben und niemals eine bevorzugen würde. So verbrachte der Herr der Erde mit seinen hervorragend zu ihm passenden und von ihm geliebten Frauen seine Tage in Freude, wie ein mächtiger Elefant in Begleitung zweier Elefantenkühe, oder wie der Ozean zwischen Ganga und Yamuna. Doch die Jugend des Monarchen ging vorüber, ohne daß seine leidenschaftlichen Freuden ihm einen Sohn geboren hätten, welcher seine Linie fortführen konnte. Auch durch glücksverheißende Riten, Homas oder diverse Opfer ward ihm kein Sohn gegeben. Eines Tages hörte der König, daß der hochbeseelte Chandakaushika, der Sohn von Kakshivan aus dem ruhmreichen Gautama Geschlecht, von seiner asketischen Enthaltsamkeit pausierte und über die Erde wanderte. So ging der König mit seinen beiden Frauen zu dem Muni, welcher im Schatten eines Baumes saß, ehrte ihn mit Juwelen und kostbaren Geschenken und erfreute ihn sehr. Dann sprach der Muni mit der wahrhaften Rede zum König: „Oh König der Könige, ich bin mit dir zufrieden. Bitte um einen Segen, oh du mit den vorzüglichen Gelübden.“ Da verbeugten sich der König und seine beiden Ehefrauen tief vorm Muni, und der König sprach mit verzweifelten Seufzern und Tränen in den Augen: „Oh Heiliger, ich bin kurz davor mein Königreich zu verlassen und in die Wälder zu gehen, um heilige Enthaltsamkeit zu üben. Doch ich bin so unglücklich, denn ich habe keinen Sohn! Was soll ich noch mit meinem Reich oder einem Segen?“

Und Krishna fuhr fort:
Nach diesen Worten des Königs zügelte der Muni seine äußeren Sinne und, immer noch unter dem Mangobaum im Schatten sitzend, trat er in die Yoga Meditation ein. Da fiel dem Muni eine saftige und von Vögeln unberührte Mangofrucht in den Schoß. Der Muni nahm sie in die Hand, sprach im Geist einige Mantras über ihr aus und gab sie dem König, damit er mit ihr unvergleichliche Kinder erhalten könne. Mit großer Weisheit sprach der Muni zum Monarchen: „Kehre in deine Stadt zurück, oh König. Dein Wunsch ist erfüllt, so laß ab davon, in den Wald zu gehen.“ Da ehrte der Monarch die Füße des weisen Muni und ging nach Hause zurück. Gemäß seines Versprechens an seine beiden Frauen gab er ihnen die Frucht. Und seine beiden schönen Königinnen teilten sich die Frucht und aßen sie auf. Und die Worte des Munis wurden wahr. Beide Königinnen empfingen nach dem Mahl. Als der König von ihrer Schwangerschaft erfuhr, wurde er sehr glücklich. Einige Zeit später brachten die beiden Frauen jeweils einen halben Säugling zur Welt. Jedes Kind hatte nur ein Auge, einen Arm, ein Bein, ein halbes Gesicht, einen halben Bauch und einen halben Rücken. Bei diesem Anblick zitterten die Mütter sehr. So berieten sich die hilflosen Schwestern ängstlich und beschlossen, die lebendigen Körperteile zu verstoßen. Ihre beiden Ammen hüllten also die halben Neugeborenen sorgfältig ein, schafften sie durch die Hintertür aus den inneren Gemächern, warfen die Körper hastig fort und kehrten schnell wieder heim.

Etwas später kam eine Rakshasa Frau namens Jara vorbei, welche von Fleisch und Blut lebte. Sie fand die an einer Kreuzung liegenden halben Säuglinge und nahm sie mit. Und das Schicksal wollte es, daß die Dämonin die beiden Teile vereinte, damit sie sich leichter tragen lassen. Sogleich formte sich ein stämmiges und quicklebendiges Kind. Mit vor Staunen geweiteten Augen konnte die Rakshasi plötzlich das Kind mit dem festen Körper und der Kraft des donnernden Blitzes nicht mehr weitertragen. Das Kind jedoch schob sich die kupferrote Faust in den Mund und begann so gräßlich zu brüllen, als ob sich Donner aus regenschweren Wolken entlädt. Von diesem Klang alarmiert kamen die Bewohner des Palastes mit ihrem König herbei gelaufen. Auch die bereuenden Königinnen mit ihren Brüsten voller Milch kamen, um ihre Kinder wiederzufinden. Als die Rakshasi die Königinnen in diesem Zustand sah, dann den König, welcher sich so sehnsüchtig einen Sohn wünschte, und auch das überaus starke Kind, da überlegte sie sich: „Ich lebe im Reich eines Königs, welcher sich Nachkommen wünscht. Es steht mir daher nicht zu, das neugeborene Kind eines so ruhmreichen und tugendhaften Monarchen zu töten.“ Da nahm die Rakshasi einen menschliche Form an und, das Kind in ihren Armen haltend, sprach sie zum König: „Oh Vrihadratha, dies ist dein Kind. Nimm es, wie ich es dir übergebe. Es wurde auf Geheiß des großen Brahmanen von deinen Frauen geboren. Von den Ammen weggeworfen, habe ich es beschützt.“

Krishna erzählte weiter:
Oh du Bester der Bharatas, als die beiden Töchter des Königs von Kasi das Kind wiederhatten, nährten sie es reichlich mit Strömen von Muttermilch. Als der König dies sah, war er überglücklich und sprach zu der Dämonin in ihrer menschlichen Gestalt und ihrem goldglänzenden Gesicht: „Oh du mit dem Antlitz der Lotusblüte, wer bist du, daß du mir mein Kind zurück gibst? Oh du Glückspendende, du scheinst mir eine Göttin zu sein, die hier nach Belieben waltet.“


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter