Pushpak Mahabharata Buch 15Zurück WeiterNews

Kapitel 10 – Die Antwort der Menge

Vaisampayana sprach:
Für eine Weile standen die Menschen wie ohnmächtig, und Dhritarashtra hörte die erstickten Seufzer in der schweigenden Menge. Noch einmal bat er:
Ihr besten Menschen, ich bin alt, ohne Söhne, mit traurigem Herzen in Klagen versunken mit meiner Gattin, und habe die Erlaubnis meines Lehrers Vyasa und die des pflichtbewußten Yudhishthira, mich in den Wald zurückzuziehen. Ich und Gandhari bitten euch noch einmal mit gebeugten Häuptern um den Abschied. Ihr Gerechten, gewährt ihn uns nun.

Nach diesen mitleiderregenden Worten ihres Königs begannen alle zu weinen. Mit ihren Händen oder Kleidern bedeckten sie ihre Gesichter und weinten in brennendem Kummer wie Väter oder Mütter (um ihre Kinder weinen würden). Ohne jeden anderen Gedanken brannte in ihren Herzen die Verzweiflung Dhritarashtras, wegen der er die Welt verlassen wollte. Manchen gelang es, ihr bewegtes Herz ein wenig zu beruhigen, und sie sprachen zueinander. Ein Brahmane in der Menge wurde einmütig auserwählt, für sie zu sprechen und dem alten Monarchen zu antworten.

Sein Name war Samba, er war gelehrt, ein Meister der Rigveda und von gutem Betragen. Klug wandte er sich in vollem Einklang mit der Menge an den alten König mit diesen Worten:
Oh Monarch, die Antwort der Menge wurde mir übertragen, und ich werde sie dir zu Gehör bringen, oh Held. Empfange sie, oh König. Was du Frommer sagst, ist alles wahr. Nichts darin ist unwahrhaft. Du wünschst unser Wohl und wir das deine. Im Geschlecht dieser Könige war keiner, dessen Herrschaft unbeliebt gewesen wäre. Ihr habt wie Brüder oder Väter für uns gesorgt. König Duryodhana hat uns niemals verletzt. Folge den Worten des Asketen Vyasa mit der gerechten Seele. Er ist unser höchster Lehrer. Doch ohne dich, oh Monarch, werden wir trauern, denn die Erinnerung an deine Vielzahl von Tugenden erfüllt uns. Von Duryodhana wurden wir ebenso beschützt, wie von Shantanu, oder Chitrangada, deinem Vater, dem der Heldenmut von Bhishma zur Verfügung stand, oder von Pandu, dessen Taten alle von dir geprüft wurden. Dein Sohn hat uns nichts Böses angetan. Wir haben ihm ebenso vertraut wie unserem Vater. Du weißt ja, wie unser Leben war. Genauso glücklich ist unser Leben unter Yudhishthira, dem klugen und weisen Sohn der Kunti. Er führt reiche Opfer aus und folgt dem Verhalten der königlichen Weisen von einst, wie Kuru, Samvara, Bharata und andere kluge und verdienstvolle Könige deines Geschlechts. An Yudhishthiras Herrschaft gibt es nicht das Geringste, was zu tadeln wäre, wie wir auch von dir regiert und beschützt glücklich lebten. Keiner kann das Gegenteil behaupten. Und was du über Duryodhana in Sachen Vernichtung der Kshatriyas gesagt hast, da bitte ich dich, höre folgendes von mir an.

Und der Brahmane fuhr fort:
Die Vernichtung der Kurus wurde weder von dir noch von Duryodhana, Karna oder Shakuni verursacht. Wir wissen, daß dies das unaufhaltbare Schicksal war. Wahrlich, das Schicksal kann durch keine menschliche Anstrengung abgewendet werden. Achtzehn Akshauhinis an Truppen wurden aufgebracht, und in achtzehn Tagen wurden sie von den besten Kuru Kriegern vernichtet, wie Drona, Bhishma, der hochbeseelte Karna, der heldenhafte Satyaki, Dhrishtadyumna und die vier Pandu-Söhne Bhima, Arjuna und die Zwillinge. Solch umfassende Vernichtung wäre nie ohne den Einfluß des Schicksals möglich gewesen. Es ist die Aufgabe von Kshatriyas, Feinde zu vernichten und in der Schlacht dem Tod ins Auge zu sehen. Und so wurde die Erde mitsamt den Wagen, Pferden und Elefanten von den waffengeübten und mächtigen Kriegern verwüstet. Dein Sohn war nicht die Ursache dieser Katastrophe, noch warst du es, Karna oder Shakuni. Die Vernichtung der Abertausend hat das Schicksal hervorgebracht. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Du wirst als Guru und Meister der Welt erachtet. Wir sprechen nun vor dir deinen hochbeseelten Sohn frei. Möge dieser Held mit allen seinen Verbündeten in die Regionen der Helden eingehen. Möge er mit Erlaubnis der höchsten Brahmanen im Himmel glückselig sein.

Und auch du sollst großen Verdienst und beständige Tugend erwerben. Oh du mit den vorzüglichen Gelübden, folge den Pflichten der Veden. Es ist nicht nötig für dich, sich um die Pandavas zu sorgen. Sie sind in der Lage, sogar den Himmel zu regieren. Ob in Glück oder Elend, die Bürger dieses Königreichs werden den Pandavas folgen, denn sie ziert ihr Verhalten. Yudhishthira beschenkt immer die Zweifachgeborenen mit wertvollen Gaben in den Opfern und Sraddhas, wie es die großen Könige vor langer Zeit taten. Er ist hochbeseelt, mild, gezügelt und immer großzügig wie ein zweiter Kuvera. Er hat große Minister an seiner Seite. Und er hat Mitgefühl sogar für den Feind. In ihm, oh Bester der Bharatas, finden wir das reinste Verhalten. Mit großer Klugheit ist er gerecht und vorwärtsstrebend in allen Handlungen und beschützt uns wie ein Vater seine Kinder. Die Verbindung mit dem Sohn des Dharma, Bhima, Arjuna und den Zwillingen wird uns niemals Übles bescheren, oh königlicher Weiser. Sie sind gütig zu den Gütigen, und zerstörerisch wie Schlangengift zu den Grausamen. Mit großer Energie sind sie immer dem Wohl deines Volkes gewidmet. Weder Kunti, noch Draupadi, Ulupi oder Subhadra werden dem Volk irgendein Übel antun. Deine Zuneigung zu uns, die wir in Yudhishthira in noch größerem Maße sehen, wird von den Menschen in Stadt und Land niemals vergessen werden. Die Söhne der Kunti werden uns immer beschützen und hegen, denn sie sind der Gerechtigkeit hingegeben. So vertreib alle Sorgen aus deinem Herzen, oh König, und widme dich nun allen verdienstvollen Taten, oh bester Mann.

Vaisampayana fuhr fort:
So sprach der kluge Brahmane, und die Menge lobte seine Worte mit zustimmenden Rufen wie „Exzellent! Hervorragend!“. Auch Dhritarashtra freute sich sehr, und entließ nach und nach die Menschen, die sich versammelt hatten. Vom Volk geehrt und mit glückverheißenden Blicken bedacht, faltete der alte König seine Hände und ehrte ebenso die Menge. Dann zog er sich mit Gandhari in die inneren Gemächer zurück. Höre nun, was er am nächsten Morgen tat.


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