Pushpak Mahabharata Buch 14Zurück WeiterNews

Kapitel 80 – Arjuna wird wiederbelebt

Vaisampayana erzählte:
Die Dame mit den Augen wie Lotusblüten kam, sah und versank in mitleiderregendes Klagen. Der brennende Kummer ließ auch sie erst einmal ohnmächtig zu Boden sinken. Als sie wieder zu sich kam, sah sie Ulupi, die Tochter des Schlangenkönigs, in ihrer himmlischen Schönheit, und sprach zu ihr:
Schau nur, Ulupi, wie unser immer siegreicher Ehemann durch dich von meinem jugendlichen Sohn im Kampf besiegt wurde. Bist du mit den ehrenwerten Pflichten im Leben bekannt? Bist du eine ergebene Gattin? Es geschah durch dich, daß dein Ehemann darniederliegt. Wenn dich Arjuna in irgendeiner Weise beleidigt hat, dann vergib ihm. Ich flehe dich an, gib diesem Helden sein Leben wieder. Oh gerechte Dame, du kennst alle Tugenden und bist gesegnet, dafür in den drei Welten bekannt zu sein. Wie konntest du dafür sorgen, daß dein Gatte in der Schlacht vom eigenen Sohn besiegt wird? Und nun zeigst du nicht einmal Trauer? Oh Tochter des Schlangenkönigs, ich verzweifle nicht so sehr wegen meines geschlagenen Sohnes. Doch mir brennt der Kummer im Herzen wegen meines Ehemannes, der solche Feindschaft von seinem Sohn empfing.

Nach diesen Worten zur königlichen Ulupi ging Chitrangada zu Arjuna und sprach zum leblos Liegenden:
Erhebe dich, geliebter Herr, du nimmst den besten Platz in der Liebe des Kuru Königs Yudhishthira ein. Hier ist dein Pferd. Ich habe es für dich freigelassen. Und du solltest ihm folgen und es beschützen. Warum liegst du so still auf der Erde? Mein Lebensatem hängt von dir ab, oh Freude der Kurus. Wie kann es sein, daß ein Spender von Lebensatem für andere selbst seinen Atem aufgegeben hat? Oh schau nur, Ulupi, wie dein Ehemann hier liegt! Warum trauerst du nicht, wo er doch von seinem Sohn getötet wurde, nachdem du ihn dazu angetrieben hast? Ist es wirklich angemessen, daß der Junge der Macht des Todes unterliegen sollte und hier Seite an Seite mit seinem Vater liegt? Oh möge der Held Arjuna mit den rötlichen Augen zurück ins Leben kommen. Oh gesegnete Dame, mit mehreren Frauen zu verkehren ist kein Makel für Männer. Nur Frauen begehen eine Sünde, wenn sie mehrere Ehemänner nehmen. So hege keine Rachegelüste gegen den guten Mann. Deine Verbindung mit ihm hat die höchste Gottheit bestimmt. Sie ist ewig und unvergänglich. So handle nach dieser Verbindung mit Arjuna und laß sie weiter bestehen. Wenn du deinen von deinem Sohn geschlagenen Ehemann nicht sofort das Leben wiedergibst, dann werde auch ich meinen Lebensatem aufgeben. Zweifle nicht daran. Ich werde vom Kummer überwältigt und ohne Gatte und Sohn im Praya sitzen, bis mich das Leben verläßt.

Und sogleich handelte die Königin Chitrangada nach ihren Worten und setze sich im Praya nieder. Sie hörte auf zu weinen, nahm die Füße ihres Ehemannes in ihren Schoß, seufzte schwer, schwieg und wünschte sich ebensosehr, daß auch ihr Sohn sich wieder regen würde.

Diesem kam auch einige Zeit später das Bewußtsein wieder, und er erblickte seine Mutter in dieser Position. Sanft und traurig sprach er zu ihr:
Was kann schmerzlicher sein, als der Anblick meiner sonst im Luxus lebenden Mutter, wie sie hier auf dem harten Boden neben ihrem heldenhaften Ehemann sitzt? Weh, ich habe den Besten aller Bogenschützen und Feindevernichter geschlagen. Und nun zeigt es sich mir deutlich, daß die Menschen nicht sterben, bevor ihre Stunde kommt, denn sonst würden ich und meine Mutter jetzt vor Kummer sterben. Ach, unsere Herzen sind wohl zu hart, denn sie brechen nicht in tausend Stücke beim Anblick des leblosen Helden mit der breiten Brust. Seine goldene Rüstung liegt zerstückelt neben ihm, den ich, sein Sohn, absichtlich geschlagen habe. Ach und weh, schaut nur, ihr Brahmanen, wie der Sohn den Vater schlug. Jetzt liegt er auf dem Bett für Helden! Welchen Nutzen hatten nun diese Brahmanen, die ausgesandt waren, den Helden zu beschützen? Mögen sie mir sagen, welcher Sühne ich mich unterziehen soll, nun, nachdem ich grausamer und sündiger Lump meinen eigenen Vater schlug. Ich Elender sollte mit Dreck beschmiert über die Erde wandern und mich nur mit seiner Haut bedecken, denn ich bin grausam. Gebt mir die beiden Kopfhälften meines Vaters zu tragen, denn für mich Sünder gibt es keine andere Sühne. Schau, oh Tochter des Schlangenkönigs, deinen Ehemann, wie ich ihn schlug. Ich habe dir damit wohl Gutes getan. Doch ich folge noch heute seinen Spuren, so sei beruhigt und glücklich, oh gesegnete Dame. Du wirst sowohl den Träger von Gandiva als auch mich in der Umarmung des Todes erblicken, denn ich kann mich nicht trösten. Das schwöre ich dir.

Nach diesen Worten berührte der Jüngling Wasser und rief schmerzgepeinigt:
Mögen mich alle Wesen hören! Höre auch du mich, Mutter. Ich sage die Wahrheit, oh beste Tochter des Schlangenkönigs. Wenn sich dieser Beste aller Männer, mein Vater, nicht wieder vom Boden erhebt, dann bleibe ich hier sitzen und hungere mich zu Tode. Eine andere Rettung gibt es nicht für mich als Vatermörder. Diese Sünde läßt mich sicher in die Hölle sinken. Wer einen heldenhaften Kshatriya tötet, kann sich mit der Gabe von hundert Kühen reinigen. Doch ich habe meinen Vater getötet, und vor dieser Sünde gibt es keine Rettung. Er ist Arjuna, der Sohn des Pandu, der Held mit der gewaltigen Energie und der gerechten Seele, der Schöpfer meines Wesens. Wie kann ich von der Sünde erlöst werden, ihn getötet zu haben?

So klagte der hochbeseelte Sohn von Arjuna, berührte nochmals Wasser und blieb dann still mit dem Schwur in seinen Gedanken, sich selbst zu Tode zu hungern.

Vaisampayana fuhr fort:
Dies war der Moment, in dem Ulupi an das Juwel dachte, welches einen toten Menschen zum Leben erwecken kann. Und das Juwel, diese große Zuflucht der Schlangen, kam zu ihr. Sie hob es auf und sprach folgende Worte, welche alle Anwesenden mit freudigster Hoffnung erfüllten:
Erhebe dich, mein Sohn, und klage nicht. Dein Vater wurde nicht von dir besiegt, denn der Held ist unbesiegbar von Menschen und Göttern, selbst wenn Indra sie anführen würde. Ich habe diese Illusion, welche deine Sinne betäubte, zum Wohle Arjunas hervorgerufen, deines ruhmreichen Vaters. Um deinen Heldenmut zu prüfen kam der Held hierher, und daher drängte ich dich zum Kampf. Glaube nicht einen Moment, daß du nur den kleinsten Fehler begangen hast, als du seine Herausforderung annahmst, oh tugendhafter König. Dein Vater ist ein Rishi mit mächtiger Seele, ewig und unzerstörbar. Selbst Indra kann ihn nicht in der Schlacht vernichten, mein Sohn. Sieh dieses himmlische Juwel in meiner Hand. Es belebt die Schlangen, so oft sie auch sterben mögen. Lege es auf die Brust deines Vaters, oh frommer König. Und du wirst deinen Vater mit neuem Leben erfüllt sehen.

Voller Zuneigung zu seinem Vater folgte der Prinz, der keine Sünde begangen hatte, den Worten Ulupis, und in Arjuna regte sich sofort das Leben. Er öffnete seine Augen und erhob sich, als ob er nur geschlafen hätte. Voller Freude ehrte Vabhruvahana seinen Vater, als er ihn in vollem Bewußtsein und äußerst gelassen fand. Indra ließ himmlische Blumen regnen auf den vom Tode Auferstandenen, und Kesselpauken ertönten so tief wie Donnergrollen im Himmel, obwohl weder Instrument noch Musiker zu sehen waren. Im Himmel erhoben sich Stimmen: „Exzellent! Exzellent!“, und Arjuna umarmte seinen Sohn und roch an dessen Haupt. Dann erblickte er die Mutter seines Sohnes, wie sie immer noch blaß am Boden saß.

Und Arjuna fragte:
Warum zeigt hier jeder so verwirrende Anzeichen von sowohl Kummer, als auch Staunen und Freude? Wenn dir der Grund bekannt ist, oh Feindebezwinger, so erkläre ihn mir. Warum kam deine Mutter zum Schlachtfeld? Und warum ist Ulupi hier? Ich weiß, daß du auf mein Gebot hin mit mir gekämpft hast. Warum sind die Damen hier am Ort des Kampfes?

Da beugte der kluge Herrscher von Manipura sein Haupt und antwortete demütig, seinen Vater erfreuend:
Mögest du Ulupi diese Frage stellen.


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