Pushpak Mahabharata Buch 13Zurück WeiterNews

Kapitel 47 - Die Verteilung der Erbschaft

Yudhishthira sprach:
Du bist mit den Geboten aller heiligen Schriften höchst bekannt und der Erste aller Kenner der königlichen Aufgaben. Du wirst in der ganzen Welt als ein großer Erlöser von Zweifeln gefeiert. So erkläre mir auch meine Zweifel, oh Großvater! Zu diesen Fragen, die in meinem Geist entstanden sind, werde ich keinen anderen als dich um eine Lösung bitten. Bitte erkläre mir, oh Starkarmiger, wie sich ein Mensch verhalten sollte, der den Pfad der Pflicht und Gerechtigkeit gehen möchte. Es wird gesagt, oh Großvater, daß ein Brahmane vier Ehefrauen nehmen kann, nämlich eine aus seiner eigenen Kaste, eine Kshatriya, eine Vaisya und eine Shudra Frau, wenn der Brahmane den Wunsch nach Nachkommenschaft hegt. Sage mir, oh Bester der Kurus, wer unter seinen Söhnen es verdient, den Reichtum des Vaters zu erben? Wem unter ihnen, oh Großvater, gehört welcher Anteil des väterlichen Reichtums? Das wünsche ich zu hören.

Bhishma sprach:
Brahmanen, Kshatriyas und Vaisyas gelten als die drei zweifachgeborenen Kasten. In diesen drei Kasten zu heiraten, wurde den Brahmanen als Gebot bestimmt, oh Yudhishthira. Nur durch Unwissenheit, Habgier oder Lust nimmt ein Brahmane eine Shudra Ehefrau, oh Feindevernichter. Eine solche Ehefrau entspricht nicht den Geboten der heiligen Schriften. Ein Brahmane, der eine Shudra Frau in sein Bett zieht, wird in der kommenden Welt fallen. Wenn er so gehandelt hat, sollte er Sühne nach den rechten Riten üben. Diese Sühne muß doppelt so groß sein, oh Yudhishthira, wenn der Brahmane dadurch auch Nachkommenschaft gezeugt hat. Doch nun werde ich dir erzählen, oh Bharata, wie der väterliche Reichtum (unter den Kindern der verschiedenen Gattinnen) verteilt werden soll. Der Sohn der Brahmanen-Ehefrau sollte an erster Stelle vom Reichtum seines Vaters einen guten Stier und den besten Wagen erhalten. Was dann noch übrigbleibt vom Eigentum des Brahmanen, oh Yudhishthira, sollte in zehn gleiche Teile geteilt werden. Der Sohn der Brahmanen-Ehefrau bekommt vier solcher Teile des väterlichen Erbes. Der Sohn der Kshatriya-Ehefrau, der zweifellos auch den Status eines Brahmanen hat, sollte aufgrund der Abstammung seiner Mutter nur drei Anteile bekommen. Dem Sohn der Vaisya-Ehefrau gehören dann zwei von den drei restlichen Anteilen des väterlichen Erbes. Eigentlich sagt man, daß der Sohn einer Shudra-Ehefrau des Brahmanen keinen Anteil empfangen sollte, weil er nicht erbberechtigt ist. Doch ein wenig sollte ihm aus Mitgefühl auch gegeben werden, und so mag er den letzten Anteil empfangen. Das ist das Gebot, wie die zehn Anteile des Reichtums eines Brahmanen vererbt werden sollten. Alle Söhne, die von derselben Mutter oder von den Müttern derselben Kaste geboren wurden, sollen auch gleiche Anteile bekommen. Der Sohn einer Shudra-Ehefrau empfängt jedoch nicht den Status eines Brahmanen, weil er als ungelehrt (in den heiligen Schriften und Riten) gilt. Nur jene Kinder, die von Ehefrauen aus den drei höheren Kasten geboren werden, gelten als Brahmanen. Man spricht immer nur von vier Kasten, und eine fünfte gibt es nicht. Deshalb mag der Sohn einer Shudra-Ehefrau den zehnten Teil des Reichtums seines Vaters empfangen, aber nur, wenn er ihm ausdrücklich von seinem Herrn gegeben wurde. Das sollte die Regel sein, oh Bharata. Denn das Mitgefühl ist eine der höchsten Tugenden. Und aus Mitgefühl sollte der Sohn der Shudra-Ehefrau auch etwas bekommen. Was auch immer das Objekt des Mitgefühls ist, als eine Kardinaltugend ist es stets voller Verdienst. Doch unabhängig davon, wieviel Kinder der Vater hat, der Sohn einer Shudra-Ehefrau sollte nicht mehr als diesen zehnten Teil empfangen.

Wenn ein Brahmane zufällig mehr Reichtum hat, als notwendig ist, um sich und seine Familie für drei Jahre zu versorgen, dann sollte dieser Reichtum sowieso für Opfer verwendet werden. Denn ein Brahmane sollte niemals Reichtum um des Reichtums willen ansammeln. Die höchste Summe, die ein Mann seiner Ehefrau geben sollte, sind dreitausend Goldmünzen. Diesen Reichtum, den der Mann seiner Ehefrau gibt, kann sie beliebig verwenden. Nach dem Tod eines kinderlosen Mannes kann die Ehefrau seinen ganzen Reichtum genießen. Doch solange er lebt, sollte sie niemals (ohne Kenntnis ihres Mannes) einen Teil des Reichtums nehmen. Was auch immer an Reichtum, oh Yudhishthira, die Brahmanen-Ehefrau von ihrem Vater geschenkt bekam, sollte (nach ihrem Tod) von ihrer Tochter empfangen werden, weil die Tochter (für die Mutter) wie ein Sohn ist. Das bestätigen auch die heiligen Schriften, oh König. Auf diese Weise wurden die Gesetze über das Erbe bestimmt, oh Stier der Bharatas. Diese Ordnung bezüglich der Verteilung und Verwendung des Reichtums sollte bewahrt werden, und keiner sollte Reichtum ohne Vernunft erwerben.

Yudhishthira sprach:
Wenn der Sohn der Shudra-Ehefrau eines Brahmanen laut den heiligen Schriften nicht als erbberechtigt gilt, durch welche besondere Regel kann er dann den zehnten Teil des väterlichen Eigentums empfangen? Ein Sohn, der von einer Brahmanen-Ehefrau einem Brahmanen geboren wurde, ist zweifellos ein Brahmane. Der Sohn einer Kshatriya- oder Vaisya-Ehefrau erhält ebenfalls diesen Status. Warum, oh Bester der Könige, wird trotzdem das väterliche Erbe ungleich unter diesen Söhnen verteilt? Denn du hast sie alle als Brahmanen bezeichnet, die von den Müttern der drei höheren Kasten geboren wurden und den Titel „Zweifachgeborene“ tragen.

Bhishma sprach:
Oh Feindevernichter, alle Gattinnen in dieser Welt werden mit dem Namen Data bezeichnet. Doch obwohl dieser Name auf alle angewandt wird, gibt es doch große Unterschiede zu beachten. Wenn ein Brahmane drei Ehefrauen aus anderen Kasten geheiratet hat und danach eine Brahmanen-Ehefrau, dann verdient die letztere unter allen Ehefrauen doch den größten Respekt. Wahrlich, unter allen Ehefrauen, soll sie die Erste sein. In ihren Gemächern sollten all jene Artikel bewahrt werden, die für die Bäder des Mannes, seine Ausstattung sowie die Zahn- und Augenpflege notwendig sind. In ihren Gemächern sollte das Havya und Kavya (die Opfergaben für Götter und Ahnen) sowie alles andere bewahrt werden, was der Ehemann für die Ausführung seiner religiösen Riten benötigen könnte. Wenn eine Brahmanen-Ehefrau im Haus ist, ist keine andere Ehefrau berechtigt, sich um diese Bedürfnisse ihres Mannes zu kümmern. Nur die Brahmanen-Ehefrau, oh Yudhishthira, sollte bei diesen Riten ihres Mannes helfen. Essen, Getränke, Girlanden, Roben und Ornamente sollte der Mann von dieser Brahmanen-Ehefrau empfangen, weil sie die Erste in der Rangfolge all seiner Gattinnen ist. Dies sind die Gebote, die Manu aufgestellt hat, oh Freude der Kurus. Dies sieht man als ewige Tradition, oh Monarch. Wenn ein Brahmane von Begierde verführt auf andere Weise handelt, dann kann man ihn als gefallen und wie einen Chandala unter den Brahmanen betrachten. Der Sohn einer Kshatriya- oder Vaisya-Ehefrau wird bezüglich seines brahmanischen Status wie der Sohn einer Brahmanen-Ehefrau betrachtet. Darüber hinaus gibt es jedoch den Unterschied in der Überlegenheit der Brahmanen-Mutter aufgrund ihrer Geburt. Deshalb, oh Bester der Könige, sollte ihr Sohn als höher in der Rangfolge betrachtet werden und hat damit das Recht, die besten Besitztümer seines Vaters zu erben. Wohlstand, Königreich und Schatzkammer, oh Yudhishthira, gehören dem Kshatriya. Sie sind ihm bestimmt worden. Und wie man sieht, oh König, gehört ihm auch die ganze Erde mit ihrem Kranz aus Meeren. Durch das Befolgen der Aufgaben seiner Kaste erwirbt der Kshatriya eine umfassende Fülle und hält das Zepter des Königtums. Ohne den Kshatriya, oh König, kann es keinen Schutz geben. Die Brahmanen sind höchst gesegnet, weil sie die Götter auf Erden sind. So sollten die Kshatriyas den Geboten der großen Rishis folgen und die Brahmanen gemäß den traditionellen Riten verehren. Wahrlich, das ist ewiges Gebot. Die Kshatriyas beschützen den Besitz aller Menschen, der von Dieben und anderen Habgierigen begehrt wird. So sind sie die Grundlage für Reichtum, Familien und anderes Eigentum der Bewohner im Staat. Und als König ist der Kshatriya der Beschützer von allen. Deshalb wird man zweifellos begreifen, daß der Sohn der Kshatriya-Ehefrau höher im Rang steht, als der Sohn einer Vaisya-Ehefrau und damit auch den Anspruch auf einen größeren Anteil am väterlichen Erbe hat.

Yudhishthira sprach:
So hast du ordnungsgemäß die Regeln erklärt, die für Brahmanen gelten. Doch was sind die Regeln für die anderen Kasten?

Bhishma sprach:
Dem Kshatriya, oh Freude der Kurus, sind zwei Ehefrauen gestattet, wobei noch eine dritte Ehefrau aus der Shudra-Kaste hinzukommen kann. Eine solche Gewohnheit existiert, das ist wahr, aber sie entspricht nicht den heiligen Schriften. Dies sollte das Gebot bezüglich der Gattinnen eines Kshatriyas sein, oh Yudhishthira. Sein Erbe sollte in acht Anteile geteilt werden. Der Sohn der Kshatriya-Ehefrau sollte vier davon erhalten und der Sohn einer Vaisya-Ehefrau drei. Den letzten und achten Anteil kann der Sohn der Shudra-Ehefrau empfangen. Er sollte jedoch nur nehmen, was der Vater ausdrücklich gegeben hatte, sonst nichts.

Dem Vaisya ist nur eine Ehefrau bestimmt worden. Eine zweite Ehefrau kann aus der Shudra-Kaste genommen werden. Dies ist zwar üblich, aber entspricht ebenfalls nicht den heiligen Schriften. Wenn ein Vaisya jedoch zwei Ehefrauen hat, eine Vaisya und eine Shudra Frau, dann sollte es bezüglich ihre Rangfolge einen Unterschied geben. Der Reichtum eines Vaisya, oh Führer der Bharatas, mag dann in fünf Teile geteilt werden. Höre, wie diese unter den Söhnen eines Vaisya verteilt werden sollten. Der Sohn der Vaisya-Ehefrau erhält vier solche Anteile des Reichtums seines Vaters und der fünfte Anteil, oh Bharata, gilt als Gabe an den Sohn der Shudra-Ehefrau. Er soll aber nur nehmen, was ihm der Vater ausdrücklich gegeben hat, sonst nichts, denn der Sohn einer Shudra-Ehefrau mit einem Mann aus den drei höheren Kasten gilt offiziell als unberechtigt für einen Erbteil seines Vaters.

Der Shudra sollte nur eine Ehefrau aus seiner eigenen Kaste haben und keine anderen Gattinnen. Und selbst, wenn er hundert Söhne mit dieser Gattin hat, sie alle teilen sich den Reichtum, den er zurückläßt. Denn das gilt für alle Kinder von Ehefrauen der eigenen Kaste, daß sie sich das Erbe ihres Vaters teilen. Der Anteil des ältesten Sohnes sollte dabei etwas größer sein, und er kann sich die besten Dinge seines Vaters nehmen. So ist das Erbgesetz, oh Sohn der Pritha, wie es vom Selbstgeborenen erklärt wurde.

Unter allen Kindern, die von einer Ehefrau aus der Kaste des Mannes geboren wurden, gibt es jedoch noch eine andere Unterscheidung, oh König. Bezüglich der Heirat sollten die älteren immer den jüngeren vorangehen. Ansonsten sind die Gattinnen in der Kaste ihrer Geburt alle gleich und die Kinder ebenfalls. Nur der Erstgeborene sollte einen größeren Anteil nehmen als seine anderen Brüder. Und unter den Gattinnen aller Kasten gelten jene im Rang als höher, die aus derselben Kaste wie ihr Ehemann stammen. Das ist es, was der große Rishi Kasyapa einst dem Sohn von Marichi erklärt hatte.


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