Pushpak Mahabharata Buch 13Zurück WeiterNews

Kapitel 44 - Die Ehe und die Bedeutung der Mitgift

Yudhishthira sprach:
Belehre mich jetzt bitte, oh Großvater, über die grundlegendste aller Aufgaben, welche die Basis für Verwandtschaft, Häuslichkeit, Ahnen und Gäste ist. Ich denke, diese sollte als die Erste aller Aufgaben betrachtet werden (nämlich das Heiraten). Erkläre mir auch, oh König, an welche Männer man seine Töchter geben sollte.

Und Bhishma sprach:
Nachdem sie sich über sein Verhalten, seine Gesinnung, Gelehrtheit, Beruf, Geburt und Taten erkundigt haben, sollten gute Eltern ihre Tochter an einen würdigen Bräutigam geben. Alle rechtschaffenen Brahmanen, oh Yudhishthira, handeln auf diese Weise. Dies ist als die Brahma-Ehe bekannt, oh Yudhishthira. Wenn jedoch der Vater des Mädchens den richtigen Bräutigam auswählt und ihn durch verschiedene Geschenke veranlaßt, seine Tochter zu heiraten, dann nennt man das eine Kshatriya-Ehe, die von allen guten Kshatriyas als ewige Tradition geachtet wird. Wenn der Vater des Mädchens seine eigenen Wünsche zurückstellt und seine Tochter an den Jüngling gibt, den sie besonders mag und der die Gefühle des Mädchens erwidert, wird diese Form von den Vedengelehrten eine Gandharva- Ehe genannt, oh Yudhishthira. Wenn dagegen das Mädchen verheiratet wird, nachdem sie für viel Reichtum verkauft und damit die Habgier ihrer Angehörigen befriedigt wurde, dann sprechen die Gelehrten von einer Asura-Ehe. Wenn die aufgebrachten Angehörigen im Kampf zurückgeschlagen werden, und der Bräutigam das Mädchen gewaltsam entführt, dann spricht man von einer Rakshasa-Ehe, oh Sohn. Von diesen fünf gelten drei als rechtschaffen, oh Yudhishthira, und zwei als ungerecht. Die Rakshasa- und Asura-Ehen sollten vermieden werden. Die Brahma, Kshatriya und Gandharva-Formen der Ehe gelten dagegen als rechtschaffen, oh König der Menschen. Rein oder gemischt, diese Formen sollten zweifellos bewahrt werden. Ein Brahmane kann bis zu drei Ehefrauen nehmen, ein Kshatriya zwei und ein Vaisya sollte nur eine Ehefrau aus seiner eigenen Kaste heiraten. Die Kinder dieser Ehefrauen sollten alle als gleichrangig betrachtet werden. Von den drei Ehefrauen eines Brahmanen gelten die Kinder aus seiner eigenen Kaste als die besseren. Das gleiche gilt für die zwei Ehefrauen, die dem Kshatriya erlaubt sind. Manche sagen, daß sich die drei höheren Kasten allein zum Zwecke des Vergnügens Ehefrauen aus der Shudra Kaste nehmen können. Die Tugendhaften verbieten jedoch diese Praxis und verurteilen das Zeugen von Nachkommenschaft mit Shudra Frauen. Ein Brahmane, der mit einer Shudra Frau Kinder zeugt, muß sich von dieser Sünde wieder reinigen. Ein Mann von dreißig Jahren sollte ein Nagnika Mädchen (ohne die Zeichen der Pubertät) von zehn Jahren heiraten. Ein Mann von einundzwanzig Jahren sollte entsprechend ein sieben Jahre altes Mädchen ehelichen. Ein Mädchen, das weder Bruder noch Vater hat, sollte nicht geheiratet werden, oh Führer der Bharatas, weil sie als Putrika ihres Vaters gilt (Sohnersatz, um die nötigen Ahnenriten auszuführen). Nachdem die äußeren Zeichen der Pubertät erschienen sind, sollte ein unverheiratetes Mädchen drei Jahre auf die Ehe warten, und ab dem vierten Jahr sollte sie selbst nach einem Ehemann suchen (ohne länger auf die Wahl eines Bräutigams durch ihre Angehörigen zu warten). Die Nachkommenschaft solch eines Mädchens verliert damit ihre Würde nicht, noch gilt die Vereinigung mit ihr als tadelnswert. Wenn sie sich unter solchen Umständen keinen Ehemann sucht, dann trifft sie der Tadel von Prajapati selbst. Ein Mann sollte niemals ein Mädchen heiraten, das aus der Familie seiner Mutter oder seines Vaters stammt. Das ist das ewige Gesetz, das Manu verkündet hat.

Yudhishthira sprach:
Mit dem Wunsch nach der Ehe geben manche eine Mitgift an die Angehörigen des Mädchens, die bereits anderweitig eine Mitgift empfangen und ihre Tochter versprochen haben. Andere sagen sich: „Ich werde das Mädchen gewaltsam entführen!“ Andere zeigen nur ihren Reichtum und versprechen fälschlicherweise eine Mitgift, und andere nehmen die Hand des Mädchens mit den rechten Riten der Hochzeit. Ich frage dich, oh Großvater, wessen Ehefrau sollte das Mädchen werden? Denn für jene, die nach Wahrheit suchen, bist du das Auge mit der klaren Sicht.

Bhishma sprach:
Die Taten, welche für die Menschen nach Beratung mit den Weisen genehmigt oder geboten werden, kann man als heilsam und günstig betrachten. Eine Lüge ist immer sündhaft. Das heiratende Mädchen selbst, ihre Kinder sowie die Priester, Lehrer und Schüler, die an der Hochzeit beteiligt waren, müssen alle dafür büßen, wenn das Mädchen ihre Hand einem anderen Mann schenkt, außer jenem, dem sie die Ehe versprochen hatte. Mögen manche auch anderer Meinung sein, aber Manu selbst lobt ein solches Verhalten nicht, wie auch die Ehe zwischen Partnern, die sich nicht mögen. Eine solche Ehe führt zu Schande und Sünde, ausgenommen, wenn ein gewaltsam entführtes Mädchen dem Entführer von ihren Angehörigen mit den rechten Riten in die Ehe gegeben wird, sowie ein Mädchen, für das die Mitgift bezahlt und akzeptiert wurde. In diesen Fällen gibt es keine große Sünde. Für die Angehörigen eines Mädchens, die ihre Zustimmung ausgedrückt haben, sollten Mantras und Opfer dargebracht werden. Diese werden ihren Zweck wahrlich erfüllen. Solche Mantras und Opfer haben jedoch keinen Sinn, wenn das Mädchen von ihren Angehörigen nicht gegeben wurde. Die Entscheidung der Angehörigen eines Mädchens ist zweifellos bindend und heilig. Aber die Entscheidung von Braut und Bräutigam mithilfe von Mantras ist noch bedeutender (denn sie prägt die Beziehung in der Ehe). Gemäß den Geboten der heiligen Schriften sollte der Mann seine Ehefrau als Frucht seiner eigenen Taten vorheriger Leben oder als Bestimmung Gottes betrachten. In diesen Fällen sollte es keinen Vorwurf geben, wenn man ein Mädchen heiratet, das von ihren Angehörigen bereits einem anderen versprochen wurde oder für die bereits eine Mitgift von einem anderen empfangen wurde.

Yudhishthira sprach:
Wenn nach der Annahme der Mitgift für ein Mädchen ihr Vater einen würdigeren Mann trifft, der um ihre Hand anhält und mit den drei Ansammlungen im Leben in vernünftigen Verhältnissen begabt wurde: Ist dieser Vater dann tadelnswert, wenn er den ersten Verehrer zurückweist, von dem er bereits die Mitgift empfangen hat, um den besseren zu bevorzugen? In solch einem Fall scheint mir jede Alternative voller Schuld zu sein, weil das Brechen eines Versprechens untugendhaft ist, aber auch das Zurückweisen eines Bräutigams, der die Braut mehr verdient. So frage ich dich, wie sich der Vater verhalten sollte, um das zu tun, was gut und nützlich ist? Das scheint uns eine große Herausforderung für die Vernunft zu sein. So sind wir bestrebt, die Wahrheit zu erfahren. Du bist unser Auge der Wahrheit. Deshalb belehre uns, denn ich werde von deinen Lehren nie übersättigt.

Bhishma sprach:
Das Geschenk der Mitgift allein bedeutet noch keine Bindung des Mädchens als Ehefrau. Das sollte jedem wohlbekannt sein, der sie bezahlt. Er kauft damit das Mädchen nicht, und tugendhafte Eltern verkaufen ihre Tochter auch niemals für eine Mitgift, die andere anbieten. Wenn der Verehrer nicht mit solchen Qualitäten begabt ist, wie sie sich für ihre Tochter wünschen, dann fordern manche Angehörigen eine entsprechende Mitgift. Der Vater jedoch, der von den Qualitäten eines Bräutigams überzeugt ist, der sagt: „Heirate meine Tochter, aber statte sie mit genügend Schmuck, Gold oder Edelsteinen aus!“ Und wenn er damit einverstanden ist, dann kann man nicht behaupten, daß eine Mitgift gefordert oder das Mädchen verkauft wurde. Die Gabe einer Tochter nach Geschenken, die für beide annehmbar sind, ist die ewige Tradition. Manche Väter sagen bezüglich der Ehe: „Ich werde meine Tochter nicht an den oder den geben!“. Manche sagen: „Ich werde meine Tochter nur dem einen geben!“ Und manche sagen vehement: „Ich muß meine Tochter unbedingt einem geben, der so und so ist!“ Solche Absichten sind nicht bindend für die Ehe. Man sieht überall, wie die Leute einander um die Hand ihrer Jungfrauen bitten (mit Versprechungen und Rückzügen). Bis die Hand der Braut nicht mit den rechten Riten genommen wurde, kann eine Ehe nicht als abgeschlossen gelten. Wir hörten, daß eben dies der Segen war, welcher den Menschen in alten Zeiten von den Maruts bezüglich der Jungfrauen gewährt wurde (damit es in diesen Fragen keinen Streit gebe). Die Rishis haben allen Menschen das Gebot gegeben, daß Jungfrauen nicht an Männer verheiratet werden sollten, die sehr unpassend oder unwürdig sind. Denn die Tochter ist die Wurzel der Wünsche und der Nachkommen in der Nebenlinie. Das ist es auch, was ich denke. Die Tradition des Verkaufens und Kaufens von Töchtern kennen die Menschen allerdings schon seit langer Zeit. Doch trotz dieser Gewohnheit solltest du sorgfältig darüber nachdenken, und du wirst unzählige Fehler und Probleme darin finden. Das Geben oder die Annahme der Mitgift allein kann noch nicht als geschlossene Ehe zwischen Mann und Frau betrachtet werden.

Höre, was ich weiter zu diesem Thema spreche. Früher, als ich die Magadhas, Kasis und Kosalas besiegt hatte, brachte ich gewaltsam drei Jungfrauen für Vichitravirya mit. Eine von ihnen war jedoch an einen Bräutigam (durch ein Versprechen) gebunden. Die anderen beiden waren ungebunden. Ihre Mitgift bezahlte ich in Form der Tapferkeit im Kampf. Doch mein Onkel, König Valhika, sprach, daß ich die Jungfrau, die bereits gebunden war (Amba), wieder freilassen müsse, während die anderen beiden (Ambika & Ambalika) mit Vichitravirya mit den rechten Riten verheiratet werden sollten. Ich bezweifelte jedoch die Worte meines Onkels und wollte den Grund dafür erfahren, weil ich dachte, daß mein Onkel hinsichtlich der Moral äußerst pedantisch war. So befragte ich ihn noch einmal über die Traditionen von rechtschaffenen Leuten bezüglich der Ehe und sprach: „Oh Herr, ich wünsche die Wahrheit zu erfahren, wie sich die Rechtschaffenen in einer solchen Situation verhalten.“ Diese Frage wiederholte ich mehrfach, so groß war meine Wißbegierde. Und auf diese Frage antwortete mir Valhika, dieser Erste der Rechtschaffenen:

Wenn du der Meinung bist, daß der Status der Ehe vom Geben und Annehmen der Mitgift abhängt und nicht von den Hochzeitsriten, in denen die Hand der Jungfrau genommen wird, dann würde der Vater Prinzipien folgen, die nicht den gewöhnlichen Geboten entsprechen. Die Kenner von Tugend und Pflicht verneinen die Autorität solcher Behauptungen, die den Status einer Ehe vom Geben und Annehmen der Mitgift abhängig machen und nicht von den eigentlichen Riten der Hochzeit. Deshalb sagt man, daß eine Ehe geschlossen wird, wenn der Vater die Hand seiner Tochter mit den rechten Riten dem Bräutigam übergibt, und nicht durch Verkaufen und Kaufen. Wer die Eheschließung im Geben und Annehmen einer Mitgift sieht, der ist sicherlich in den heiligen Schriften unerfahren. Keiner sollte seine Tochter an eine solche Person geben. Das sind keine würdigen Männer, die eine Jungfrau heiraten sollten. Eine Ehefrau sollte nie gekauft werden, noch sollte ein Vater seine Tochter verkaufen. Nur sündhafte Personen, die darüber hinaus voller Habgier sind und denen gleichen, die Sklavinnen kaufen und verkaufen, betrachten eine Ehe durch das Geben und Annehmen einer Mitgift als geschlossen. Zu diesem Thema näherten sich einige Leute bei Gelegenheit dem Prinzen Satyavat und fragten:
Wenn der Geber einer Mitgift an die Angehörigen einer Jungfrau zufällig vor der Ehe stirbt, kann dann ein anderer Mann diese Jungfrau heiraten? In dieser Frage haben wir einige Zweifel. Bitte belehre uns, denn du bist mit großer Weisheit gesegnet und wirst von den Weisen verehrt. So sei das Auge unserer Sicht, da wir bestrebt sind, die Wahrheit zu erfahren.

Und Prinz Satyavat antwortete:
Die Angehörigen sollten die Jungfrau dem Bräutigam übergeben, den sie als würdig betrachten. Darüber sollte es keinen Zweifel geben. Die Rechtschaffenen handeln auf diese Weise, ohne den Geber der Mitgift bereits als Ehemann zu betrachten. Und wenn er sogar gestorben ist, dann sollte es gar keine Zweifel mehr geben. Manche sagen, daß sich eine jungfräuliche Ehefrau, die zur Witwe geworden ist, ohne die sexuelle Vereinigung vollzogen zu haben, mit dem jüngeren Bruder ihres Ehemannes oder ähnlichen Verwandten verbinden darf. Wenn der Ehemann noch vor der Begattung stirbt, kann sich die jungfräuliche Witwe entweder dem jüngeren Bruder ihres Mannes übergeben oder sich dem Weg der Entsagung widmen. Manche bezweifeln allerdings, daß eine solche Verbindung mit dem jüngeren Bruder des Ehemannes den heiligen Schriften entspricht und meinen, daß diese Praxis aus der Begierde entspringt. Wer so spricht, hat die klare Meinung, daß der Vater einer Jungfrau das Recht hat, sie einem würdigen Bräutigam zu geben, unabhängig von der Mitgift, die zuvor von einem anderen gegeben und angenommen wurde. Wenn die Hand einer Jungfrau versprochen wurde, bevor alle nötigen Riten der Ehe vollendet sind, kann sie immer noch einem anderen gegeben werden. In diesem Fall sammelt höchstens der Geber des Versprechens die Sünde der Lüge an. Die Jungfrau wird davon allerdings nicht betroffen. Erst die Mantras bezüglich der Eheschließung vollbringen das Ziel, nämlich die unauflösliche Verbindung der Ehepartner auf dem siebenten Schritt. So wird die Jungfrau schließlich zur Ehefrau von dem, der ihr das geweihte Wasser gibt. Eine Jungfrau sollte dabei, wie die Weisen sagen, wie folgt übergeben werden: Ein höherer Brahmane kann die Hochzeitszeremonie für eine Jungfrau ausführen, die einer passenden Familie angehört bezüglich Reinheit und Status, die von ihrem Bruder (bzw. Vater) weggegeben wird und selbst dazu bereit ist. Solch ein Mädchen sollte in der Gegenwart des heiligen Feuers mit den traditionellen Riten getraut werden, nachdem das Feuer in der üblichen Anzahl mehrfach umrundet wurde.


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