Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 337 - Das Opfer des Vasu und das Schauen des Narayana

Bhishma sprach:
Als nun im Laufe der Schöpfung der himmlische Vrihaspati im Stamme des Angiras geboren wurde, waren alle Götter höchst glücklich über ihren Lehrer und Hauspriester. Die Worte Vrihat, Brahma und Mahat deuten alle auf das Große hin. So wurde der Lehrer der Götter Vrihaspati genannt, weil er mit dieser Größe gesegnet war. König Vasu wurde ein Schüler von Vrihaspati und bald einer seiner besten. Als Schüler begann er zu den Füßen seines Lehrers jene Lehre zu studieren, welche die sieben Rishis verfaßt hatten, die als Chitrasikhandins bekannt sind. Mit einer Seele, die von allem Unheilsamen durch Opfer und andere religiöse Riten gereinigt wurde, herrschte er dann über die Erde wie Indra über den Himmel. Der berühmte König führte sogar ein großes Pferdeopfer durch, in dem sein Lehrer Vrihaspati der Oberpriester (Hota) war. Die drei Söhne des Prajapati (Brahma), Ekata, Dwita und Trita (abgeleitet von „Eins, Zwei und Drei“) waren die Beisitzer (Sadasyas) in diesem Opfer. Weitere Beisitzer waren Dhanusha, Raivya, Arvavasu, Paravasu, der Rishi Medhatithi, der große Rishi Tandya, der selige Rishi Santi, der auch Vedasiras genannt wurde, sowie Kapila, der Erste der Rishis und Vater von Salihotra, die mächtigen Katha und Taittiri, der ältere Bruder von Vaisampayana, sowie Kanwa und Devahotra als Sechzehnter. In diesem großen Opfer, oh Monarch, wurde alles Notwendige vollbracht ohne irgendwelche Tiere zu schlachten. Dies hatte der König so bestimmt, der voller Mitgefühl war. Mit einem reinen und toleranten Geist hatte er jegliche Begierde überwunden und war in allen Riten wohlerfahren. Als Opfergaben dienten die Produkte aus Wald und Feld, und der uralte Gott der Götter (Hari) war höchst zufrieden mit dem König und seinem Opfer. Doch diese Gottheit kann von niemandem gesehen werden, denn Er offenbart sich nur dem, der Ihm völlig hingegeben ist. So akzeptierte Narayana das ihm dargebrachte Opfer, indem er den Duft einatmete. Damit nahm die Gottheit das Opfer an, ohne daß es irgend jemand sehen konnte. Darüber war Vrihaspati verärgert. Er ergriff den Schöpflöffel, schwang ihn kraftvoll gen Himmel und brach vor Zorn in Tränen aus. So sprach er zu König Vasu:
Hier habe ich die Opfergabe für Narayana dargebracht. Zweifellos, er hätte sie vor meinen Augen annehmen sollen.

Da fragte Yudhishthira:
Wenn im großen Opfer des Vasu alle Götter in ihren jeweiligen Formen erschienen, um ihre Opferanteile anzunehmen und dabei gesehen wurden, warum nahm gerade der mächtige Hari seinen Anteil unsichtbar an?

Bhishma fuhr fort:
Als Vrihaspati dem Zorn nachgab, versuchte König Vasu zusammen mit all den Beisitzern des Opfers, den großen Rishi zu beruhigen. Mit kühlen Köpfen sprachen sie alle zu Vrihaspati:
Mögest du nicht dem Ärger nachgeben! In diesem goldenen Zeitalter sollte dieser Zorn, wie er in dir aufgestiegen ist, niemals der Charakter von irgend jemandem sein. Dieser alldurchdringende Gott, dem du diese Opfergaben angeboten hast, ist von jeglicher Abneigung frei. Er kann weder von dir, oh Vrihaspati, noch von uns gesehen werden. Nur der kann Ihn sehen, dem Er diese Gnade selbst gewährt.

Dann ergriffen die drei Rishis Ekata, Dwita und Trita das Wort, die in der Lehre der Tugend und Aufgaben, welche die sieben Rishis verfaßt hatten, wohlerfahren waren. Sie richteten sich an die Versammlung und begannen folgende Geschichte zu erzählen:
Wir sind die geistgeborenen Söhne des Brahma. Vor langer Zeit begaben wir uns nach Norden, um unser höchstes Heil zu finden. Dort übten wir tausende Jahre Entsagung und erworben großes asketisches Verdienst. Wir standen auf einem Bein wie Holzpfähle. Das Land, wo wir diese strengste Entsagung vollbracht haben, liegt nördlich vom Meru an der Küste des Milchozeans. Das Ziel, das wir im Geist trugen, war die Sicht des göttlichen Narayana in seiner eigenen Form. Am Ende unserer Askese, nachdem wir die abschließende Reinigung durchgeführt hatten, hörten wir eine himmlische Stimme, oh mächtiger Vrihaspati, so tief wie das Grollen der Wolken, aber ganz sanft und herzerfreuend.

Die Stimme sprach:
Oh ihr Brahmanen, wohlvollbracht habt ihr eure Entsagung mit heiteren Seelen. Dem Narayana gewidmet bemüht ihr euch zu erfahren, wie ihr die mächtige Gottheit schauen könnt. An der nördlichen Küste des Milchozeans gibt es eine Insel mit großer Herrlichkeit, die man die „Weiße Insel“ (Swetadwipa) nennt. Die Menschen, die auf dieser Insel wohnen, sind so weiß wie die Strahlen des Mondes und ganz dem Narayana gewidmet. Als Verehrer dieses Ersten aller Wesen sind sie Ihm mit ganzer Seele hingegeben. Sie wohnen in diesem ewigen und berühmten Gott mit den tausend Strahlen, sind von allen Sinnen befreit, benötigen keine Nahrung, müssen nicht arbeiten und ihre Körper verströmen einen himmlischen Duft. Wahrlich, diese Bewohner der Weißen Insel kennen und verehren nur diese eine Gottheit. Geht dorthin, oh ihr Asketen, denn ihnen habe ich mich offenbart!

Wir alle hörten diese körperlose Stimme, und ihrem Gebot folgend begaben wir uns zu jenem beschriebenen Land. Mit dem Wunsch, Ihn zu schauen, und nur Ihm in unserem Herzen erreichten wir schließlich diese große Weiße Insel. Doch dort angekommen, konnten wir zunächst gar nichts sehen. Wahrlich unsere Sicht wurde durch die Energie des großen Gottes geblendet, und so konnten wir Ihn nicht schauen. Damit entstand durch die Gnade der Gottheit die Erkenntnis in uns, daß keiner ohne genügende Reinigung die Sicht des Narayana ertragen kann. Mit dieser Erkenntnis begaben wir uns erneut in strengste Entsagung, entsprechend der Zeit und dem Ort für hundert Jahre. Mit Vollendung unserer Gelübde erblickten wir dann jene Bewohner mit den verheißungsvollen Zeichen. Sie waren weiß wie der Mond und hatten die Ausstrahlung der Glückseligkeit. Ihre Hände waren beständig zum Gebet geschlossen. Einige richteten ihre Gesichter nach Norden, andere nach Osten. Sie waren schweigend in das Brahman vertieft. Das Gebet dieser Hochbeseelten war ein rein geistiges (ohne Worte). Und weil sie ihr Innerstes Ihm vollkommen zugewandt hatten, war Hari höchst zufrieden mit ihnen. Der Glanz, oh Erster der Asketen, der von jedem dieser Menschen ausging, glich der Helligkeit der Sonne, wenn die Zeit der Auflösung des Weltalls kommt. Wahrlich, uns erschien diese Insel wie die Wohnstätte jeglicher Energie. Und alle Bewohner waren in dieser Ausstrahlung vollkommen gleich. Es waren keine Unterschiede zu bemerken.

Doch plötzlich erschien ein noch helleres Licht, wie der konzentrierte Glanz von tausend Sonnen, oh Vrihaspati. Die Bewohner versammelten sich und liefen gemeinsam mit demütig gefalteten Händen zu diesem Licht, voller Heiterkeit und das Wort „Namas“ („Verehrung!“) auf ihren Lippen. Dann hörten wir einen alleserfüllenden Gesang, der durch sie alle gemeinsam angestimmt wurde. Es schien, als würden diese Menschen damit ein Opfer diesem großen Gott darbringen. Wir selbst wurden durch seine Energie schnell aller Sinne beraubt. Ohne Sicht und Kraft konnten wir weder sehen noch fühlen. Wir hörten nur den lauten Gesang der versammelten Bewohner. Sie sangen:
Heil dir, oh Lotusäugiger! Verehrung sei dir, oh Schöpfer des Weltalls! Verehrung sei dir, oh Hrishikesha, oh Höchstes Wesen, oh Erstgeborener!

Das war der Gesang nach allen Regeln der Kunst, den wir hörten. Bald erhob sich eine reine Brise mit dem Duft himmlischer Blüten, heilender Kräuter und Pflanzen, die in Opfern verwendet werden. So verehrten diese Menschen voller Hingabe die Gottheit in Gedanken, Worten und Taten. Zweifellos erschien Hari an jenem Ort, wo sich der Gesang erhob, den wir hörten. Doch wir selbst, verblendet durch Seine Illusion, konnten Ihn nicht sehen. Nachdem sich die himmlische Brise gelegt hatte und das Opfer beendet war, wurden unsere Herzen von Furcht erfüllt, oh Erster der Nachkommen des Angiras. Wie wir unter diesen tausenden Menschen standen, die alle von reiner Geburt waren, gab es keinen, der uns mit einem Gedanken oder einem Blick beachtete. Diese Asketen voller Heiterkeit und Hingabe waren vollkommen in das Brahman vertieft und ließen sich von uns nicht ablenken. Wir waren äußerst müde und von unserer Entsagung abgezehrt. Da sprach plötzlich ein unkörperliches Wesen vom Himmel herab folgende Worte zu uns:
Diese weißen Menschen, die von allen äußeren Sinnen frei sind, haben die Sicht (des Narayana). Nur jene Ersten der Zweifachgeborenen, die von diesen weißen Menschen erkannt werden, können auch diese Gottheit schauen. So geht, oh Munis, zu jenem Ort, von wo ihr gekommen seid. Ohne vollkommene Hingabe kann man diese Gottheit nicht schauen. Das überaus helle Licht dieses berühmten Gottes können nur jene ertragen, die im Laufe vieler langer Jahre sich ganz allein Ihm gewidmet haben. Oh ihr Ersten der Zweifachgeborenen, ihr habt noch eine große Aufgabe vor euch. Wenn das goldenen Krita Zeitalter vergangen ist und das silberne Treta seinen Lauf in der Epoche des (gegenwärtigen) Vivasvat Manu nimmt, wird eine große Katastrophe die Welten bedrohen (wie sie im Ramayana beschrieben wird). Ihr Munis sollt dann die Verbündeten der Götter werden.

Nachdem wir diese wunderbaren und nektargleichen Worte gehört hatten, kehrten wir durch die Gnade dieses großen Gottes bald zu jenem Ort zurück, den wir wünschten. Wenn wir sogar durch so strenge Askese und hingebungsvolle Opfer diese Gottheit nicht schauen konnten, wahrlich, wie kannst du erwarten, oh Vrihaspati, daß er sich dir so einfach zeigt? Narayana ist ein allumfassendes Wesen. Er ist der Schöpfer des Universums. Er wird in den Opfern mit Gaben von geklärter Butter und anderer Nahrung in Begleitung der vedischen Mantras verehrt. Er hat keinen Anfang und kein Ende. Er ist unmanifest. Sowohl die Götter als auch die Dämonen verehren Ihn.

Beruhigt durch diese Worte des Ekata, die durch seine Begleiter Dwita und Trita bestätigt wurden, sowie durch alle anderen Beisitzer des Opfers, brachte der hochgeistige Vrihaspati dieses Opfer des Königs Vasu zum erfolgreichen Ende, nachdem er ordnungsgemäß den Göttern die gewohnten Gaben dargebracht hatte. Und nachdem dieses große Opfer vollendet war, regierte König Vasu noch lange seine Untertanen voller Gerechtigkeit. Schließlich legte er seinen Körper ab und stieg zum Himmel auf. Doch nach einiger Zeit fiel er aufgrund eines Fluchs der Brahmanen wieder aus jenen Bereichen der Glückseligkeit und sank tief in die Eingeweide der Erde. Aber König Vasu war stets der Wahrheit gewidmet. Und obwohl er tief in die Erde versank, ließ seine Hingabe zur Tugend nicht nach. Beständig dem Narayana hingegeben und seine heiligen Mantras rezitierend, stieg er bald durch die Gnade des Narayana wieder zum Himmel auf. So erhob sich König Vasu aus der tiefsten Erde und erreichte die hohe Region von Brahma und sogar das Höchste jenseits davon.


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