Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 309 - Vasishta über die Erlösung

Vasishta sprach:
Höre mich weiter, wie ich zu dir über die reine Erkenntnis und die Unwissenheit (Budha und Abudha) in Form der Höchsten Seele und der verkörperten Seele spreche, die von den natürlichen Qualitäten des Sattwa, Rajas und Tamas geprägt ist. Indem sie vielfältige Formen (unter dem Einfluß der Unwissenheit) annimmt, wird die Höchste Seele zur verkörperten Seele und betrachtet all diese Formen als real. Aufgrund ihrer Identifikation mit diesen wandelbaren Erscheinungen kann die verkörperte Seele die Höchste Seele nicht mehr erkennen, denn sie trägt die natürlichen Qualitäten, womit sie erschafft und zerstört, was erschaffen wurde. Unaufhörlich treibt sie dieses Spiel und erlebt die vielfältigen Umwandlungen, oh Monarch, weil sie dazu fähig ist, die Wandlung der Natur wahrzunehmen, weshalb sie auch die Wahrnehmende genannt wird. Doch die gegensätzliche Natur kann niemals das Brahman erkennen, das in Wahrheit ohne alle Eigenschaften ist, selbst wenn es in diesen erscheint. Deshalb wird diese Natur Unwissenheit genannt.

Die heiligen Schriften lehren, sobald die Höchste Seele die Natur wahrnimmt, erscheint die verkörperte Seele in Verbindung mit dieser Natur. Und aufgrund dieser Anhaftung wird sie die Verblendete oder Unwissende genannt, obwohl sie in Wahrheit gar keiner Umwandlung unterliegt. Und weil sie die Natur als Gestaltung wahrnimmt, heißt sie auch die Wahrnehmende. Doch auf diesem Wege kann sie niemals das vollkommen Reine erkennen, was jenseits der Natur ist, eine Erkenntnis ohne Gegensätze, grenzenlos und ewig. Das kann nur die Höchste Seele in ihrer vollkommenen Reinheit, indem sie sich in allem selbst erkennt. Oh Strahlender, deshalb können nur reine Wesen voller Weisheit dieses Brahman finden, das Ungestaltete, das in vollkommener Reinheit in allem wohnt, was sichtbar und unsichtbar ist, das unabhängig Eine. Solange die verkörperte Seele sich als etwas Getrenntes wahrnimmt, kann sie die Höchste Seele, sich selbst und die Natur nicht wahrhaft als Einheit ohne Gegensätze erkennen. Erst wenn die verkörperte Seele beginnt, die Natur zu durchschauen, dann sagt man, daß sie zu ihrem wahren Wesen zurückkehrt und jene höchste und reine Erkenntnis erreicht, die man auch das Brahman nennt.

Oh Tiger unter den Königen, wenn sie diese ausgezeichnete Sicht gewinnt, dann erreicht sie das reine Bewußtsein ohne jegliche Gegensätze. Sie überwindet die Natur mit ihren Eigenschaften der Entstehung und Zerstörung. Wenn die verkörperte Seele die Natur durchschaut, welche Unwissenheit ist und den Wirkungen der Qualitäten von Sattwa, Rajas und Tamas unterliegt, dann wird sie selbst eigenschaftslos. Aufgrund dieses Durchschauens kann sie die Höchste Seele erkennen. Die Weisen sagen, wenn sie von der Natur des Sattwa, Rajas und Tamas befreit ist und mit der Höchsten Seele vereint, dann gibt es nur noch das Eine ohne ein Zweites. Das ist das Höchste, das Unvergängliche und Unwandelbare.

Oh Ehrenvoller, obwohl die Seele in den entfalteten Prinzipien wohnt, steht sie doch stets hinter ihnen und bleibt ohne Eigenschaften. Die Gelehrten sprechen von fünfundzwanzig Prinzipien einschließlich der verkörperten Seele. Doch in Wahrheit, oh Sohn, ist die Seele von keinem dieser natürlichen Prinzipien abhängig. Sie ist die Erkenntnis jenseits aller Prinzipien. Alle Prinzipien kann sie ablegen, sogar das Prinzip des Erkennens und der Befreiung. Nur wenn die Höchste Seele sich selbst erkennt, jenseits aller Vergänglichkeit und aller Umwandlung, wird sich die Unwissenheit auflösen, wodurch die verkörperte Seele verkörpert wurde. Denn das ist die Ursache aller Körperlichkeit und Umwandlung, wie es die Veden und Sankhya Schriften erklären. Wenn die verkörperte Seele nicht mehr durch die Natur mit ihren gegensätzlichen Gedanken erkennt, wenn sie jegliche Vorstellung von Getrenntsein, Ichaftigkeit und Wandelbarkeit überwindet, dann kehrt sie in die Einheit zurück. Oh Herrscher von Mithila, wenn die verkörperte Seele, die man gewöhnlich in Verbindung mit Glück und Leiden findet und nur selten vom Egoismus frei ist, die Einheit mit der Höchsten Seele erreicht, die jenseits der Reichweite des Verstandes liegt, dann wird sie von Verdienst und Sünde (bzw. Karma) frei. Wahrlich, wenn dieses Höchste, Ungeborene, Mächtige und Unabhängige erreicht und die Einheit allgegenwärtig wird, dann lösen sich alle Bindungen der Natur. Wenn die Prinzipien der Natur wahrhaft durchschaut werden, dann verschwindet ihre Substanz im Leeren.

Damit habe ich dir, oh Sündloser, gemäß den heiligen Lehren das Wesen der verkörperten Seele und der Unwissenheit oder Natur erklärt, sowie die reine Erkenntnis oder Höchste Seele, soweit man sich mit Worten der Wahrheit nähern kann. So läßt sich, geführt von den heiligen Schriften, die Vielfalt und Einheit verstehen. Der Unterschied zwischen der verkörperten und der Höchsten Seele ist wie der Unterschied zwischen Obstfliege und Obst oder auch Fisch und Wasser. So kann man die Vielfalt und Einheit verstehen. Und als Befreiung gilt, wenn man diese Einheit in allem erkennt, indem man die Erscheinungen der Natur durchschaut. So erreicht die verkörperte Seele, die als fünfundzwanzigstes Prinzip der Natur in den Körpern der Geschöpfe wohnt, die Erlösung, wenn sie das Ungestaltete erkennt, die Höchste Seele ohne Gegensätze. Wahrlich, durch diese Höchste Erkenntnis kann sie jene Befreiung finden, die kein anderes Mittel bewirken kann. Obwohl sie in Wahrheit ohne die Eigenschaften der Natur ist, worin sie in der Zeit wohnt, identifiziert sie sich doch mit ihnen aufgrund ihrer Bindung. Mit dem Reinen verbunden, wird sie rein. Mit der Intelligenz verbunden, wird sie intelligent. Mit der Befreiung verbunden, wird sie befreit. Mit der Freiheit von Anhaftung verbunden, wird sie frei von Anhaftung. Mit der Suche nach Erlösung verbunden, wird sie zum Erlösungssucher. Mit der Reinheit verbunden, wird sie rein im Handeln und strahlend. Mit der Tugend verbunden, wird sie tugendhaft. Mit der alldurchdringenden Höchsten Seele verbunden, wird sie das Eine ohne Zweites. In dieser wahren Einheit löst sich jede besondere Bindung. Das ist die Erlösung, die Befreiung.

Oh Monarch, damit habe ich dir diese Wahrheit enthüllt und aufrichtig über den Weg zum ewigen und reinen Brahman gesprochen. Diese hohe Lehre, oh König, solltest du keinem mitteilen, der dafür nicht bereit ist. Wenn er in den Veden unerfahren ist, sollte er zumindest demütig und bescheiden sein und den aufrichtigen Wunsch nach der Erkenntnis des Brahman haben. Sie ist ungeeignet für alle, welche die Illusion lieben, die geistig Kraftlosen, die Heuchler, Betrüger, Verleumder, Fanatiker, Gewalttätigen und Neidvollen. Doch für Fromme, Verdienstvolle, Wahrhaftige, Entsagende, Weisheitsvolle, Vedenerfahrene, Vergebende, Mitfühlende, Wohltätige, Zurückgezogene, Pflichtbewußte, Friedvolle, Gelehrte, Selbstgezügelte und im Innern Beruhigte ist diese Lehre geeignet und höchst heilsam. Menschen mit solchen Qualitäten sind dieser hohen Erkenntnis des Brahman würdig. Man sagt, wenn dieses Wissen in ein ungeeignetes Gefäß gegeben wird, dann kann es nichts Gutes und Heilsames bringen. Wer keine Gelübde beachtet und keine Selbstbeherrschung übt, sollte dieses hohe Wissen nicht erhalten, selbst wenn er im Austausch die ganze Erde mit all ihren Edelsteinen und Reichtümern anbietet. Wer jedoch seine Sinne gezügelt hat, oh König, der kann dieses Wissen bedenkenlos empfangen.

Oh König Karala, zerstreue alle Angst in deinem Herzen, nachdem du heute diese umfassende Lehre bezüglich des hohen Brahman von mir gehört hast! Ich habe dir auf rechte Weise das heilige Brahman erklärt, das ohne Anfang, Mitte und Ende ist und alles Leiden auflösen kann. Erkenne das Brahman, oh König, dessen Erkenntnis sowohl Geburt als auch Tod überwindet, das Heilsame, Angstlose und Selige! Überwinde in dieser Höchsten Erkenntnis alle Unvollkommenheit und Verblendung! Diese Lehre empfing ich vom ewigen Hiranyagarbha selbst (Brahma), oh König, der sie mir als Segen offenbarte, nachdem dieses große Wesen von höchster Seele mit meiner Hingabe zufrieden war. Und so, wie ich sie von meinem Lehrer erworben habe, so habe ich dir heute, oh Monarch, diese heilige Lehre des Brahman weitergegeben, nachdem du mich in rechter Weise danach gefragt hast. Wahrlich, diese hohe Erkenntnis, welche die Zuflucht aller Erlösungssucher ist, habe ich dir in gleicher Weise verkündet, wie ich sie von Brahma selbst erhalten habe.

Bhishma fuhr fort:
So habe auch ich dir vom hohen Brahman erzählt, wie es der große Rishi Vasishta gelehrt hat. Wer dies erreicht, muß niemals wiedergeboren werden. Denn die verkörperte Seele ist aufgrund ihrer Unwissenheit bezüglich der wahren Erkenntnis der Höchsten Seele dem Tod und der Vergänglichkeit unterworfen und muß deshalb immer wieder in diese Welt der Formen zurückkehren. Wenn sie jedoch die höchste Erkenntnis findet, muß niemand mehr zurückkehren und durch die Welten wandern. Wie ich diese Lehre, oh König, vom himmlischen Rishi gehört habe, so habe ich sie dir, oh Sohn, zu deinem höchsten Heil mitgeteilt. Diese Lehre erhielt der hochbeseelte Rishi Vasishta einst von Hiranyagarbha, von Vasishta erhielt sie Narada, und von Narada habe ich diese Lehre empfangen, die wahrlich dem ewigen Brahman gleich ist. Nachdem du diese Lehre von höchster Bedeutung mit ausgezeichneten Worten gehört hast, oh Erster der Kurus, zerstreue deinen Kummer! Wer das Vergängliche durchschaut und das Unvergängliche erkennt, der wird von aller Angst befreit. Denn nur der, oh König, hegt in sich Angst und wird von ihr überwältigt, der in Unwissenheit verstrickt ist. Aufgrund von Unwissenheit muß der Mensch im leidvollen Rad der Geburten wandern und immer wieder in diese Welt zurückkehren. Wahrlich, nachdem er einen Körper verläßt, muß er in tausend über tausend weiteren Geschöpfen geboren werden, wovon jedes mit dem Tod endet. Jetzt in der Welt der Götter, jetzt unter Menschen und jetzt unter den Tieren und anderen Wesen. So muß er immer wieder erscheinen. Wenn er jedoch im Laufe der Zeit diesen Ozean der Unwissenheit durchqueren kann, in dem er versunken ist, wird er die Wiedergeburt überwinden und zur Einheit mit der Höchsten Seele zurückkehren. Denn dieser Ozean der Unwissenheit ist leidvoll. Er ist bodenlos und wird Natur genannt. Oh Bharata, Tag für Tag sieht man die Geschöpfe in diesem Ozean aufsteigen und versinken. Du, oh König, bist gerade am Aufsteigen aus diesem ewigen und grenzenlosen Ozean der Unwissenheit. So befreie dich von Leidenschaft und Dunkelheit!


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