Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 299 - Parasara über Karma und Befreiung

Bhishma sprach:
Noch einmal befragte Janaka, der Herrscher von Mithila, den hochbeseelten Parasara, der bezüglich der Lebensaufgaben verläßliches Wissen hatte.

Janaka fragte:
Was wirkt zum Heil? Wie ist der beste Weg? Was ist das Unvergängliche, das man erreichen kann? Was ist jener Ort, von wo man nicht zurückkehren muß? Dies sage mir, oh Weiser!

Und Parasara sprach:
Nichtanhaften ist die Wurzel des Heils. Erkenntnis ist der höchste Pfad. Entsagung wird nie zerstört, und selbstlose Geschenke an Würdige gehen nicht verloren. Wenn man die Fesseln der Sünde zerbricht und beginnt, an der Tugend und Gerechtigkeit Freude zu finden, und wenn man das höchste aller Geschenke darbringt, nämlich das Versprechen der Harmlosigkeit zu allen Wesen, dann erreicht man Vollkommenheit. Das Versprechen der Harmlosigkeit zu allen Wesen ist verdienstvoller als die Gabe tausender Kühe und hunderter Pferde, denn damit wird man selbst von aller Angst erlöst. Der Weise kann inmitten von Reichtümern und Vergnüglichkeiten leben, und lebt doch nicht in ihnen, während der Begierige selbst in der Armut immer noch an Reichtum und Vergnügen gebunden bleibt. Sünde kann einem Menschen voller Weisheit nicht anhaften, wie das Wasser an den Blättern der Lotusblüte. Am Begierigen dagegen klebt die Sünde wie der Lack am Holz und verläßt den Handelnden nicht, bis alle Früchte geerntet wurden. So muß der Täter, wenn die Zeit gekommen ist, die Folgen erleiden, die daraus entstehen. Wer jedoch die Seele gereinigt und das Brahman erkannt hat, der hat das Leiden unter den Früchten der Handlungen überwunden. Er wird nicht mehr von der großen Angst gequält, wie die Unachtsamen bezüglich ihrer Sinne und Handlungen, die sich ihrer unheilsamen Taten nicht bewußt werden und deren Herzen in das Spiel von Gut und Schlecht verstrickt sind. Wer beständig von Anhaftungen frei ist und jegliche Leidenschaft des Zorns besiegt hat, der sammelt keine Sünde mehr an, selbst wenn er im Vergnügen weltlicher Dinge lebt. Wie ein Damm die reißenden Ströme eines Flusses ableiten kann, so nutzt der Mensch, der die Anhaftung überwinden möchte, den Damm der Tugend und Gerechtigkeit, den er aus den Geboten der heiligen Schriften bauen kann, und wird von den Begierden nicht davongeschwemmt. Im Gegenteil, Verdienste und Entsagung nehmen beständig zu. Wie sich ein reiner Kristall vom Sonnenlicht ganz durchdringen läßt, so wirkt der Yoga, oh Tiger unter den Königen, mithilfe der Meditation. Wie selbst der Sesamsamen durch beständigen Kontakt mit Blüten deren Duft annimmt, so nimmt auch der Mensch die Qualität des Sattwa (der Güte) an, desto länger er im reinen Licht verweilt. Wer auf diese Weise nach Höherem strebt, läßt Ehefrauen, Reichtum, Stellung, Fahrzeuge und irdische Vergnügungen hinter sich. Wahrlich, wenn man eine solche Gesinnung erreicht, dann heißt es, daß man jenseits der Sinnesobjekte geht. Der Mensch dagegen, dessen Denken an den Sinnesdingen haftet, der wird blind dafür, was wirklich gut für ihn ist, und sein Herz treibt ihn zu den weltlichen Dingen, wie ein Fisch vom Köder angezogen wird. Wie vom eigenen Körper abhängig, der aus verschiedenen Gliedern und Organen zusammengesetzt ist, so existieren alle sterblichen Wesen in gegenseitiger Abhängigkeit. Allein sind sie essenzlos wie das Mark des Bananenbaums und versinken im Ozean der Welt wie ein löchriges Boot.

Warte nicht auf irgendeine Zeit in der Zukunft mit dem Erwerb von Tugend! Der Tod kommt jeden Tag näher. Da der Mensch beständig auf den Rachen des Todes zugeht, ist zu jeder Zeit tugendhaftes Handeln geboten. Wie sich ein Blinder voller Achtsamkeit in seinem eigenen Haus bewegen kann, so kann auch der Weise durch die Konzentration im Yoga den Weg der Befreiung finden und gehen. Man sagt, der Tod entsteht aufgrund der Geburt, und damit steht jedes Geschöpf unter der Herrschaft des Todes. Ohne das Licht der Erlösung kreisen die Wesen im Rad zwischen Geburt und Tod und sind nicht fähig, sich aus diesem Schicksal zu befreien. Wer jedoch den Weg der wahrhaften Erkenntnis geht, wird Glückseligkeit in dieser Welt und auch der jenseitigen finden.

Zügellosigkeit bringt Leiden, während Glück aus Beschränkung entsteht. So fördert die Zügellosigkeit Illusion und Unwissenheit, während in der Entsagung das Heil der Seele liegt. Wie die Lotusblume schnell den Schlamm verläßt, aus dem sie wächst, so verläßt die Selbsterkenntnis bald das Denken, aus der sie gewachsen ist. Dann wird die verkörperte Seele von der Vernunft zum Yoga geführt, wodurch sie mit dem Selbst verschmilzt. Wenn diese Vollkommenheit durch Yoga erreicht ist, erkennt die Seele sich Selbst ohne jegliche Eigenschaften. Solange sich der Mensch mit seinem Körper und den Sinneserfahrungen identifiziert und glaubt „Das bin ich!“, bleibt er in die Sinneswelt verstrickt und verfehlt seine wahre Aufgabe. Der Weise erreicht durch tugendhaftes Handeln die hohe Glückseligkeit des Himmels, während der Unwissende in die niederen Bereiche versinkt und leidvolle Geburten annimmt.

Wie sich das Wasser in einem gebrannten Tonkrug nicht verflüchtigt, so sammelt sich in einem verkörperten Wesen das Karma an, wenn es keine Entsagung übt. Wahrlich, wer sich in den Genuß der Sinneswelt verliert, kann nie befreit werden. Wer hingegen den Sinnesbegierden entsagt, wird die Glückseligkeit finden. Wer in seiner Verblendung der Sinneslust frönt, kann durch seinen umnebelten Geist, einem Blindgeborenen gleich, das Wahre nicht erkennen. Wie Warenhändler, die über das Meer fahren und Gewinne entsprechend ihres Einsatzes machen, so gehen die Wesen in dieser Welt der Sterblichen ihren Weg durch ihre jeweiligen Taten. Aber wie eine Schlange ihre Beute verschlingt, so schleicht der Tod in Form der Vergänglichkeit durch diese Welt, die Tag und Nacht dahinrollt. Jedes geborene Wesen genießt oder erleidet die Früchte seiner Handlungen aus vorherigen Leben. Es gibt nichts an Glück und Leid, was man genießt oder erleidet, das nicht ein Ergebnis von angesammeltem Karma wäre. Ob schlafend oder wach, ob untätig oder während der Arbeit, in jedem Zustand wird der Mensch von seinen guten und schlechten Taten verfolgt. Wer jedoch das sichere Ufer jenseits dieses Ozeans (der Welt) erreicht hat, der verlangt nicht mehr nach Rückkehr (bzw. Geburt), um auf diesem leidvollen Meer zu segeln. Wie ein Fischer mithilfe eines Strickes ein Boot aus dem Wasser zieht, das dort zu versinken droht, so zieht man mithilfe der Vernunft auf dem Yogaweg die Seele aus ihrer ichhaften Versunkenheit im Ozean der Welt. Wie alle Flüsse zum Ozean laufen und mit ihm verschmelzen, so verschmilzt der Fluß der Gedanken im Yoga wieder mit der ursprünglichen Natur (zur Harmonie von Sattwa, Rajas und Tamas). Wessen Denken jedoch durch verschiedene Ketten der Zuneigung gebunden ist und durch Unwissenheit überflutet wird, der trifft auf seinen Untergang, wie ein Haus, das am Ufer auf Sand gebaut ist. Das verkörperte Wesen, das seinen Körper als eine vorübergehende Wohnung betrachtet, die Reinigung (sowohl äußerlich als auch innerlich) als seine heilige Badestätte und den Pfad der Erkenntnis geht, wird Glückseligkeit in dieser Welt und jenseits davon erreichen.

Zügellosigkeit bringt Leiden, während Glück aus Beschränkung entsteht. So fördert die Zügellosigkeit die Illusion und Unwissenheit, während in der Entsagung das Heil der Seele liegt. Die Freunde, die aus Anhaftung entstehen, die eigensinnigen Verwandten, Gattin, Söhne und Diener verschlingen nur unseren wahren Reichtum. Weder Mutter noch Vater können uns die Befreiung schenken. Sie gaben uns nur die Nahrung, wodurch wir selbst gewachsen sind. Denn wahrlich, jeder erntet die Früchte seiner eigenen Taten. Vater, Mutter, Sohn, Bruder, Ehefrau und Freunde sind wie Linien, die mit Gold gezogen wurden, aber nicht das Gold selbst. Alle guten und schlechten Taten folgen der handelnden Person. Die Erfahrung, daß alles Glück und Leid ein Ergebnis der eigenen Taten ist, treibt die verkörperte Seele zur Erkenntnis. Mit Beständigkeit und der richtigen Hilfe wird man seine Aufgaben im Leben erfolgreich vollenden. Wie die Lichtstrahlen nie die Sonne verlassen, so verläßt der Wohlstand niemals den, der wahres Vertrauen hat. Ein Werk, das ein Mensch mit reiner Seele, voller Vertrauen und Tapferkeit, mit den rechten Mitteln, ohne Stolz, aber dafür mit Vernunft vollbringt, wird nie erfolglos sein.

Jedes Wesen trägt vom Moment seiner Zeugung im Mutterleib an das Karma all seiner guten und schlechten Taten vorheriger Leben in sich. Und deshalb führt der unwiderstehliche Tod mithilfe der Zeit auch alle Geschöpfe wieder zu ihrer Auflösung, wie der Wind die Asche vom Holz verweht. Allein durch sein angesammeltes Karma erhält der Mensch Gold, Tiere, Gattinnen, Kinder, hohe Geburt, Besitztümer und alles, was er sonst noch sein Eigen nennt.

Bhishma fuhr fort:
Oh König, so belehrt durch den Weisen im Einklang mit der Wahrheit, vernahm Janaka, dieser Erste der Rechtschaffenen, alles, was der Rishi gesprochen hatte und gewann damit höchstes Wohlergehen.


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