Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 254 - Der Baum des Begehrens und die Körperstadt

Vyasa sprach:
Es gibt einen wundersamen Baum im Herzen der Menschen, den man Begehren nennt. Er wächst aus dem Samen der Unvollkommenheit (bzw. Illusion). Zorn und Stolz bilden seinen mächtigen Stamm, der Tatendrang ist der feuchte Boden um seinen Fuß, die Unwissenheit ist die Wurzel dieses Baumes, die Unachtsamkeit ist das Wasser, das ihn nährt, der Neid sind seine Blätter, die karmischen Taten aus vergangenen Leben liefern seine Energie, Verblendung und Zweifel sind seine Zweige, der Kummer bildet die Äste und Angst die Sprossen. Der unersättliche Durst nach vermeintlich angenehmen Formen sind die Kletterpflanzen, die ihn von allen Seiten umschlingen. Diesen Baum verehren die begehrlichen Menschen, die sich mit ehernen Ketten in Erwartung reicher Frucht an ihn geschmiedet haben. Der Weise, der diese Ketten löst, den Baum an der Wurzel fällt und beides, Glück und Leid, überwindet, der erreicht Erlösung. Der Unwissende, der diesen Baum durch das Streben nach Sinnesdingen nährt, wird durch eben diese Dinge zerstört, wie ein Kranker durch immer neues Gift. Der Weise jedoch, schlägt auf dem Yoga Weg mithilfe des alldurchdringenden Samadhi Schwertes der Stille die weitreichenden Wurzeln dieses Baumes ab. Denn wer erkennt, daß alle Handlungen im Verlangen nach den Früchten zu kettenhafter Bindung und Wiedergeburt führen, der geht den Weg zur Überwindung aller Leiden.

Der Körper wird mit einer Stadt verglichen. Die Vernunft ist ihr König, und das im Körper wohnende Denken gleicht einem Minister, der die Angelegenheiten vor den König bringt, welcher sie entscheiden sollte. Die Sinnesorgane sind die vom Denken angestellten Bürger (um dem König zu dienen). Um die Bürger zu hegen, treibt sie das Denken mit Sinnesobjekten beständig zur Tätigkeit an. Dafür benutzt es zwei fragwürdige Gesellen, die man Leidenschaft und Unwissenheit (Rajas und Tamas) nennt. Von den Früchten dieser Tätigkeit leben alle Einwohner zusammen mit den Herren der Stadt, aber auch die fragwürdigen Gesellen erstarken damit in ihrer hinterlistigen Macht. Dadurch sinkt die Vernunft, die bis dahin König war, auf die gleiche Stufe wie das Denken (indem sie unter den Einfluß von Leidenschaft und Unwissenheit kommt). Ist die Vernunft schwach, verlieren die Sinne ihre Klarheit und das Denken seine Zuverlässigkeit, wie auch die Minister korrupt und die Bürger unsicher werden, wenn der König keine Kraft hat. Die vernünftigen Ziele (des Königs, der normalerweise das Wohlergehen sucht) führen zunehmend ins Leiden und treffen immer häufiger auf Mißerfolge. Diese Mißerfolge der eigentlich vernünftigen Ziele des Königs bleiben dem Minister im Gedächtnis, und entsprechend quält sich das Denken und beginnt zu verzweifeln. Denn ohne herrschende Vernunft, verzweifelt das Denken an sich selbst, weil ein kraftloser König nichts entscheidet, was die Minister bedenken. So dauert es nicht lange, und die Leidenschaft überwältigt die Vernunft und damit die ganze herrenlose Stadt. Leidenschaft und Unwissenheit überdecken dann alles, wie ein Spiegelbild den Spiegel. Es ist das Denken, das sich zuerst freundschaftlich mit der Leidenschaft und der Unwissenheit verbindet. Doch einmal erstarkt, ergreifen sie die ganze Stadt, die Vernunft und die Sinne, wie ein korrupter Minister zuerst den König schwächt und dann das Volk. Schließlich übernehmen Leidenschaft und Unwissenheit die Herrschaft im ganzen Körper.


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