Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 250 - Die Höchste aller Lebensaufgaben

Suka sprach:
Möge der Ehrwürdige mich belehren, was die Höchste aller Lebensaufgaben ist, über die hinaus in dieser Welt keine weitere Aufgabe besteht.

Vyasa sprach:
So werde ich dir von der höchsten Aufgabe erzählen, die uralt ist und von den Rishis gelehrt wurde. Höre mich mit ganzer Achtsamkeit! Zuerst sollten die umherschweifenden Sinne durch die Vernunft sorgfältig gezügelt werden, wie ein guter Vater seine unerfahrenen Kinder zügelt, die zu manch schlechter Gewohnheit neigen. Das Zurückziehen der Gedanken und Sinne von allen Objekten und ihre Sammlung (im Selbst) ist die höchste Entsagung. Dies gilt als die Erste und Höchste aller Aufgaben. Mithilfe der Vernunft zügle man die fünf Sinne und das Denken, und, ohne in weltliche Dinge abzuschweifen, die endlose Gedanken hervorbringen, sollte man in sich ruhen und im Selbst zufrieden sein. Wenn die Sinne und Gedanken von den Weiden zurückgezogen sind, wo sie gewöhnlich umherziehen, und in ihre wahre Heimat finden, dann wirst du in dir selbst das ewige und höchste Selbst erkennen. Auf diesem Weg können die hochbeseelten Zweifachgeborenen, die mit Weisheit gesegnet wurden, diese höchste und alldurchdringende Seele schauen, die einer rauchlosen Flamme gleicht. Wie ein großer Baum mit zahlreichen Zweigen nicht weiß, woher seine Blätter, Blüten und Früchte kommen und wohin sie gehen, so weiß auch die Seele, die von Geburt und anderen Eigenschaften geprägt wurde, nicht, woher sie kommt und wohin sie geht. Doch in jedem Wesen ist ein Höheres Selbst, das (frei von individueller Erkenntnis) alles erkennt und durchschaut. Dann schaut man im Licht der Erkenntnis sich selbst im Selbst. So erkenne dich im Selbst, sei körperlos und allwissend! Betrachte diesen Körper nicht mehr als dein Eigen, wie eine Schlange ihre verbrauchte Haut abstreift, und sei gereinigt von allen Sünden, ohne Angst, Krankheit und Leiden, erleuchtet und erlöst!

Leidvoll ist der Fluß des Lebens, wie er sich in alle Richtungen ausbreitet und in seinem Lauf die Welt trägt. Die fünf Sinne sind seine Krokodile, das Denken und seine Absichten sind die Ufer, Habgier und Verblendung sind das Schilfgras, das dahintreibt und die Ufer bedeckt, Begierde und Zorn sind die wilden Alligatoren, die darin leben, die Wahrheit bildet die heiligen Pilgerorte an den Furten und Buchten, die Lügen bilden die Wogen und der Ärger den Schlamm. Seine Quellen sind im Ungestalteten, und so fließt er in reißenden Strömen dahin, undurchquerbar für alle ungereinigten Seelen. So überwinde mithilfe der Erkenntnis diesen Fluß des Leidens, der die Begierden als gefräßige Alligatoren hat und den riesigen Ozean des Samsara füllt! Die Vielfalt des Lebens ist seine unergründliche Tiefe. Deine Geburt, oh Kind, ist die Quelle, aus der sich dieser Strom erhebt. Das Karma sind seine kraftvollen Wirbel und Strömungen. Schwer ist er zu besiegen, doch die Weisen können ihn mit dem Floß der Erkenntnis überqueren. Hast du ihn überquert, wird dein Selbst von jeder Anhaftung befreit sein. Du wirst Selbsterkenntnis und innere Stille gefunden haben sowie Reinheit in jeder Hinsicht. Gegründet auf eine gereinigte und klare Vernunft wirst du das Brahman erkennen und sein. Von jeder weltlichen Anhaftung befreit, alle Sünden verbrannt und mit gereinigter Seele betrachte diese Welt mit ihren oberflächlichen Kleinheiten wie von einer hohen Bergespitze aus. Gelassen, ohne Zorn, ohne Euphorie und ohne jegliche Boshaftigkeit wirst du das Werden und Vergehen aller Geschöpfe durchschauen.

Diese Lebensaufgabe betrachten die Weisen als die Höchste aller Aufgaben. Wahrlich, diesen Fluß des Leidens zu durchqueren, wird von den tugendhaften und mit Wahrhaftigkeit gesegneten Munis als das Höchste betrachtet, das man vollbringen kann. Diese Lehre von der alldurchdringenden Seele sollte ein Vater seinem Sohn weitergeben. Sie sollte dem verkündet werden, der sich um Wahrhaftigkeit und Sinneszügelung bemüht, der sanftmütig und gehorsam ist. Diese Selbsterkenntnis, von der ich eben zu dir, oh Kind, gesprochen habe, und deren Beweis das Selbst allein geben kann, ist ein Mysterium und wahrlich das Größte von allen Mysterien und die höchste Erkenntnis, die man erreichen kann. Das Brahman hat kein Geschlecht, weder männlich, weiblich noch sächlich. Es ist weder Leiden noch Glück. Es ist die Essenz von Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart. Wer auch immer diese Erkenntnis des Brahman erreicht, sei es Mann oder Frau, muß nicht wiedergeboren werden. Dies ist die Aufgabe auf dem Weg zur Befreiung von Geburt, Alter und Tod. Die Worte, die ich verwendet habe, um auf deine Frage zu antworten, können zur Befreiung führen, wie auch viele andere Lehren, die diesbezüglich von den Weisen verkündet wurden. So habe ich deine Frage nach dem Sein und Nichtsein erklärt, wie sie erklärt werden sollte. Inwieweit diese Worte fruchtbar werden, hängt nun von dir ab, oh Sohn. Allein dafür, oh gutes Kind, verkündet ein Lehrer, wenn er von einem friedlichen, lobenswerten und selbstgezügelten Sohn oder Schüler befragt wird, mit freudigem Herzen die Lehre in ihrer wahren Bedeutung, welche auch ich dir zu deinem Heil gegeben habe.


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