Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 246 - Über das Selbst

Vyasa sprach:
Das verkörperte Selbst ist eine Gestaltung der Natur und ihren Qualitäten (Sattwa, Rajas und Tamas). Doch der Verkörperte erkennt dies nicht, denn nur das Selbst ist der Allerkenner (der ewige Zeuge). Wie ein guter Wagenlenker mithilfe von starken, wohlerzogenen und hochmotivierten Rossen den gewünschten Weg nimmt, so wirkt das Selbst mithilfe der Sinne und dem Denken. Die Sinnesobjekte sind höher als die Sinne, das Denken ist höher als die Sinnesobjekte, die Vernunft ist höher als das Denken, das Mahat (die Intelligenz) ist höher als die Vernunft, das Ungestaltete ist höher als das Mahat, das Brahman ist höher als das Ungestaltete, aber nichts ist höher als das Brahman. Das ist das Ewige und das Höchste. Als Selbst ist es in allen Wesen, unsichtbar und alldurchdringend. Nur die Yogis schauen dieses Höchste Selbst durch ihre reine und tiefgründige Einsicht. Sie verschmelzen die fünf Sinne mit dem Denken als sechstes und all ihren Objekten im Selbst mithilfe der Vernunft, meditieren über die drei Bewußtseinsebenen, nämlich das Gedachte, das Denken und den Denker, überwinden durch Meditation jede Art der Sinnesbegierde, erkennen ihr Einssein mit dem Brahman selbst und lösen damit jedes ichhafte Bewußtsein auf. So findet der Yogi die vollkommene innere Stille und erreicht das, worin die Unsterblichkeit wohnt.

Wer dagegen ein Sklave seiner Sinne und in die Ansichten von Sein und Nichtsein verstrickt ist, der ist durch „Selbstbetrug“ dem Tode unterworfen und trifft damit auch wirklich auf den Tod. Deshalb sollte man jedes Verlangen überwinden und das ruhelose Denken in der Einsicht (bzw. im reinen Bewußtsein) zur Ruhe bringen. Ist das Denken in der Einsicht gestillt, wird man (unerschütterlich bzw. zeitlos) wie der Kalanjara Berg. Durch Reinigung des Herzens überwindet der Yogi alle Gegensätze, wie Gut und Böse oder Gerecht und Ungerecht. Hat er sein Innerstes gereinigt und die zeitlose Stille und sein wahres Selbst gefunden, erreicht er höchste Seligkeit. Die innere Stille zeigt sich in einem friedlichen Schlaf ohne Träume und ist vergleichbar mit einer Kerzenflamme an einem windstillen Ort. Wenn der Yogi sich selbst beständig im Selbst verschmilzt, dann erkennt er schließlich durch Entsagung und Reinigung sich selbst im Selbst.

Diese Worte, welche ich dir, oh Sohn, als Belehrung gebe, sind die Essenz aller Veden. Ihre tiefe Wahrheit läßt sich weder durch Logik noch durch bloßes Lernen der Schriften begreifen. Man kann sie erfahren auf dem Pfad des Yoga. Durch das Verbuttern des Reichtums aller religiösen Werke, zehntausender Vedaverse und aller anderen heiligen Schriften ist dieser amritgleiche Nektar entstanden. Wie Butter aus dem Quark oder Feuer aus dem Reibholz, hat sich dieser Nektar zu deinem Wohl erhoben, oh Sohn, und er bildet die Weisheit aller wahrhaft Weisen. Diese tiefgründigen Worte sind als Belehrung für Snatakas beabsichtigt (ausgelernte Brahmanenschüler). Sie sollten keinem gegeben werden, der von Leidenschaft getrieben, ohne Selbstzügelung oder Entsagung ist. Sie sind für den geeignet, der in den Veden erfahren ist, der seinen Lehrer ehrt und der von Böswilligkeit frei, mitfühlend, achtsam, wahrhaftig und offen ist. Ungeeignet sind sie für Streitsüchtige, Verleumder und Übelgesinnte. Für Verdienstvolle, Lobenswürdige, Ruhige, Gesammelte, Askesereiche, Brahmanen, eigene Söhne oder pflichtbewußte Schüler enthält diese Belehrung die wahre Essenz der Lebensaufgaben. Dieses Geschenk ist für einen Weisen weit wertvoller, als die ganze Erde mit ihren Schätzen.

Damit habe ich zu dir über ein Thema gesprochen, das eines der größten Mysterien ist und ein Thema bezüglich des Höchsten Selbst, das den gewöhnlichen menschlichen Verstand überschreitet. Die Ersten der Rishis haben es erkannt, die Upanishaden gelehrt, und du hast mich danach gefragt. Nun sage mir, was noch in deinem Geist ist. Sage mir, welche Zweifel du noch hegst. Höre mich, oh Sohn, solange ich vor dir sitze. Worüber soll ich dich noch belehren?


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter