Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 235 - Weiter über die Aufgaben der Brahmanen

Vyasa fuhr fort:
Man sollte das dreifache Wissen (Trayi) der Veden und ihrer Zweige erwerben. Dieses Wissen strömt aus dem Rig und Saman Veda sowie aus den Lehren namens Varna und Akshara, wie auch aus dem Yajur und Atharva Veda. In den gebotenen sechs Arten der Handlungen (Lernen, Lehren, Opfern, Amtieren, Geben und Nehmen) wohnt das Göttliche. Jene, die in den vedischen Geboten wohlerfahren sind, die das Selbst erkannt haben und die Qualität der Güte pflegen, diese höchst Gesegneten können das Werden und Vergehen aller Geschöpfe verstehen. Deshalb sollte ein Brahmane stets unter Beachtung der vedischen Gebote leben. Er sollte in der Welt handeln wie alle guten Menschen mit gezügelter Seele. Er sollte seinen Lebensunterhalt verdienen, ohne irgendein Wesen zu verletzen. Von den Heiligen und Weisen belehrt sollte er seine Leidenschaften und Neigungen kontrollieren. Wohlgelehrt in den heiligen Schriften sollte er jene Aufgaben erfüllen, die ihm geboten sind und in der Welt alle Handlungen mit der Qualität der Güte vollbringen. Auch wenn er ein Hausleben führt, sollte ein Brahmane die sechs Handlungen erfüllen, die bereits erwähnt wurden. Mit einem Herzen voller Vertrauen sollte er die Götter in den fünf wohlbekannten Opfern verehren. Mit Geduld, Achtsamkeit, Selbstdisziplin, Pflichtbewußtsein, Reinheit und Wahrhaftigkeit sollte ein Brahmane frei von Euphorie, Stolz und Haß nie in Bequemlichkeit verfallen. Geschenke, Vedenstudium, Opfer, Buße, Bescheidenheit, Arglosigkeit und Selbstzügelung erhöhen seine Energie und zerstören die Sünden. Wie jeder Weise sollte er sich enthaltsam ernähren und seine Sinne überwinden. Er sollte Begierde und Zorn unterwerfen, alle Sünden abwaschen und darum kämpfen, das Brahman zu erreichen. Er sollte das Feuer und die Brahmanen verehren und sich vor den Göttern verneigen. Er sollte alle Arten des Geschwätzes und alle ungerechten oder verletzenden Taten vermeiden. Dieses grundlegende Verhalten ist höchstes Gebot für einen Brahmanen. Später, wenn ihm die Erkenntnis dämmert, sollte er sich fleißig betätigen, weil im Handeln Vollkommenheit liegt.

Der Brahmane, der mit Weisheit gesegnet ist, wird den Strom des Lebens durchqueren können, der so schwierig zu durchqueren, mitreißend und schrecklich ist, der die fünf Sinne als sein Wasser, das Begehren als Quelle und den Zorn als sumpfigen Schlamm hat. Ein Brahmane sollte seine Augen nie vor der Tatsache verschließen, daß überall die Zeit bedrohlich lauert. Es ist die Zeit, die alle Geschöpfe überwältigt, die mit mächtiger und unwiderstehlicher Kraft bewaffnet ist und dem großen Lenker selbst entspringt. Sie erzeugt den gewaltigen Strom der Natur, worin das ganze Weltall unaufhörlich vorangetrieben wird. Dieser mächtige Fluß der Zeit, der die Jahre als Wirbel hat, die Monate als Wellen, die Jahreszeiten als Strömung, die Wochen als schwimmendes Stroh und Gras, die Momente als Schaum, die Tage als Wasser, die Begierde und Sinneslust als schreckliche Krokodile, die Veden und Opfer als Rettungsflöße, die Gerechtigkeit und Tugend als Inseln, Gewinn und Freude als Quellen, Wahrhaftigkeit und Erlösung als Ufer, Wohlwollen als Bäume und die Yugas als die Seen entlang seines Laufes - dieser mächtige Fluß der Zeit, dessen Ursprung so unvorstellbar ist wie das Brahman selbst, trägt unaufhörlich alle vom Großen Vater geschaffenen Wesen ins Reich von Yama. Die Weisen und Geduldigen können diesen leidvollen Fluß mithilfe der Rettungsflöße von Erkenntnis und Weisheit durchqueren. Welche Hilfe haben dagegen die Unwissenden, wenn sie ohne Rettungsfloß vom reißenden Strom dahingetrieben werden? Wahrlich, nur ein Mensch mit Weisheit kann diesen Strom überwinden. Der Unwissende wird fortgerissen. Der Weise erkennt die Tugenden und Laster in der Welt und verfängt sich nicht darin. Der Unwissende jedoch mit wenig Vertrauen und Vernunft, dessen Herz voller Wünsche und Habgier ist, wird stets von Zweifeln überwältigt. So wird er ohne Weisheit und rechter Anstrengung diesen Fluß nie durchqueren. Ohne das Rettungsfloß der Erkenntnis wird man durch die schwere Last der Sünden im Strom der Zeit versinken. Wer vom Krokodil der Begierde ergriffen wird, kann selbst mit allem Wissen die Erkenntnis nicht zum Rettungsfloß machen. Aus diesen Gründen wird man sich durch Gelehrtheit allein vergebens bemühen, den Strom der Zeit zu durchschwimmen. Allein durch die Erkenntnis des Brahman kann man sich über Wasser halten.

Wer in einer edlen Familie geboren wurde und die drei Aufgaben des Lernens, Opferns und Gebens erfüllt, sollte sich damit beharrlich bemühen, diesen Strom zu durchqueren. Solch ein Mensch kann durch das Floß der Erkenntnis erfolgreich sein. Wer im Verhalten rein ist, selbstgezügelt und heilsame Gelübde beachtet, wer Selbstkontrolle übt und mit Weisheit gesegnet wurde, wird in dieser und der kommenden Welt erfolgreich sein. Der Brahmane, der ein Leben als Hausvater führt, sollte auf diese Weise Zorn und Neid überwinden, alle genannten Tugenden üben, die Götter in den fünf Opfern verehren und sich von den Opferresten ernähren, nachdem die Götter, Ahnen und Gäste versorgt sind. Er folge den Pflichten der Guten, handle stets achtsam und mit gezügelten Sinnen und gewinne seinen Unterhalt, ohne andere Wesen zu verletzen und auf tugendhafte Weise. Wer in den Wahrheiten der Veden und anderen Zweigen des Lernens wohlerfahren ist, wer sein Innerstes regieren kann, wer eine klare Sicht gewonnen hat, wer die Aufgaben seiner Kaste beachtet, wer durch seine Taten die Weltordnung bewahrt, wer die Gebote der heiligen Schriften befolgt, wer voller Glauben und Vertrauen ist, wer selbstgezügelt lebt, Weisheit erwirbt und sich von Neid und Böswilligkeit befreit, und wer den Unterschied zwischen Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit wahrhaft erkannt hat, der wird alles Leiden überwinden. Der Brahmane, der voller Standhaftigkeit, stets achtsam, selbstgezügelt und wahrhaft ist, der Euphorie, Stolz und Zorn überwunden und seinen Sinne unter Kontrolle hat, der muß nie im Gram versinken. Das ist der Weg des Verhaltens, der seit alters her für einen Brahmanen bestimmt ist. Er sollte um wahrhafte Erkenntnis kämpfen und die Gebote der heiligen Schriften erfüllen. Wer so lebt, wird zweifellos erfolgreich sein. Wer dagegen keine wahrhafte Sicht hat, wird sich immer wieder falsch entscheiden, selbst wenn er das Rechte tun möchte. Ist die Sicht getrübt, sind auch die tugendhaftesten Handlungen mit Ungerechtigkeit belastet. Die gute Absicht wandelt sich ins Böse, und das Böse wandelt sich ins Gute. Wer diese Gegensätze nicht durch Erkenntnis überwindet, bleibt als Unwissender im Rad von Geburt und Tod gefangen.


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