Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 217 - Über Natur, Geist und Erlösung

Bhishma sprach:
Als Brahmakenner kann nicht gelten, wer die vier Merkmale nicht kennt (siehe unten), wie auch das Manifeste (Körperliche) und das Unmanifeste (Seele), welche der große Rishi (Narayana) als das Tattwam (das Sein) verkündet hat. Die Körperlichkeit sollte man als Ursache des Todes erkennen und die Seele als jenseits des Todes. Der Rishi Narayana lehrte, daß dieses ganze Weltall mit allem Belebten und Unbelebten auf dem Weg des Pravritti (Handelns) beruht, und der Weg des Nivritti (Nichthandelns) zum unmanifesten und ewigen Brahman führt. Auch Prajapati (Brahma) verkündete diesbezüglich, daß Pravritti (Handeln) die Wiedergeburt im Samsara bedeutet und Nivritti (Nichthandeln) das höchste Ziel. Dieses Höchste erreicht der Entsagende, der Gut und Böse durchschaut, der beständig nach Selbsterkenntnis sucht und sich dem Weg des Nivritti widmet. Wer dies verwirklichen möchte, sollte sowohl die unentfaltete Natur als auch den reinen Geist (Purusha) erkennen und darüber hinaus das, was jenseits dieser beiden ist, nämlich die Höchste Seele oder das Brahman. Sowohl die Natur (Prakriti) als auch der reine Geist sind ohne Anfang und ohne Ende. Beide können in ihrer Erscheinung nicht vollständig erkannt werden (denn das Wissen über sie ist unendlich). So sind beide ewig, unergründlich und größer als das Größte (grenzenlos). Bezüglich dieser (drei Merkmale) sind sie gleich. Doch höre auch den Unterschied. Die Natur ist von den drei Qualitäten (der Güte, Leidenschaft und Dunkelheit) geprägt und mit der Schöpfung beschäftigt. Der reine Geist ist davon frei. Er ist der Erkennende aller Erscheinungen der Natur. In seiner Reinheit ist er jenseits aller Qualitäten. Wie die Höchste Seele, so ist auch der reine Geist unfaßbar, weil sie beide ohne Qualitäten und damit ohne Eigenschaften sind, womit man sie von anderen unterscheiden könnte. Wie eine Person in ihre Kleidung, so ist die verkörperte Seele in die drei Qualitäten der Güte, Leidenschaft und Dunkelheit gehüllt. Doch trotz ihrer Hülle, ist die Seele mit diesen Qualitäten nicht identisch. So sollten die genannten vier Merkmale (drei Gemeinsamkeiten und ein Unterschied zwischen Natur und reinem Geist) und die Verhüllung durch die drei Qualitäten verstanden werden. Wer dies erkennt, wird an der Schwelle des Todes nicht verwirrt.

Wer höchsten Wohlstand erreichen möchte, sollte seinen Geist reinigen, Entsagung üben bezüglich des Körpers und der Sinne und sich dem Yoga hingeben, ohne nach den Früchten zu greifen. Das ganze Weltall ist von Yoga Kraft durchdrungen, die verborgen in jedem Teil wirkt und alles erleuchtet. Sonne und Mond scheinen in ihrem Glanz am Firmament durch Yoga Kraft. Aus dem Yoga kommt die Erkenntnis. Dieser Yoga wird in der Welt über alles gelobt. Welche Handlungen auch immer zerstörend für Leidenschaft und Unwissenheit wirken, diese bilden den Yoga in seinem wahren Wesen. Brahmacharya und Gewaltlosigkeit gelten als Yoga des Körpers und die Zügelung der Gedanken und der Rede als Yoga des Geistes. Die Nahrung, welche als Almosen von pflichtbewußten Zweifachgeborenen gegeben wird, ist die beste aller Nahrung. Durch diese Enthaltsamkeit beginnen die eigenen Leidenschaften, welche aus der Sünde geboren werden, zu schwinden. Ein Yogi, der von solcher Nahrung lebt, wird erfahren, wie sich seine Sinne allmählich von ihren Objekten zurückziehen. Deshalb sollte er nur soviel annehmen, wie für die Erhaltung seines Körpers notwendig ist. Die Erkenntnis, die man allmählich mit einem Geist erreicht, der dem Yoga hingegeben ist, wird während des Sterbens ihre ganze lichtvolle Kraft entfalten. Von Leidenschaft befreit wird die verkörperte Seele einen feinstofflichen Körper mit allen Sinnen der Wahrnehmung annehmen und sich frei im Raum bewegen. Wenn dieser Geist nicht mehr nach Taten greift, wird er aufgrund dieser Entsagung (auch seinen feinstofflichen Körper aufgeben) und mit der Natur (Prakriti) verschmelzen. Und wenn er nach Auflösung dieses Körpers sogar die Unwissenheit überwindet, kann er allen drei Körpern entkommen (dem grobstofflichen, feinstofflichen und ursächlichen Körper) und Befreiung erreichen. Denn Geburt und Tod der Wesen entstehen immer aufgrund von Unwissenheit. Erst wenn sich die Erkenntnis des Brahman entfaltet, gibt es diesbezüglich keinen Zwang mehr. Wer jedoch die Wahrheit negiert (und an ein illusorisches Ich glaubt) dessen Wahrnehmung wird beständig von der Geburt und dem Tod der Geschöpfe überwältigt. Die Yogis dagegen ernähren ihre Körper mit Geduld, ziehen mithilfe der Vernunft ihr Herz von allen äußerlichen Dingen zurück, entsagen der Sinneswelt und verehren die tiefgründige Sicht. Sie erreichen mit einem durch Yoga gereinigten Geist das Höchste auf dem Pfad, den die heiligen Schriften weisen. Sie erkennen es mithilfe ihrer Vernunft und wohnen in dem, was höher als alles ist und in sich selbst ruht, ohne auf etwas anderem zu beruhen. Manche verehren das Brahman durch Symbole, manche durch Qualitäten und manche als höchste Gottheit, die einem unvergänglichen Blitz in der Dunkelheit gleicht. Wer seine Sünden durch Buße verbrannt hat, gelangt schließlich zu Brahman. Diese Hochbeseelten erreichen das Höchste. Mit dem Auge der heiligen Schriften sollte man das subtile Wesen dieser verschiedenen Formen des Brahman erkennen, welche die Menschen durch Attribute trennen und verehren. Der Yogi, der den Zwang der Abhängigkeit vom Körper überwunden, jegliche Anhaftung gelöst und seinen Geist der Yoga Einsicht gewidmet hat, sollte ebenfalls als eine Form der Unendlichkeit wie die Höchste Gottheit oder die ewige Seele gelten. Dessen Herz der Suche nach Selbsterkenntnis hingegeben ist, der wird sich zunächst von der Welt der Sterblichen befreien können. Wenn er darüber hinaus alle Anhaftung überwindet, verschmilzt er mit dem Wesen von Brahman und erreicht schließlich das Höchste.

So sprachen die Vedenerfahrenen über diesen hohen Pfad, der zu Brahman führt. Wer diesen Pfad mit dem großen Opfer der Erkenntnis geht, wird das Höchste finden und jene Erkenntnis erreichen, die nicht mehr erschüttert werden kann und ihren Besitzer von allen Anhaftungen befreit. Damit gelangen sie nach dem Tod in verschiedene hohe Bereiche und werden gereinigt entsprechend ihrer Erkenntnis. So werden jene Personen mit reinem Herzen, die Zufriedenheit aus der Erkenntnis schöpfen und alle Begierde und Anhaftung überwunden haben, allmählich entsprechend ihrer Natur näher und näher zu Brahman erhoben, dieser Gottheit, die das Unentfaltete als Merkmal hat und damit ohne Geburt und Tod ist. Wenn sie erkennen, daß dieses Brahman in ihrer Seele wohnt, werden sie unsterblich und müssen nie wiedergeboren werden. Zu diesem höchsten Dasein gelangt, das unzerstörbar und ewig ist, sind sie voller Seligkeit. Die weltliche Erkenntnis besteht aus der Illusion von Sein und Nichtsein. Dadurch ist diese ganze Welt in Begierde verstrickt und kreist um sich selbst wie ein Rad. Wie sich die Fasern im Stengel der Lotusblüte durch die ganze Pflanze ziehen, so durchzieht das Gewebe der Begierde ohne Anfang und Ende den ganzen Körper. Und wie ein Weber die Fäden zu einem Stoff verwebt, so entsteht das ganze Weltall durch die verwobenen Fäden der Begierde. Wer die ständige Umgestaltung der Natur, die Natur selbst und den reinen Geist wahrhaft erkennt, wird vom Begehren frei und findet Erlösung. Diesen Pfad zur Unsterblichkeit hat der göttliche Rishi Narayana, diese Zuflucht des Universums, aus Mitgefühl zu allen Wesen klar verkündet.


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter