Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 211 - Über das Wesen der Seele

Bhishma fuhr fort:
Man sagt, alle vier Arten der unbeweglichen und beweglichen Lebewesen haben ihren Ursprung und ihr Ende im Unmanifesten. Denn das wahre Wesen des Denkens (bzw. Erkennens) liegt im Unmanifesten, in der Höchsten Seele. Wie ein riesiger Baum in einem kleinen Samenkorn verborgen ist, so nehmen auch die Wesen ihre Geburt aus dem Verborgenen. Wie sich ein Stück lebloses Eisen auf einen Magnetstein zubewegt, so ziehen die natürlichen Neigungen die Seele in ein neues Leben. Doch wahrlich, wie jene Neigungen und Ansammlungen, die aus Unwissenheit und Wahnvorstellung entstehen und bezüglich ihrer Natur leblos sind, mit der wiedergeborenen Seele verbunden erscheinen, so sind es auch jene anderen Neigungen und Sehnsüchte der Seele, die ihr geistiges Auge zu Brahman wenden und direkt von Brahman kommen.

Am Anfang war weder Erde noch Himmel, Firmament, Geschöpfe, Lebensatem, Tugend oder Sünde noch irgendetwas anderes als die Höchste Seele. Es gab keine Notwendigkeit zu solcher Gestaltung für die reine Seele. Die Seele ist ewig, unzerstörbar und in jedem Wesen. Sie ist die Ursache der Gedanken und aller Erscheinungen. Dieses Weltall, das wir wahrnehmen, wird (in den Veden) als reine Erscheinung der Unwissenheit oder Illusion beschrieben. Die Anhaftung der Seele an die Form entsteht allein durch das angesammelte Begehren. Wenn die Seele mit diesen (karmischen) Ursachen verbunden ist, kommt sie in einen Zustand der Betätigung. Aufgrund dieser Bedingungen (weil die Taten Begierde erzeugen und damit immer neue Taten) kreist dieses umfassende Rad der Existenzen ohne Anfang und Ende. Das Unentfaltete (bzw. Karma) ist die Nabe dieses Rades. Das Entfaltete (das Körperliche mit den Sinnen) bildet die Speichen, und die Wahrnehmungen und Taten bilden den äußeren Radkranz. Das Rad wird durch die Qualität von Rajas (der Leidenschaft) angetrieben und die Seele (als ewiger Zeuge) thront über jeder Umkreisung. Und wie eine Ölmühle die Sesamkörner, so wird in diesem Rad für die gute Ölung die Welt vom Tode bedrückt und zerrieben. In dieser Abfolge der Existenzen verstrickt sich das lebende Wesen aufgrund von Begierde und ergriffen von der Ichvorstellung in sein eigenes Handeln. Durch die Verbindung von Ursache und Wirkung werden diese Taten wieder zu neuen Ursachen. Weder verliert eine Ursache ihre Wirkung, noch verschwindet die Wirkung einer Ursache. Es ist die Zeit, die für jede Ursache die entsprechende Wirkung entfaltet. Die acht ursprünglichen Essenzen der Natur (wie oben erwähnt: das Unentfaltete, die Intelligenz, das Bewußtsein und die fünf Elemente) und ihre sechzehn Erscheinungen (die fünf Sinnesorgane, Handlungsorgane, Sinnesobjekte und das Denken), die voller Ursachen sind, bestehen in einer Einheit, denn die Seele durchdringt sie alle voll und ganz.

Wie Staub vom Wind aufgewirbelt und davongetragen wird, so wird die verkörperte Seele im Tode durch ihre Neigung zur Leidenschaft und Dunkelheit aufgrund von Ursachen, welche durch die Taten vorhergehender Leben angesammelt wurden, in Bewegungen gesetzt und folgt der Richtung, welche die Höchste Seele vorgibt. Die Höchste Seele bleibt jedoch von diesen Neigungen unberührt, wie der Wind, der wesenhaft rein ist, durch den Staub nicht verunreinigt wird, den er davonträgt. Wie dieses Spiel von Wind und Staub, so sollte der Weise die Verbindung zwischen dem erkennen, was man Körper und Seele nennt. Keiner sollte glauben, daß die Seele aufgrund ihrer äußerlichen Verbindung mit dem Körper, den Sinnen, den verschiedenen Neigungen und ihrem Glauben und Unglauben ohne diese Erscheinungen nicht sein könnte. Die Seele besteht in ihrem eigenen, reinen Wesen.

Bhishma fuhr fort:
Damit löste der göttliche Rishi die Zweifel, die den Geist seines Schülers in Besitz genommen hatten. So sollte man das Wesen der Seele abhängig vom Gesetz von Ursache und Wirkung erkennen. Wie Samen, die vom Feuer verbrannt wurden, nicht mehr keimen, so kann die Seele, wenn alle Ursachen des Leidens im Feuer wahrhafter Erkenntnis verbrannt werden, dem Zwang zur Wiedergeburt in der Welt entkommen.


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