Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 199 - Die Geschichte vom Mantramurmler

Yudhishthira sprach:
Du hattest den Disput zwischen der Zeit, Mrityu, Yama, Ikshvaku und einem Brahmanen erwähnt. Mögest du mir diese Geschichte vollständig erzählen.

Bhishma sprach:
Ja, zu diesem Thema gibt es die alte Geschichte darüber, was zwischen Ikshvaku, dem Nachkomme von Surya (Sonnengeschlecht), und einem mantramurmelnden Brahmanen sowie der Zeit und Mrityu geschah. Höre von mir über die Geschehnisse und das Gespräch, was sie damals führten. Einst gab es einen Brahmanen mit großem Ruhm und frommem Verhalten. Er war ein Mantramurmler, der mit großer Weisheit gesegnet und mit den sechs Angas (der vedischen Wissenschaften von Phonetik, Metrik, Grammatik, Etymologie, Astronomie und Ritual) wohlbekannt war. Er war aus dem Stamme Kushikas und der Sohn von Pippalada. Er erwarb (durch seine Entsagung) die geistige (intuitive) Einsicht in die Angas. Er wohnte am Fuße des Himavat und war den Veden gewidmet. Still murmelte er die heiligen Mantras und übte strenge Entsagung, um das Brahman zu erreichen. Tausend Jahre gingen dahin, während er fastete und seinen Gelübden treu war. Dann zeigte sich ihm die Göttin (Savitri) und sprach: „Ich bin zufrieden mit dir.“ Doch der Brahmane fuhr fort, die heiligen Mantras zu murmeln, blieb schweigsam und sprach kein Wort zur Göttin. Die Göttin hatte Mitgefühl mit ihm, war zufrieden und lobte als Mutter der Veden die Rezitation des Brahmanen. Am Ende der Rezitation stand der Brahmane auf und verneigte sich demütig vor den Füßen der Göttin. Dann sprach der tugendhafte Mantramurmler zu Savitri:
Durch ein gutes Schicksal, oh Göttin, bist du mit mir zufrieden und vor meinem Angesicht erschienen. Wahrlich, wenn du mir geneigt bist, dann möge sich mein Herz stets am Murmeln der Mantras erfreuen.

Darauf antwortete Savitri (die Göttin des Lernens):
Was erbittest du, oh zweifachgeborener Rishi? Welchen Wunsch soll ich dir erfüllen? Sage mir das, oh Erster der Mantramurmler, und alles wird nach deinem Wunsch geschehen.

So angesprochen von der Göttin antwortete der pflichtbewußte Brahmane:
Mein Wunsch möge sein, daß meine Rezitationen immerfort gedeihen mögen. Laß damit, oh verheißungsvolle Göttin, die Versenkung meines Geistes im Samadhi vollkommen werden.

Die Göttin antwortete freundlich: „So sei es, wie du wüschst!“ Und um dem Brahmanen Gutes zu tun, sprach die Göttin noch einmal zu ihm:
Du sollst nicht auf Abwege kommen, wie so manche kraftvollen (mantramurmelnden) Brahmanen. Du sollst das Reich von Brahma erreichen, das ungeschaffen und vollkommen ist. Das vollbringe ich, und der Wunsch, den du erbeten hast, wird geschehen. Rezitiere weiter mit gezügelter Seele, voller Hingabe und gesammelter Achtsamkeit. Der Gott Dharma wird persönlich zu dir kommen, wie auch die Zeit, Mrityu und Yama dich besuchen werden. Dann wird sich hier zwischen dir und ihnen ein Gespräch über eine wichtige Frage der Tugend erheben.

Bhishma fuhr fort:
Nachdem die Göttin diese Worte gesprochen hatte, zog sie sich in ihre eigene Wohnstätte zurück. Und der Brahmane widmete sich weitere tausend himmlische Jahre dem Murmeln der heiligen Mantras. Er zügelte seinen Zorn, übte stets Selbstkontrolle und verbrachte seine Zeit, beständig der Wahrheit hingegeben und frei von jeder Böswilligkeit. Als der weise Brahmane diese Gelübde vollbracht hatte, erschien Dharma, der mit ihm zufrieden war, persönlich vor dem Zweifachgeborenen.

Und Dharma sprach:
Oh Brahmane, schau mich an, ich bin Dharma (der Gott der Gerechtigkeit). Ich bin hierhergekommen, um dich zu sehen. Du hast die Früchte deiner Rezitation gewonnen. Höre mich, was der Lohn dafür ist: Du hast alle Regionen der Glückseligkeit erreicht, welche den Göttern und Menschen gehören. Oh bester Mann, du sollst vor allem die Wohnstätten der Götter ersteigen. Oh Asket, gib den Lebensatem auf und geh in die Bereiche, die du wünschst. Hast du erst deinen irdischen Körper abgeworfen, wirst du viele Bereiche der Glückseligkeit gewinnen.

Doch der Brahmane sprach:
Was habe ich mit jenen Bereichen der Glückseligkeit zu tun, von denen du sprichst? Oh Dharma, geh, wohin es dir beliebt. Ich werde diesen Körper nicht verwerfen, oh mächtiger Herr, der ein (verdienstvoller) Ort der intensiven Erfahrung von Glück und Leid ist.

Dharma sprach:
Notwendigerweise wirst du deinen Körper, oh Erster der Asketen, aufgeben müssen. Dann steige zum Himmel, oh Brahmane! Oder sag mir, was dich sonst erfreuen könnte, oh Sündloser.

Der Brahmane sprach:
Oh mächtiger Herr, ich wünsche nicht, im Himmel zu wohnen und diesen Körper abzuwerfen. Geh nur, oh Dharma! Ich begehre weder den Himmel noch das Verlassen dieses Körpers.

Darauf sprach Dharma (herausfordernd):
Hänge nicht an diesem Körper! Wirf ihn ab und sei glücklich! Geh in die Bereiche, die von jeder Leidenschaft frei sind. Wahrlich, bist du dort angekommen, wirst du nie mehr irgendwelches Leiden fühlen müssen.

Der Brahmane antwortete:
Oh höchst Gesegneter, ich bin vollkommen selig im Rezitieren. Welches Bedürfnis sollte ich für jene ewigen Bereiche haben, von denen du sprichst? Wahrlich, oh mächtige Herr, ich wünsche nicht, diesen Körper zu verlassen und zum Himmel zu gehen (als Lohn der Askese).

Dharma sprach:
Wenn du deinen Körper nicht aufgeben möchtest, oh Zweifachgeborener, dann schau dort die Zeit (als Vergänglichkeit) und dort Mrityu (als Tod) und dort Yama (als Herrscher über das Totenreich), wie sie gemeinsam auf dich zukommen!

Bhishma fuhr fort:
Oh gesegneter König, nachdem Dharma (als Weltordnung) so gesprochen hatte, traten Yama, der Sohn des Sonnengottes, die Zeit und Mrityu, diese Dreiheit (die alle Geschöpfe aus der Welt zieht), vor das Angesicht des Brahmanen, um ihn anzusprechen.

Und Yama sprach:
Ich bin Yama und verkünde dir, daß ein hoher Lohn für diese wohlvollbrachte Buße und dein frommes Verhalten auf dich wartet.

Und die Zeit sprach:
Du hast wahrlich hohen Lohn gewonnen, indem du den Weg der Mantra Rezitation vollendet hast. Die Zeit ist für dich gekommen, zum Himmel aufzusteigen. Wisse, ich selbst bin die Zeit und dir persönlich erschienen.

Und Mrityu sprach:
Oh Pflichtbewußter, erkenne mich als Mrityu (Tod) in persönlicher Form. Von der Zeit gebeten, bin ich zu dir gekommen, um dich abzuholen, oh Brahmane.

Darauf sprach der Brahmane:
Seid herzlich willkommen ihr Hochbeseelten - Yama, Zeit, Mrityu und Dharma! Was kann ich heute für euch tun?

Bhishma fuhr fort:
Dann verehrte der Brahmane sie mit Wasser zum Waschen ihrer Füße und dem üblichen Arghya (als Willkommensgabe). Als sie damit zufrieden waren, fragte er erneut: „Was kann ich mit meiner Kraft für euch tun?“ In diesem Moment, oh Monarch, erschien König Ikshvaku, der zu einer Pilgerreise zu den heiligen Gewässern und Schreinen aufgebrochen war, an diesem Ort, wo jene Götter versammelt waren. Der königliche Weise Ikshvaku neigte sein Haupt in Verehrung vor allen und fragte nach ihrem Wohlergehen. So gab der Brahmane auch dem König einen Sitz, Wasser für seine Füße und das übliche Arghya. Und nach den gewöhnlichen Fragen zum Wohlergehen sprach er zu ihm:
Sei willkommen, oh großer Monarch. Sage mir, was deine Wünsche sind. Möge der Edelmann mir offenbaren, was ich ihm mit meiner Kraft vollbringen kann.

Der König sprach:
Ich bin ein König, und du bist ein Brahmane im Gelübde der sechs wohlbekannten Aufgaben (Rezitieren, Belehren, Opfern, Amtieren, Geben und Nehmen). So bin ich es, der dir Reichtum geben sollte. Das ist wohlbekannt. Sage mir, wieviel ich dir geben soll.

Doch der Brahmane antwortete:
Es gibt zwei Arten der Brahmanen, oh Monarch, wie auch zwei Wege der Tugend. Die einen handeln in der Welt, und die anderen ziehen sich zurück. Ich habe mich in die Einsamkeit zurückgezogen und bedarf keiner Geschenke. Gib den Reichtum an jene, oh König, die den Weg der weltlichen Tätigkeit gehen. Ich werde dein Geschenk nicht annehmen. Aber ich frage dich, was zu deinem Wohle wäre? Was soll ich dir geben? Sage es mir, oh Erster der Könige, und ich werde es mit der Kraft meiner Entsagung vollbringen.

Der König sprach:
Ich bin ein Kshatriya und kenne nicht das Wort „Gib!“. Das einzige, oh Bester der Zweifachgeborenen, was wir diesbezüglich sagen ist: „Gib uns einen Kampf!“

Der Brahmane sprach:
Du bist mit den Aufgaben deiner Kaste zufrieden, wie auch ich mit den meinen, oh König. Diesbezüglich sind wir gleich. So handle, wie es dir beliebt!

Darauf sprach der König (herausfordernd):
Wenn du darauf bestehst, mir nach deinen Kräften etwas zu geben, dann müßte ich dich um etwas Großes bitten, oh Zweifachgeborener, wie zum Beispiel um die Früchte deines Mantramurmelns.

Der Brahmane antwortete:
Wenn du dich rühmst, immer nur um Kampf zu bitten, warum erbittest du nicht den Kampf mit mir?

Der König sprach:
Man sagt, daß die Brahmanen mit dem Donnerkeil der Worte bewaffnet sind wie die Kshatriyas mit der Kraft ihrer Arme. Damit hat sich, oh gelehrter Brahmane, ein Kampf der Worte zwischen mir und dir erhoben.

Der Brahmane sprach:
Gut, ich bin heute dazu entschlossen. Was soll ich dir gemäß meiner Kraft geben? Sage es mir, oh König der Könige, und ich werde dir geben, was ich als Reichtum habe. Zögere nicht!

Und der König sprach:
Wenn du mir wahrlich etwas geben möchtest, so gib mir die Früchte, die du mit dem Mantramurmeln über tausend Jahre gewonnen hast.

Der Brahmane sprach:
So sei es! Ich gebe dir die höchste Frucht meines Mantramurmelns. Wahrlich, nimm die Hälfte von dieser Frucht oder wenn du darauf bestehst, oh König, so nimm auch die ganze Frucht meiner Rezitationen.

Der König sprach:
Du bist wahrlich gesegnet, daß du mir alle Früchte so selbstlos anbietest, die ich erbat. Höchst gesegnet seist du, ich gebe mich diesbezüglich geschlagen! Sage mir nun, um was für Früchte es sich eigentlich handelt.

Der Brahmane sprach:
Ich weiß nicht, welche Früchte ich gewonnen habe. Dennoch habe ich sie dir alle übergeben, was es auch sei. Jene dort, Dharma, Kala, Yama und Mrityu sind die Zeugen dafür.

Der König sprach:
Was nützen mir Früchte, die ich nicht kenne? Wenn du mir nicht sagst, was die Früchte deines Mantramurmelns sind, dann behalte sie! Warum sollte ich etwas Zweifelhaftes annehmen?

Der Brahmane sprach:
Ich kann diesbezüglich keine Ablehnung akzeptieren. Ich habe dir die Früchte meiner Rezitationen gegeben. So laß, oh königlicher Weiser, sowohl dein als auch mein Wort wahr werden. Mit dem Murmeln der Mantras habe ich nie irgendeine bestimmte Absicht verfolgt. Wie sollte ich, oh Tiger unter den Königen, die Früchte dafür kennen? Du sagtest „Gib!“, und ich sprach „Ich gebe!“. Diese Worte mögen wahr sein. Bleibe wahrhaftig und wanke nicht, oh König! Wenn du dein Wort zurückziehst, wirst du eine große Sünde der Unwahrhaftigkeit begehen. Oh Feindevernichter, mögest du nicht der Lüge verfallen! Auch ich wage es nicht, mein Wort zu brechen. Ich sprach, ohne zu zögern „Ich gebe!“. Wenn du wahrhaftig bist, so akzeptiere meine Gabe. Du kamst hierher, oh König, und hast mich um die Früchte meiner Rezitationen gebeten. So nimm, was ich gegeben habe, wenn du zur Wahrheit stehst. Wer der Unwahrheit verfallen ist, für den ist weder diese Welt noch die folgende. Wie sollte er seine Ahnen retten? Wie könnte er seinen Nachkommen Gutes tun? All der Lohn von Opfern und Geschenken wie auch von Fasten und religiösen Gelübden ist nicht so heilsam wie die Wahrheit sowohl in dieser als auch in der kommenden Welt, oh Bulle unter den Männern. All deine Entsagung der Vergangenheit und Zukunft über hunderte oder tausende Jahre wird in ihrer Wirkung niemals die Wahrheit übertreffen. Wahrheit ist unvergängliches Brahman. Wahrheit ist unvergängliche Entsagung. Wahrheit ist unvergängliches Opfer. Wahrheit ist unvergängliches Wissen. Wahrheit lebt in den Veden. Wahrheit bringt die höchsten Früchte. Aus der Wahrheit entstehen Gerechtigkeit und Selbstzügelung. Alles beruht auf Wahrheit. Wahrheit sind die Veden mit ihren Zweigen. Wahrheit ist höchste Erkenntnis. Wahrheit ist die Weltordnung. Wahrheit ist höchstes Gelübde und höchste Entsagung. Wahrheit ist die ursprüngliche Silbe OM. Wahrheit ist der Ursprung aller Wesen. Wahrheit ist ihr Gedeihen. Durch die Wahrheit bewegt sich der Wind, und die Sonne gibt ihr Licht. Durch die Wahrheit brennt das Feuer. Auf der Wahrheit beruht der Himmel. Wahrheit ist Opfer, Askese, Veden, Gesänge, Mantras und Sarasvati. Wir hörten, daß einst die Wahrheit und alle religiösen Gelübde auf eine Waage gelegt wurden. Die Wahrheit war gewichtiger. Es gibt Wahrheit, wo Gerechtigkeit ist. Alles gedeiht durch die Wahrheit. Warum, oh König, möchtest du eine Handlung begehen, die mit Unwahrheit befleckt ist? Sei wahrhaftig und betrüge dich nicht selbst, oh Monarch! Du sagtest „Gib!“. Warum willst du dein Wort brechen? Wenn du dich, oh Monarch, weigerst, die Früchte zu akzeptieren, die ich dir aus dem Mantramurmeln gegeben habe, wirst du als Lügner durch die Welt wandern müssen. Wer nicht gibt, was er versprochen hat, ist ebenso unwahrhaftig, wie jener, der nicht annimmt, worum er gebeten hat. Es ziemt sich nicht für dich, oh König, dein Wort zu brechen.

Der König antwortete:
Zu kämpfen und zu beschützen sind die Aufgaben der Kshatriyas. Man kennt sie als die Gebenden. Warum sollte ich irgendetwas von dir annehmen müssen?

Der Brahmane sprach:
Ich habe dir nichts aufgedrängt, oh König. Oder suchte ich dein Haus auf? Du selbst bist hierhergekommen und hast diese Gabe erwünscht. Warum nimmst du sie jetzt nicht?

Da sprach Dharma:
Erkennt mich beide als Dharma, den Gott der Gerechtigkeit. Möge kein Streit zwischen euch sein! Möge der Brahmane den Lohn des Gebens und der Monarch das Verdienst der Wahrhaftigkeit erhalten.

Darauf sprach der Himmel:
Wisse, oh großer König, daß ich als Himmel persönlich zu dir komme. Um euren Streit zu beenden, versichere ich euch beiden des gleichen himmlischen Lohnes.

Der König sprach:
Ich verlange nicht nach dem Himmel. Geh, oh Himmel, woher du gekommen bist! Wenn dich dieser gelehrte Brahmane wünscht, dann gib ihm den Lohn, den du mir versprichst.

Darauf antwortete der Brahmane:
Wenn ich in meiner Jugend auch aus Unwissenheit meine Hand zum Nehmen ausgestreckt habe, so übe ich doch jetzt mit dem Murmeln der heiligen Mantras das Gelübde der Entsagung. Warum, oh König, versuchst du mich so hartnäckig, der ich schon so lange in Entsagung lebe? Wahrheit allein sei mein Weg! Ich möchte keinen Anteil am Lohn haben, der durch dich, oh Monarch, gewonnen wurde. Ich bin der Askese und dem Studium der Veden gewidmet und entsage allem Wünschen.

Der König sprach:
Wenn du, oh Brahmane, mir wirklich den ausgezeichneten Lohn deines Mantramurmelns geben willst, dann laß die Hälfte davon mein sein und nimm gleichzeitig die Hälfte des Lohnes, den ich durch meine Taten gewonnen habe. Brahmanen sollten nehmen können, und die Mitglieder der königlichen Kaste sollten geben können. Wenn du die Aufgaben (unserer beiden Kasten) kennst, dann laß unsere Früchte vereint sein. Wenn du jedoch nicht wünschst, diesbezüglich mir gleich zu sein, dann nimm den ganzen Lohn an, den ich gewonnen habe. Gewähre mir die Gnade, meinen Verdienst dir zu widmen.

Bhishma fuhr fort:
In diesem Moment erschienen zwei sonderbare Gestalten an jenem Ort. Jeder hatte den Arm auf der Schulter des anderen gestützt, und beide waren schlecht gekleidet.

Der eine sprach:
Du schuldest mir nichts, aber ich bin in deiner Schuld. Wenn wir uns diesbezüglich streiten, dann sieh dort den König der Menschen. Ich sage dir aufrichtig, du schuldest mir nichts! Du lügst, wenn du das Gegenteil behauptest!

Beide waren höchst erhitzt durch ihren Streit und sprachen zum König:
Oh Gerechter, entscheide so, daß keiner von uns mit Sünde befleckt werden kann!

Virupa (der „Bucklige“) sprach:
Ich schulde meinem Begleiter Vikrita den Verdienst einer geschenkten Kuh, oh Monarch. Ich bin bereit, diese Schuld zu bezahlen. Doch Vikrita weigert sich, die Gegengabe anzunehmen.

Vikrita (der „Häßliche“) sprach:
Dieser Virupa, oh Monarch, schuldet mir nichts. Er spricht eine Lüge in Verkleidung der Wahrheit, oh König.

Der König sprach:
Erzähle mir, oh Virupa, was du angeblich deinem Freund hier schuldig bist. Ich bin entschlossen, euch zu hören und danach zu entscheiden, was hier gerecht ist.

Virupa sprach:
Höre aufmerksam, oh König, alle Umstände im Detail, wie ich vor meinem Begleiter Vikrita schuldig geworden bin, oh Herrscher der Menschen. Dieser Vikrita, oh königlicher Weiser, hatte vor einiger Zeit um Verdienst zu gewinnen eine vorzügliche Kuh an einen Brahmanen gegeben, welcher der Entsagung und dem Studium der Veden gewidmet war. Ich ging dann zu Vikrita, oh König, und bat um den Lohn dieser Tat. Mit reinem Herzen gab er mir den Lohn als Geschenk. Ich selbst führte dann für meine Reinigung viele tugendhafte Handlungen durch. Ich kaufte auch zwei Kapila Kühe mit Kälbern, die beide große Mengen Milch geben konnten. Diese gab ich als Geschenk mit den traditionellen Riten und rechter Hingabe an einen armen Brahmanen, der von herabgefallenen Körnern lebte. Und weil ich einst den Verdienst als Geschenk von meinem Begleiter erhalten hatte, wünsche ich nun, oh Herr, den doppelten Lohn zurückzugeben. So sind die Umstände, oh Tiger unter den Männern. Wer von uns ist nun schuldig, und wer ist unschuldig? Mit diesem Streit sind wir beide zu dir gekommen, oh König! Wie du entscheidest, so wollen wir zufrieden sein. Ob mein Begleiter das Geschenk annehmen soll, das ich ihm als Ausgleich anbiete, das mögest du als gerechter König entscheiden, und damit uns beiden den richtigen Weg weisen.

Der König sprach:
Warum, oh Vikrita, akzeptierst du die Gabe nicht, welche dir aufgrund deiner Gabe zum Begleichen der Schuld gegeben werden soll? Zögere nicht und nimm die Gabe an, welche dir zusteht.

Doch Vikrita antwortete:
Jener behauptet, daß er mir etwas schuldet. Ich sagte ihm, was ich gegeben habe, habe ich selbstlos gegeben. Er schuldet mir deshalb nichts. Möge er gehen, wohin er wünscht!

Der König sprach:
Er ist bereit, dir etwas zu geben. Du jedoch, bist widerwillig es zu nehmen. Das scheint mir nicht richtig. Ich denke, daß du diesbezüglich Strafe verdienst. Daran gibt es kaum Zweifel.

Vikrita sprach:
Ich gab ihm ein Geschenk, oh königlicher Weise! Wie kann ich es zurücknehmen? Wenn ich jedoch schuldig bin, dann sprich die Strafe aus, oh Mächtiger!

Virupa sprach:
Wenn du dich weiterhin weigerst, zu nehmen, was ich dir gern geben möchte, so wird dich dieser König sicherlich bestrafen, denn er ist der Bewahrer der Gerechtigkeit.

Vikrita sprach:
Gebeten von dir, gab ich dir, was mein Eigen war. Warum sollte ich es jetzt wieder annehmen? Du magst gehen, frei von jeder Schuld!

Der Brahmane sprach:
Du hast, oh König, die Worte dieser beiden gehört. So nimm auch ohne Widerwillen das an, was ich gelobt habe, dir zu geben.

Der König sprach:
Diese Problematik ist wahrlich tief wie ein unergründlicher Abgrund. Wie könnte die Hartnäckigkeit dieses Mantramurmlers enden? Wenn ich nicht akzeptiere, was mir dieser Brahmane geben will, wie könnte ich vermeiden, mit großer Sünde befleckt zu werden?

Darauf sprach der königliche Weise zu den zwei Streitenden:
Geht ihr beiden, euer Streit ist entschieden! Da ihr mich gefragt habt, darf die königliche Pflicht nicht vernachlässigt werden. Es ist wichtig, daß die Könige ihre Aufgaben erfüllen. Zu meinem Unglück jedoch stehen die für Brahmanen vorgeschriebenen Aufgaben meiner Pflicht entgegen.

Der Brahmane sprach:
Oh König, akzeptiere, was ich dir schuldig bin! Du hast mich darum gebeten, und so bin ich verpflichtet, dir zu geben. Wenn du dich weigerst, oh Monarch, wird dich sicherlich ein Fluch treffen.

Der König sprach:
Schande auf die königlichen Pflichten, darüber zu entscheiden, was von selbst entsteht! So sollte ich wohl annehmen, was du gibst, um die Wahrhaftigkeit für uns beide zu bewahren. Sieh meine Hand, die nie zuvor zur Annahme von Geschenken ausgestreckt war, ich halte sie dir entgegen. So gib, was du mir schuldest.

Der Brahmane sprach:
Wenn ich irgendwelche Früchte durch das Murmeln der heiligen Mantras gewonnen habe, so seien sie alle dein!

Der König sprach:
Oh Bester der Brahmanen, auch ich wünsche dir zu geben, was ich durch mühevolles Handeln erreicht habe. Nimm es an! Möge der Verdienst uns gemeinschaftlich gehören!

Virupa sprach:
Oh König, erkenne, daß wir beide die Begierde und der Haß (bzw. die Ablehnung) sind. Es geschah durch uns, daß du auf diese Weise gehandelt hast. Weil du jedoch das Wort „gemeinschaftlich“ ausgesprochen hast, so möge Gleichheit zwischen dir und dem Brahmanen bezüglich der gewonnen Welten großer Glückseligkeit sein. Denn wahrlich, wir schulden uns gegenseitig nichts. Für dein Wohl haben wir dich auf die Probe gestellt. Wir alle - Zeit, Gesetz, Tod, Begierde und Haß - haben hier vor deinen Augen dein innerstes Wesen geprüft und diesen Disput zwischen dir und diesem Brahmanen hervorgebracht. Geh nun, wie es sein soll, zu jenen Bereichen der Glückseligkeit, die deinem Wesen entsprechen.

Bhishma fuhr fort:
So habe ich dir erzählt, wie Mantramurmler ihre Früchte erhalten und welche Regionen sie erreichen können. Wer die heiligen Mantras voller Hingabe rezitiert, der geht zu Brahma, Agni oder den Bereich von Surya. Wer sich an ihrem energievollen Wesen erfreut und sich vollkommen hingibt, der wird eins mit den Qualitäten jener hohen Bereiche. Ob er zu Soma, Vayu, Erde oder Raum wird, er wohnt in ihnen voller Liebe und bewegt sich in ihren Qualitäten. Und wenn er dann erkennend, sich auch von dieser Liebe befreit und den Weg zum Höchsten und Unveränderlichen geht, dann wird er sogar Das erreichen. Damit geht er von Unsterblichkeit zu Unsterblichkeit, von Begierde frei und ohne abgetrenntes Bewußtsein. Er wird das Brahman selbst, frei vom Einfluß der Gegensätze, selig, still und ohne Leid. Wahrlich, so erreicht er das Leidlose, was man die zeitlose Stille oder das ewige Brahman nennt, von wo es keine Rückkehr gibt, das Eine und Unveränderliche. Dort ist Freiheit von Anhaftung, von Bedingungen und Eigenschaften. Ist der Schöpfer überwunden, verschmilzt man mit dem Einen, dem Höchsten Selbst. Oder man wird aus Liebe zum Herrscher des Universums und erreicht alles, was man wünscht. Oder man blickt auf die Welten, die dagegen wie Höllen erscheinen, und kann sich auch hier frei von Begierde und jeglicher Anhaftung ungebunden bewegen. Damit habe ich dir, oh Monarch, den Weg der Mantramurmler ausführlich erklärt. Was möchtest du weiter noch hören?


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