Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 179 - Über das Gelübde des Ajagara

Yudhishthira sprach:
Oh Kenner der Menschen, erzähle mir, wie man in dieser Welt frei von Leiden leben kann. Wie sollte man handeln, um das höchste Ziel zu erreichen?

Bhishma sprach:
Diesbezüglich wird die alte Geschichte über ein Gespräch zwischen Prahlada und dem Weisen Ajagara erzählt. Einst befragte der höchst intelligente König Prahlada (der Führer der Dämonen) einen wandernden Brahmanen mit großer Weisheit und gestillter Seele.

Prahlada fragte:
Befreit von Begierde, mit gereinigter Seele, voller Demut und Selbstzügelung, ohne Verlangen nach Handlungen, frei von Böswilligkeit, freundlich in der Rede, mit Würde, Intelligenz und Weisheit lebst du (einfältig) wie ein Kind. Du begehrst keinerlei Gewinn und erleidest keinerlei Verlust. Stets zufrieden, oh Brahmane, scheinst du in dieser Welt nichts mehr zu bedenken. Während alle anderen Wesen vom Strom der Begierden und Leidenschaften davongetragen werden, scheinst du in allen Handlungen für Tugend, Gewinn und Vergnügen völlig gleichmütig zu sein. Du scheinst in einem unverwirrbaren Zustand der Ruhe zu leben. Unbekümmert von den Sinnesobjekten gehst du als freie Seele dahin, wie ein bloßer Zuschauer. Was, oh Heiliger, ist deine Weisheit, deine Lehre und dein Verhalten? Belehre mich, oh Brahmane, wenn du meinst, daß es gut für mich ist!

Darauf antwortete der weise Brahmane, der mit den Aufgaben in der Welt (dem Dharma) wohlbekannt war, mit freundlichen Worten voller Bedeutung:
Erkenne, oh Prahlada, daß die Geburt der Wesen, ihr Wachstum, Zerfall und Tod keine greifbare Ursache (bzw. Essenz oder Sinn) haben. Deshalb hängt mein Herz weder an der Freude noch am Leid. Wie man sieht, fließen alle Neigungen, die im Weltall bestehen, aus der innersten Natur der Wesen. Alles ist von der jeweiligen Natur bedingt. Folglich habe ich keinen Grund mich über irgendetwas besonders zu freuen. Erkenne, oh Prahlada, daß alle Verbindungen wieder zerfallen müssen. Jede Ansammlung muß im Verlust enden. Folglich strebe ich nicht nach irgendeinem Gewinn. Alle Erscheinungen, die Eigenschaften haben, müssen zwangsläufig wieder vergehen. Was bleibt dann noch für jemanden wie mich zu tun, der sowohl den Ursprung als auch das Ende aller Erscheinungen kennt? Alles Große und Kleine, was einst im Wasser geboren wurde, wird man wieder sterben sehen. So sehe ich auch, oh Führer der Dämonen, den sicheren Tod für alle Geschöpfe auf Erden, wie die Pflanzen und Tiere. Oh Bester der Danavas, der Tod kommt zu seiner Zeit sogar zum Stärksten der geflügelten Wesen, die den Himmel durchstreifen. Ich sehe sogar die großen und kleinen Leuchtkörper, welche sich am Firmament bewegen, herabfallen, wenn ihre Zeit gekommen ist. Mit dieser Erkenntnis, daß alle Geschöpfe dem Tod und Verfall unterworfen und damit von gleicher Natur sind, ruhe ich in Frieden ohne jegliche Angst im Herzen. Wenn mir eine reichliche Mahlzeit gegeben wird, habe ich keine Bedenken, sie zu genießen. Doch wenn nicht, dann verbringe ich auch viele Tage, ohne etwas zu essen. Manchmal gibt mir die Welt vorzügliche Nahrung im Überfluß, manchmal nur kleine Mengen, manchmal noch weniger und manchmal auch gar nichts. Manchmal esse ich nur eine Handvoll Körner, manchmal trockenen Sesam, aus dem das Öl gepreßt wurde, manchmal Reis und andere reichhaltige Nahrung. Manchmal schlafe ich auf feinstem Polster, manchmal auf bloßer Erde und manchmal steht mein Bett in einem prunkvollen Palast. Manchmal trage ich Lumpen, manchmal Hanf oder Leinen, manchmal Hirschfelle oder kostbarste Roben. Ich weise keinen Genuß zurück, der mit der Tugend im Einklang steht und mir ohne besondere Mühe zuteil wird. Ich kämpfe nie um solche Dinge, die schwer zu erreichen sind.

Das Gelübde, das ich beständig beachte, wird Ajagara genannt. (Ajagara ist eine große Python, die unbeweglich wartet und verspeist, was in ihre Reichweite kommt.) Dieses Gelübde führt zur Unsterblichkeit, ist verheißungsvoll, leidlos, unvergleichbar und rein. Es steht mit den Lehren der Weisen im Einklang und wird von den Unwissenden mißachtet, welche diesem Gelübde niemals folgen. Mit reinem Herzen gehe ich diesen Weg, und mein Geist weicht nie davon ab. Ich folge den Methoden meiner Kaste und bin in allem enthaltsam. Ich kenne Vergangenheit und Zukunft. Ohne Angst, Zorn, Begierde und Verblendung folge ich diesem Gelübde mit reinem Herzen. Es gibt keine Beschränkungen bezüglich Essen und Trinken und den anderen Dingen des Vergnügens für einen, der dieses Gelübde übt. Weil alles vom Schicksal abhängig ist, gibt es für uns auch keine Rücksicht auf Zeit und Ort. Dieses Gelübde, dem ich folge, führt zu wahrem Glück im Herzen. Übelgesinnte mißachten es. Ich folge ihm mit reinem Herzen. Von Habgier getrieben begehren die Menschen verschiedenste Arten des Reichtums. Ihr Streben verwirrt sie, und so werden sie bald von Sorgen erdrückt. Nach aufrichtiger Betrachtung mithilfe meiner Intelligenz, welche in die Wahrheit der Erscheinungen eingedrungen ist, folge ich diesem Gelübde mit reinem Herzen. Ich habe edle Menschen gesehen, die sich in ihrer qualvollen Suche nach Reichtum zum Sklaven der Unedlen gemacht haben. Der Stille gewidmet und mit gezügelten Leidenschaften folge ich dem Gelübde mit reinem Herzen. Ich sehe mithilfe der Wahrheit, daß Glück und Elend, Verlust und Gewinn, Anhaftung und Verzicht, Tod und Leben stets vom Schicksal bestimmt werden und folge dem Gelübde mit reinem Herzen. Frei von Angst, Anhaftung, Verblendung und Stolz, gesegnet mit Weisheit, Einsicht und Vernunft, sowie der Stille gewidmet und bedenkend, wie die großen Schlangen bewegungslos auf die Nahrung warten, die von selbst zu ihnen kommt, folge ich dem Gelübde mit reinem Herzen. Ohne Beschränkungen bezüglich Unterkunft und Ernährung, begabt durch meine Natur mit Selbstzügelung, Entsagung, reinem Gelübde, Wahrhaftigkeit und Reinheit des Verhaltens, sowie ohne jeglichen Wunsch irgendetwas für die Zukunft anzusammeln, folge ich mit heiterem und reinem Herzen dem Gelübde. Alle Ursachen für Sorgen sind aufgrund der Wunschlosigkeit vergangen. Ich habe einen Zugang zum Licht gefunden und folge dem Gelübde mit reinem Herzen, um meine Seele zu zügeln, die ungezügelt dem Durst verfallen war, aber fähig ist, in sich selbst zu ruhen. Ohne jene Sorgen zu beachten, zu denen mich Herz, Denken und Worte gern verführen würden, und erkennend, daß daraus nur mühsames und schnell vergängliches Glück entsteht, folge ich dem Gelübde mit reinem Herzen. Gelehrte Menschen mit großer Intelligenz, die begierig sind, ihre eigenen Leistungen zu verkünden, sprachen, während sie ihre eigenen Theorien lobten und andere tadelten, dies und das zu diesem Thema, welches jedoch durch Wortgefechte nicht erklärt werden kann. Unwissende Menschen können dieses Gelübde nicht im rechten Licht verstehen. Ich erkenne es jedoch als zerstörend für die Unwissenheit. Ich sehe darin Unsterblichkeit und ein Heilmittel gegen die verschiedensten Arten des Leidens. So wandle ich unter den Menschen, alle Schulden überwunden und vom weltlichen Durst befreit.

Bhishma fuhr fort:
Wahrlich, ein Hochbeseelter, der sich von Anhaftung befreit hat und ohne Angst, Habgier, Unwissenheit und Zorn diesem Ajagara Gelübde folgt, der wird zweifellos seine Tage glücklich verbringen.


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