Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 153 - Die Geschichte vom Geier und Schakal über das Vertrauen

Yudhishthira fragte:
Hast du, oh Großvater, jemals irgendeinen Sterblichen gesehen oder von einem gehört, der ins Leben zurückgekehrt ist, nachdem er dem Tod erlegen war?

Bhishma sprach:
Höre diesbezüglich, oh König, die folgende Geschichte aus alten Zeiten über ein Gespräch zwischen einem Geier und einem Schakal. Dies geschah wahrlich im Walde von Naimisha. Es gab einst einen Brahmanen, der nach großen Entbehrungen einen lotusäugigen Sohn erhalten hatte. Doch das Kind starb kurz darauf an Krämpfen. Die Angehörigen waren äußerst überwältigt vom Kummer. Mit lautem Wehklagen nahmen sie den kleinen Jungen, welcher der ganze Reichtum der Familie war, und trugen das verstorbene Kind zum Leichenverbrennungsplatz. Dort angekommen, begannen sie, das Kind nacheinander an ihre Brust zu drücken, und weinten bitterlich in ihrer Trauer. Mit schwerem Herzen erinnerten sie sich an die Lebendigkeit ihres Lieblings und konnten den toten Körper einfach nicht auf dem Boden ablegen und nach Hause zurückkehren. Angezogen von ihrem Wehgeschrei kam ein Geier herbei und sprach diese Worte:
Geht nun endlich wieder zurück und zögert nicht, die ihr doch nur ein kleines Kind hingeben müßt. Alle Angehörigen gehen diesen Weg und haben im Laufe der Zeit an diesem Ort schon Tausende Männer und Tausende Frauen zurückgelassen. Schaut doch, das ganze Weltall ist dem Wohl und Weh unterworfen. Überall kann man Verbindung und Trennung sehen. Die zu diesem Leichenplatz kommen, bringen die Leichen ihrer Angehörigen mit und sitzen (aus Zuneigung) bei diesen Körpern. Doch auch sie werden diese Welt aufgrund ihrer eigenen Taten verlassen, wenn die ihnen zugeteilte Lebenszeit abgelaufen ist. Wozu noch lange auf diesem Leichenplatz verweilen, diesem schrecklichen Ort, der voller Geier und Schakale ist, wo überall Skelette liegen und jeder Mensch von Todesangst bedrängt wird? Ob Freund oder Feind, keiner kommt jemals ins Leben zurück, der einmal der Macht der Zeit erlag. Dies ist wahrlich das Schicksal aller Geschöpfe in dieser Welt der Sterblichen. Jeder, der geboren wird, muß auch sterben. Wer sollte einen ins Leben zurückbringen, der gestorben ist und den Weg geht, den der große Zerstörer bestimmt hat? Die Stunde ist gekommen, wo die Menschen ihr Tagewerk beenden, und die Sonne bald hinter den Asta Bergen versinkt. So geht in eure Häuser zurück und überwindet die Trauer um dieses Kind!

Nach diesen Worten des Geiers schien der Kummer der Angehörigen nachzulassen. Sie legten das Kind auf die bloße Erde und bereiteten sich zum Abschied vor. Sie versicherten sich immer wieder der Tatsache, daß das Kind gestorben war, und weil sie es nicht wiedersehen würden, begannen sie verzweifelt ihren Weg mit lautem Wehklagen zurückzugehen. Ohne jegliche Zweifel an seinem Tod und verzweifelt über diese Tatsache, gaben sie diesen Sproß ihrer Familie auf und verabschiedeten sich von ihm. Da kam ein Schakal, der so schwarz wie ein Rabe war, aus seinem Loch und sprach zu den gehenden Angehörigen:
Wahrlich, ihr habt als Verwandte dieses verstorbenen Kindes nur wenig Liebe. Dort scheint die Sonne (bzw. Hoffnung) noch am Himmel, oh ihr Unwissenden! Gebt eure Gefühle der Angst auf. Vielgestaltig sind die Tugenden der rechten Stunde. Dieser kann zum Leben zurückkehren. Ihr habt ein paar Büschel Kusha Gras auf dem Boden ausgebreitet und darauf wollt ihr euer liebes Kind auf dem Leichenplatz zurücklassen? Warum geht ihr weg mit Herzen aus Stahl und verwerft jegliche Zuneigung zu eurem Liebling? Sicherlich habt ihr keine große Liebe zu diesem Kind im zartesten Alter, dessen süßes Plappern euch außerordentlich erfreute, sobald es seine Lippen verließ. Schaut nur die Zuneigung, die sogar Vögel und wilde Tiere zu ihrer Nachkommenschaft hegen! Sie kennen kein Nachlassen bei der Pflege ihres Nachwuchses. Wie die Opfer der Rishis (die ohne Wunsch nach Früchten oder Belohnungen unternommen werden), so verlangen die Vierfüßler, Vögel und Insekten keinen Lohn für ihre Zuneigung im Himmel. Obwohl sie an ihren Kindern Freude haben, erwarten sie keinen Nutzen davon für diese und die kommende Welt. Trotzdem hegen sie ihre Jungen voller Liebe, obwohl sie von ihnen im Alter nie gepflegt werden. Sind sie nicht auch traurig, wenn sie ihre Kleinen nicht mehr sehen? Wahrlich, wo kann man solche selbstlose Zuneigung voller Mitgefühl unter Menschen sehen? Wohin wollt ihr gehen und dabei euer Kind hier verlassen, das der Erhalter eures Stammes ist? Ihr solltet für einige Zeit Tränen vergießen und es noch etwas länger mit Zuneigung betrachten. Denn wahrlich, so geliebte Geschöpfe sollten nicht einfach aufgegeben werden. Es sind nur die wahren Freunde und keine anderen, die zu einem halten, der schwach oder krank ist, der verklagt wurde oder zum Leichenverbrennungsplatz getragen wird. Der Lebensatem ist allen lieb, und alle fühlen den Einfluß der Zuneigung. Schaut nur die Zuneigung, welche die Tiere hegen, die ihr als so ungebildet betrachtet! Wahrlich, wie könnt ihr weggehen und diesen Jungen aufgeben, mit Augen so groß wie die Blütenblätter der Lotusblume und so schön wie eine jungvermählte Braut, die mit Blumengirlanden geschmückt und rein ist?

Diese Worte des Schakals hörend, der damit ihren innersten Kummer berührte, gingen die Menschen wieder zurück zum Leichnam. Doch dort sprach der Geier:
Ach, ihr geistig schwachen Menschen! Warum kehrt ihr wegen des Gebotes eines grausamen und gemeinen Schakals mit wenig Intelligenz wieder um? Warum trauert ihr um diese Verbindung der fünf Elemente, verlassen von ihren führenden Gottheiten, unbewohnt (durch die Seele) und unbeweglich und steif wie ein Stück trockenes Holz? Warum kümmert ihr euch nicht um euch selbst? Übt aufrichtige Entsagung, wodurch ihr euch von Sünde reinigen könnt. Alles kann durch Entsagung gewonnen werden. Was hilft dagegen das Wehklagen? Der Tod wird mit dem Körper geboren. Aufgrund dieses Unglücks ist dieser Junge gestorben und hat euch in unendlichen Kummer getaucht. Reichtum, Kühe, Gold, Juwelen und Kinder haben alle ihre Wurzel in der Entsagung. Entsagung kommt wiederum durch Yoga (der Vereinigung der Seele mit der Gottheit). Unter den Wesen ist das Maß von Wohl und Weh von den Taten vorheriger Leben abhängig. Wahrlich, jedes Geschöpf, das in diese Welt kommt, bringt ihr eigenes Maß an Wohl und Weh (bzw. ihr Karma) mit sich. Der Sohn wird nicht durch die Taten des Vaters gebunden, noch der Vater durch die Taten des Sohns. Gebunden durch ihre eigenen Taten, seien sie heilsam oder unheilsam, müssen alle diesen gleichen Weg gehen. So vollbringt die Aufgaben des Lebens und meidet unheilsame Handlungen. Dient ehrfürchtig gemäß den Geboten der heiligen Schriften den Göttern und Brahmanen. So überwindet ihr eure Sorgen und die Trauer, sowie die elterliche Anhaftung. Verlaßt das Kind auf diesem besonderen Boden und geht, ohne weiter zu zögern. Der Täter allein erntet die Frucht seiner guten oder schlechten Taten, die er vollbringt. Was sollte der Kummer der Angehörigen hier helfen? Schon immer verlassen die Angehörigen ihre Mitmenschen an diesem Ort, selbst die Liebsten. Mit tränengebadeten Augen gehen sie davon und überwinden die Trauer um den Toten. Klug oder unwissend, reich oder arm, jeder erliegt der Zeit, begabt mit seinen guten und schlechten Taten. Was sollte das endlose Trauern hier helfen? Warum grämt ihr euch um die Toten? Die Zeit ist der Herr von allen und bedingt durch ihre wahre Natur, schaut die Zeit mit gleichen Augen auf alle Geschöpfe. Ob im Stolz der Jugend, im hilflosen Säuglingsalter, in gewichtigen Jahren oder noch im Mutterleib - jeder ist dem Zugriff des Todes (bzw. der Zeit) unterworfen. Dies ist nun einmal der Lauf der Welt.

Darauf sprach der Schakal:
Ach, die Liebe, die von euch Weinenden gehegt wurde, wurde von diesem dummköpfigen Geier geschwächt, weil ihr nun vom Kummer über euer verstorbenes Kind überwältigt seid. Das ist wohl so, weil ihr aufgrund seiner wohlplazierten Worte, die überzeugend Entsagung lehren, in eure Stadt zurückkehrt und alle Zuneigung verwerft, die man nicht so einfach aufgeben sollte. Ach, ich dachte, daß der Kummer wirklich groß ist, den Menschen fühlen, wenn sie laut wehklagen über den Tod eines Kindes und über den Leichnam auf dem Verbrennungsplatz, wie die Kühe, denen ihre Kälber genommen wurden. Heute verstehe ich jedoch, wie wahrhaft das Mitgefühl der Menschen auf Erden ist. Als ich ihre große Zuneigung sah, habe ich selbst sogar Tränen verschüttet. (Aber ihre Liebe hat wohl nicht viel Kraft!) Dabei sollte man sich in jeder Situation anstrengen. Dadurch erlangt man Erfolg durch das Schicksal. Es ist immer fruchtbar, wenn persönliche Anstrengung und Schicksal zusammenwirken. Deshalb sollte man niemals die Hoffnung verlieren. Wie kann Glück durch Hoffnungslosigkeit gewonnen werden? Durch Entschlossenheit und Vertrauen kann man alles erreichen. Warum geht ihr dann so unentschlossen zurück? Wohin geht ihr und laßt in dieser Wildnis den Sohn eures Blutes zurück, diesen Erhalter eures Stammes? Wartet hier bis zum Sonnenuntergang, bis das abendliche Zwielicht kommt (und solange noch Hoffnung ist). Dann könnt ihr vielleicht diesen Jungen (lebendig) davontragen, wenn ihr bei ihm bleibt.

Dagegen sprach der Geier:
Oh ihr Menschen, ich bin schon ganze tausend Jahre in dieser Welt, aber ich habe noch nie erlebt, daß ein totes Wesen, ganz gleich ob Mann, Frau oder Zwitter, nach dem Tode wieder zum Leben erwachte. Einige sterben bereits im Mutterleib, andere kurz nach der Geburt, im Säuglingsalter, in der Jugend oder im Alter. Das Glück aller Wesen einschließlich der Tiere und Vögel ist unbeständig in dieser Welt. Die Lebenszeit aller beweglichen und unbeweglichen Geschöpfe ist begrenzt und festgelegt. Sie haben ihre Ehegatten, Kinder oder andere Geliebte verloren, und so verlassen voller Trauer jeden Tag viele Menschen diesen Ort mit gequälten Herzen, um nach Hause zurückzukehren. So wurden schon Tausende, sowohl Freunde als auch Feinde an diesem Ort abgelegt, und nur die Angehörigen sind in ihr Leben zurückgekehrt. Laßt ab von diesem leblosen Körper, worin das Feuer des Lebens erloschen ist, und der nun ebenso steif ist, wie ein Stück trockenes Holz! Warum geht ihr nicht und verlaßt den Körper dieses Kindes, der nun wie trockenes Holz geworden und dessen Leben in einen neuen Körper eingegangen ist? Diese Liebe von euch ist bedeutungslos und dieses Umarmen des Jungen unfruchtbar. Er sieht nicht mehr mit seinen Augen und hört nicht mehr mit seinen Ohren. Laßt ihn hier zurück und geht, ohne weiter zu zögern. Hört auf meine Worte, die anscheinend grausam sind, aber in Wirklichkeit voller Vernunft, und welche die hohe Religion der Befreiung in sich tragen, und geht nun nach Hause.

Als die Menschen diese Rede vom Geier hörten, der mit Weisheit und Erkenntnis begabt und fähig war, zu belehren und das Verständnis zu erwecken, schickten sie sich erneut an, dem Leichenplatz ihren Rücken zuzukehren. Denn wahrlich, der Kummer verdoppelt sich beim Anblick des Verstorbenen und bei der Erinnerung an sein Leben. So waren diese Menschen aufgrund der Worte des Geiers entschlossen, diesen Ort zu verlassen. Doch sofort sprang der Schakal heran und richtete seine Augen auf das Kind, das im Schlaf des Todes lag.

Dann sprach der Schakal:
Warum verlaßt ihr dieses Kind auf die Worte des Geiers hin, dieses Kind mit dem goldenen Teint, das mit Ornamenten geschmückt und dazu fähig ist, die Ahnenopfer seinen Vorfahren zu sichern? Wenn ihr ihn verlaßt, wird eure Trauer nie enden, noch wird euer mitleiderregendes Wehklagen verstummen. Im Gegenteil, euer Kummer wird immer weiter wachsen. Man erzählt (zum Beispiel im Ramayana 7.86), daß Rama mit der wahren Heldenkraft einen Shudra namens Sambuka tötete, womit die Gerechtigkeit wiederhergestellt und ein Brahmanenkind ins Leben zurückgeholt wurde. Ähnlich starb der Sohn des königlichen Weisen Sweta vor seiner Zeit, doch der tugendhafte Monarch konnte sein totes Kind wiederbeleben. Auf die gleiche Weise könnte auch in eurem Fall ein Weiser oder ein Gott bereit sein, euren Wunsch zu erfüllen und sein Mitgefühl den Klagenden zeigen.

So angesprochen vom Schakal gingen die Menschen voller Kummer und Zuneigung zum Kind zurück und nahmen es mit lautem Wehklagen abwechselnd auf ihre Schöße. Doch durch ihr Geschrei wurde der Geier erneut angezogen.

Und der Geier sprach:
Warum badet ihr dieses Kind mit euren Tränen? Warum streichelt ihr es so herzlich mit euren Händen? Auf Befehl des grimmigen Königs der Gerechtigkeit ist das Kind in diesen Schlaf gesandt worden, der kein Erwachen kennt. Ob man mit dem Verdienst der Entsagung gesegnet ist, mit Reichtum begabt oder großer Intelligenz, diesen Weg müssen alle Geschöpfe gehen. Dies hier ist der Ort für die Toten. Er hat schon tausende Angehörige gesehen, die ihre jungen oder alten Verwandten hier abgelegt haben und dann ihre Tage und Nächte im Kummer verbrachten. Beendet diese Leidenschaft und verliert euch nicht im Kummer! Es ist unmöglich, daß dieses Kind ins Leben zurückkommen kann, selbst auf Bitten des Schakals nicht. Wenn eine Person einmal gestorben ist und ihren Körper verlassen hat, wird dieser Körper nicht wieder lebendig. Selbst wenn hunderte Schakale ihr Leben dafür opfern würden, könnten sie es in Hunderten von Jahren nicht schaffen, dieses Kind wiederzubeleben. Nur wenn Rudra (Shiva), Kumara, Brahma oder Vishnu ihm einen Segen gewähren, nur dann kann dieses Kind ins Leben zurückkommen. Weder das Verschütten von Tränen, noch langgezogene Seufzer oder reichliches Wehklagen wird ihn ins Leben zurückbringen. Ich selbst, der Schakal und ihr als Angehörige von diesem Kind, wir sind mit all unseren Verdiensten und Sünden auf dem selben Weg (den dieses Kind gegangen ist). Aus diesem Grund sollte ein Weiser mit Abstand alle Handlungen vermeiden, die andere verletzen, wie Beleidigungen, Gewalt, Ehebruch und alle anderen Sünden und Unwahrhaftigkeiten. Sucht achtsam nach Tugend, Wahrheit, Gerechtigkeit, Mitgefühl und Aufrichtigkeit zum Wohle aller Wesen! Sünde sammelt jeder an, der im Leben seine Mütter, Väter, Angehörige und Freunde nicht achtet und ehrt. Doch was nützt nun das Klagen um ihn, der mit seinen Augen nicht mehr sieht und unbewegt bleibt?

So angesprochen waren die Menschen, welche von Sorgen überwältigt waren und im Kummer wegen ihrer Zuneigung zum Kind brannten, wieder geneigt, nach Hause zu gehen und den toten Körper zurückzulassen.

Doch der Schakal sprach:
Ach, schrecklich ist die Welt der Sterblichen! Hieraus kann kein Geschöpf entfliehen, und doch ist die Zeit des Lebens viel zu kurz. Überall verliert man geliebte Freunde, und die Welt ist voller Hochmut und Lügen, voller Streitigkeiten und Verleumdungen. Wenn ich euer Verhalten betrachte, das Schmerz und Kummer erhöht, mag ich diese Welt der Menschen nicht im Geringsten. Ach, Schande auf euch, ihr Menschen! Ihr kehrt um wie Dummköpfe allein auf das Gebot eines Geiers hin, obwohl ihr im Kummer wegen des Todes eures Kindes brennt. Was seid ihr nur für grausame Geschöpfe? Wie könnt ihr einfach weggehen und alle elterliche Zuneigung aufgrund der Worte eines sündigen Geiers mit unreiner Seele verwerfen? Dem Glück folgt Leiden, und dem Leiden folgt Glück. In dieser Welt, die sowohl von Glück als von Leiden umhüllt ist, ist keines dieser beiden wirklich beständig. Ihr unverständigen Menschen, wohin wollt ihr gehen und auf dem bloßen Boden dieses so wunderschöne Kind zurücklassen, diesen Sohn, der ein Schmuck eures Stammes ist? Wahrlich, ich kann den Gedanken nicht aus meinem Kopf bekommen, daß dieses Kind voller Anmut, Jugend und strahlender Schönheit noch lebendig ist. Es erscheint mir nicht recht, daß er sterben sollte. Ich fühle, daß ihr sicherlich bald wieder glücklich sein werdet. Die ihr jetzt vom Kummer wegen des Todes eures Kindes gequält seid, bestimmt wird euch bald wieder Gutes geschehen. Ihr wollt wohl nur den Unannehmlichkeiten des gegenwärtigen Leidens entfliehen und nach eigener Bequemlichkeit streben!? Doch wohin wollt ihr wie Unwissende gehen und euren Liebling verlassen?

Bhishma fuhr fort:
Auf diese Weise, oh König, wurden die Angehörigen des verstorbenen Kindes, die sich diesbezüglich nicht entscheiden konnten, was nun zu ihrem Wohle wäre, von diesem fleischfressenden Schakal, der auf diesem Leichenplatz wohnte und jede Nacht auf Nahrungssuche ging, mit verführerischen Worten erneut überredet, noch länger an diesem Ort zu verweilen.

Doch der Geier sprach:
Schrecklich ist dieser Ort, eine Wildnis, die des Nachts vom Geschrei der Eulen erschallt und von Geistern, Yakshas und Rakshasas nur so wimmelt. Schrecklich und bedrohlich wie die dunklen Berge der Gewitterwolken. Legt die Leiche nieder und beendet die Begräbnisriten! Wahrlich gebt den Körper auf und vollbringt jene Riten noch vor Sonnenuntergang, bevor die Himmelsrichtungen in Dunkelheit versinken. Die Falken lassen bereits ihre grimmigen Schreie hören, die Schakale heulen wild, die Löwen brüllen, und die Sonne versinkt. Die Bäume auf dem Leichenplatz wirken immer geisterhafter im dunklen Rauch der Scheiterhaufen. Die fleischfressenden Bewohner dieses Ortes, die vom Hunger gequält sind, brüllen bereits voller Ungeduld. All diese Wesen mit schrecklichen Formen, die an diesem fürchterlichen Ort leben, und all diese fleischfressenden Tiere mit grimmigen Eigenschaften, die in der Wildnis hausen, werden euch bald angreifen. Diese Wildnis ist wirklich schrecklich. Höchste Gefahr droht euch! Wahrlich, wenn ihr diese falschen und unfruchtbaren Worte des Schakals gegen euren gesunden Menschenverstand erhört, seid ihr alle verloren.

Doch der Schakal erwiderte:
Bleibt wo ihr seid! Es gibt keinen Grund zur Angst in der Wildnis, solange die Sonne scheint. Bis der Gott des Lichtes wirklich untergegangen ist, verweilt voller Hoffnung und getragen durch eure elterliche Liebe. Gebt euch nach Belieben ohne jegliche Angst dem Wehklagen hin und schaut weiter voller Zuneigung auf dieses Kind. Wenn diese Wildnis auch fürchterlich erscheint, euch droht keine Gefahr. In Wahrheit ist gerade die Wildnis in ihrem Wesen Stille und Frieden. Hier, an diesem Ort, haben tausende Ahnen von der Welt Abschied genommen. Wartet, solange die Sonne scheint. Was sind euch die Worte dieses Geiers? Wenn ihr mit betäubtem Verstand die hartherzigen Reden des Geiers akzeptiert, dann wird euer Kind nie ins Leben zurückkehren!

Bhishma fuhr fort:
So sprach der Geier zu den Menschen, daß die Sonne bereits untergegangen ist, und der Schakal sprach, daß sie noch scheint (daß noch Hoffnung ist). Sowohl der Geier als auch der Schakal waren hungrig und sprachen entsprechend zu den Angehörigen des toten Kindes. Sie beide hatten ihre Lenden gegürtet, um ihre jeweiligen Ansichten zu verteidigen. Gedrängt von Hunger und Durst, stritten sie weiter und hatten doch beide ihre Zuflucht in den heiligen Schriften. Und abwechselnd bewegt durch diese nektarsüßen Worte jener zwei Tiere, die beide mit Weisheit gesegnet waren, wollten die Angehörigen entsprechend bleiben oder gehen. Schließlich warteten sie an diesem Ort, bewegt von Kummer und Trauer mit bitterem Wehklagen. Sie merkten nicht, daß sie von den beiden Tieren, die ihre jeweiligen Ansichten vertraten, immer mehr verwirrt wurden. Und während Geier und Schakal, die beide voller Weisheit waren, noch miteinander disputierten und die Angehörigen des verstorbenen Kindes ihnen achtsam zuhörten, erschien der große Gott Shankara (Shiva), der von seiner Gattin (Uma) gedrängt wurde, mit tränengebadeten Augen voller Mitgefühl. Er sprach zu den Angehörigen des verstorbenen Kindes: „Ich bin Shankara, der Segensspender!“ Mit kummerschweren Herzen verneigten sich die Menschen demütig vor dem großen Gott und antworteten: „Wir wurden unseres einzigen Kindes beraubt und sind dem Tode nah. Mögest du uns das Leben gewähren, indem du unserem Sohn das Leben gewährst.“ So flehentlich gebeten nahm der berühmte Gott etwas Wasser in seine Hände und gab damit diesem toten Kind ein Leben, das sich über hundert Jahre erstrecken sollte. Und stets dem Wohle aller Wesen gewidmet, gewährte der berühmte Träger des Pinaka auch dem Schakal und dem Geier einen Segen, womit ihr Hunger beruhigt wurde (in Bezug auf ihre tierische Existenz und ihre Leidenschaft im Disputieren). Erfüllt mit Entzücken und voller Wohlstand verbeugten sich die Menschen vor der Gottheit. Dann verließen sie diesen Ort, oh König, von Erfolg gekrönt und mit großer Freude.

Durch beharrliche Hoffnung, festes Vertrauen und die Gnade der Gottheit kann man die Früchte seiner Taten auch sogleich ernten. Betrachte die Kombination der Umstände und das Vertrauen jener Angehörigen. Während sie mit gequälten Herzen trauerten, wurden ihre Tränen getrocknet. Schau, wie sie innerhalb kurzer Zeit durch ihr beständiges Vertrauen die Gnade von Shankara gewannen und ihr Glück zurückkam, nachdem die Sorgen zerstreut wurden. Oh Führer der Bharatas, durch die Gnade von Shankara wurden diese trauernden Angehörigen mit Bewunderung und Entzücken durch die Wiederbelebung ihres Kindes erfüllt. Damit, oh König, warfen jene Brahmanen allen Kummer wegen ihres Kindes ab und gingen voller Entzücken freudig in ihre Stadt zurück, das neu belebte Kind auf ihren Armen. Wahrlich, so ein (vertrauensvolles) Verhalten ist allen vier Kasten geboten. Und wer diese verheißungsvolle Geschichte wiederholt hört, die voller Tugend, Gewinn, Liebe und Erlösung ist, gewinnt das Glück in dieser und die Seligkeit in der kommenden Welt.


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