Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 141 - Über die Vernunft in Notzeiten

Yudhishthira sprach:
Wenn die hohe Gerechtigkeit in der Welt zerfällt und von fast allen mißachtet wird, wenn Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit gilt, sich also Gerechtigkeit in ihr Gegenteil verkehrt, wenn jede gesunde Selbstbeherrschung verschwindet, wenn alle Gebote bezüglich der Gerechtigkeit verwirrt und die Leute von Königen und Räubern gleichermaßen gequält werden, wenn die Menschen aller vier Lebensweisen ihre Aufgaben vergessen, und alle Taten ihren Verdienst verlieren, wenn man Grund zur Angst in jeder Richtung aufgrund von Leidenschaft, Habgier und Narrheit sieht, wenn sich die Wesen nicht mehr vertrauen können, weil sie einander durch betrügerische Mittel quälen und täuschen, wenn die Häuser im ganzen Land geplündert und die Brahmanen mißachtet werden, wenn die Wolken nicht zur rechten Zeit Regen bringen, wenn jeder seine Hand gegen seinen Nachbarn erhebt, wenn alle Mittel des Lebensunterhalts unter die Macht von Räubern fallen, wenn wirklich eine solche Zeit der schrecklichen Not erscheint, durch welche Mittel sollte dann ein Brahmane aus Mitgefühl für seine Nachkommen sein Leben fristen? Wahrlich, wie könnte ein Brahmane in solchen Zeiten (fehlender Wohltätigkeit) seinen Lebensunterhalt finden? Sag mir das, oh Großvater! Und wie sollte ein König in solcher Zeit leben, wenn die Welt von Sünde überwältigt wird? Wie, oh Feindevernichter, sollte ein König handeln, so daß er weder von der Gerechtigkeit noch vom Gewinn absinkt?

Bhishma sprach:
Oh Starkarmiger, Frieden und Wohlstand der Untertanen, Angemessenheit und Rechtzeitigkeit von Regen, Krankheit, Tod und andere Ängste hängen alle vom König ab. Daran habe ich keinen Zweifel. Oh Stier der Bharatas, auch das Erscheinen des Krita, Treta, Dwapara oder Kali Zeitalters hängt vom Verhalten des Königs ab. In solchen Zeiten des Leidens, wie du sie beschrieben hast, sollten die Rechtschaffenen ihr Leben mithilfe ihrer Urteilskraft (bzw. Einsicht) erhalten. Diesbezüglich wird die alte Geschichte von einem Gespräch zwischen Vishvamitra und einem Chandala in einem kleinen Dorf der Chandalas beschrieben. Am Ende des Treta und damit am Anfang des Dwapara Yugas gab es eine schreckliche Dürre über mehr als zwölf Jahre, wie sie die Götter bestimmt hatten. Denn als die Menschen am Ende des Yugas überaltert (bzw. überlebt) waren und starben, gab der tausendäugige Gott des Himmels keinen Regen mehr. Der Planet Vrihaspati (Jupiter) begann sich gegenläufig zu bewegen und sogar der Mond (Soma) verließ seine Bahn und ging nach Süden zurück. Nicht einmal ein Tautropfen war mehr zu sehen, von angesammelten Wolken ganz zu schweigen. Die großen Flüsse waren nur noch Rinnsale. Überall verschwanden Seen, Brunnen und Quellen, und die Erde verlor all ihre Schönheit aufgrund des Gebots der Götter. Das Wasser war überall knapp, und sämtliche Wasserstellen verödeten. Die Brahmanen enthielten sich der Opfer und Veden Rezitationen. Man hörte kaum noch das „Vashat“ (bzw. „Swaha“), und keine versöhnenden Riten wurden mehr durchgeführt. Landwirtschaft und Viehhaltung waren vernachlässigt wie auch die Märkte und Geschäfte. Die Pfähle, wo die Opfertiere angebunden wurden, verschwanden, die Leute sammelten keine Opfergaben mehr, und die Freudenfeste verstummten. Überall sah man Haufen von Knochen, um welche die schrillen Schreie wilder Kreaturen (wie Rakshasas, Gespenster und Aasfresser) erschallten. Die großen Städte der Erde waren menschenleer und die Dörfer niedergebrannt. Gequält von Räubern, Waffen, schlechten Königen oder aus gegenseitiger Angst begannen die Menschen zu fliehen. Tempel und Kultstätten wurden verwüstet und die Alten gewaltsam aus ihren Häusern geworfen. Kühe, Ziegen, Schafe und Büffel kämpften (um Nahrung) und gingen in Scharen zugrunde. Auch die Brahmanen begannen überall zu sterben, und nirgends gab es noch Schutz. Kräuter und andere Pflanzen vertrockneten. Die Erde verlor ihre ganze Schönheit und erschien äußerst schrecklich, wie die Bäume auf einem Leichenverbrennungsplatz. In dieser qualvollen Zeit, als nirgends noch Gerechtigkeit zu sehen war, oh Yudhishthira, verwirrten sich den Menschen aus Hunger die Sinne und sie begannen, sich gegenseitig zu verzehren. Sogar die großen Rishis gaben ihre Gelübde, Opferfeuer und Götter auf, verließen ihre Einsiedeleien in den Wäldern und begannen (auf der Suche nach Nahrung) umherzuwandern.

Auch der heilige und große Rishi Vishvamitra, der mit großer Intelligenz gesegnet war, verließ von Hunger gequält sein Heim. Er hatte Ehefrau und Sohn an einem geschützten Ort zurückgelassen und lief ohne Opferfeuer, heimatlos, ohne reines Essen und beschmutzt umher. Eines Tages kam er in ein kleines Dorf inmitten eines Waldes, das von grausamen, an das Schlachten von Tieren gewöhnten Jägern bewohnt war. Das kleine Dorf lag voller zerbrochener Lehmtöpfe und Schalen. Hundehäute waren zum Trocknen aufgespannt. Knochen und Schädel von Ebern und Eseln lagen in Haufen überall herum. Die von den Toten genommenen Tücher flatterten im Wind, und die Hütten waren mit Girlanden aus verwelkten Blumen geschmückt. In den Hütten lagen abgeworfene Häute von Schlangen, und der ganze Ort erschallte vom lauten Krähen der Hähne, dem Gackern der Hühner und dem mißtönenden Geschrei der Esel. Hier und dort stritten die Bewohner mit harten Worten und schrillen Stimmen. Ringsherum sah man Opferstätten für Götter mit Eisenglocken, welche Symbole von Eulen und anderen Vögeln trugen. Das kleine Dorf war voller Hunde, die überall herumlagen. Der große Rishi Vishvamitra betrat von den Stichen des Hungers gedrängt auf der Suche nach Nahrung dieses kleine Dorf und bemühte sich, dort etwas Eßbares zu bekommen. Doch obwohl der Sohn von Kushika wiederholt bat, erhielt er weder Fleisch, Reis, Früchte, Wurzeln noch andere Nahrung. Darauf rief er: „Ach! Groß ist die Qual, die mich eingeholt hat!“, und fiel in diesem kleinen Dorf inmitten der Chandalas vor Schwäche zu Boden. Dann begann der Weise nachzudenken und sprach zu sich selbst: „Was ist das Beste, das ich jetzt tun sollte?“ Wahrlich, oh Erster der Könige, dieser Gedanke, der ihn ergriff, war ein Mittel, um den unmittelbaren Tod zu verhindern. Da erblickte er, oh König, ein großes Stück Fleisch von einem Hund, der kürzlich mit einer Waffe getötet worden war, und welches im Eingang einer Chandala Hütte hing. Der Weise überlegte kurz und gelangte zum Schluß, daß er dieses Fleisch stehlen sollte. Er sprach zu sich selbst:
Ich sehe kein anderes Mittel, um dieses Leben zu erhalten. Diebstahl ist in einer Zeit der Not sogar für einen Hochbeseelten erlaubt und wird seinen Ruhm nicht zerstören. Sogar ein Brahmane kann es tun, um das Leben zu bewahren. Das ist sicher. An erster Stelle sollte man von einer niedrigeren Person stehlen. In Ermangelung einer solchen, kann man von einem Gleichgestellten stehlen und wenn das nicht möglich ist, sogar von einem hochbeseelten und rechtschaffenen Menschen. So sollte ich angesichts meiner schwindenden Lebenskraft dieses Fleisch stehlen. Ich sehe keinen Fehler in diesem Diebstahl. Ich werde deshalb dieses Hundefleisch nehmen.

Mit diesem Entschluß legte sich der große Weise Vishvamitra zum Schlafen an diesem Ort nieder, wo der Chandala wohnte. Und nach einiger Zeit, als die Nacht fortgeschritten war, sah er das ganze Dorf der Chandalas schlafen. Da erhob sich der Heilige ganz ruhig und leise und betrat die Hütte. Der Chandala lag wie ein Schlafender mit schleimbedeckten Augen. Doch mit bösartigem Gesicht rief er plötzlich harte Worte mit einer gebrochenen und mißtönenden Stimme.

Der Chandala rief:
Wer ist da und versucht die Tür zu öffnen? Wenn auch das ganze Dorf der Chandalas schläft, ich bin wach! Wer auch immer du bist, du bist so gut wie tot!

Dies waren die harten Worte, welche den Weisen begrüßten. Ganz erschrocken errötete dieser voller Scham, und mit einem angstverstörten Herzen wegen des versuchten Diebstahls antwortete er:
Gesegnet seist du mit langem Leben, ich bin Vishvamitra! Ich kam hierher von den Stichen des Hungers gepeinigt. Oh Rechtschaffener, töte mich nicht, wenn deine Augen klar geworden sind!

Diese Worte des großen Rishis mit der gereinigten Seele hörend, erhob sich der Chandala erschrocken von seinem Bett und näherte sich dem Weisen. Dann faltete er seine Hände aus Verehrung und mit tränengebadeten Augen sprach er zum Sohn von Kushika:
Was suchst du hier mitten in der Nacht, oh Brahmane?

Und den Chandala versöhnend, sprach Vishvamitra:
Ich bin äußerst hungrig und kurz vorm Sterben. So wollte ich diese Hundelende stehlen. Aus Hunger habe ich diese Sünde gewagt, denn ein Verhungernder kennt diesbezüglich keine Scham mehr. Es ist der Hunger, der mich zu dem Verbrechen gedrängt hat, dir dieses Stück Hundefleisch zu stehlen. Mein Lebensatem will entfliehen, und der Hunger hat meine vedische Wahrhaftigkeit zerstört. Körperlich schwach und mit getrübten Sinnen, unterscheide ich nicht mehr zwischen reiner und unreiner Nahrung. Obwohl ich weiß, daß es sündig ist, wollte ich dennoch diese Hundelende stehlen. Nachdem ich keinerlei Almosen erhalten konnte, als ich in diesem Dorf von Haus zu Haus gegangen bin, entschloß ich mich zu dieser sündigen Tat. Das Feuer (Agni) ist der Mund der Götter und auch ihr Priester. Es sollte deshalb nichts annehmen außer reiner und sauberer Nahrung. Doch zuweilen verbrennt dieser große Gott auch alles andere. Wisse, daß ich nun diesbezüglich wie er geworden bin.

Diese Worte des großen Rishis hörend, antwortete der Chandala:
Höre mich an, und nachdem du meine Worte der Wahrheit gehört hast, handle auf solche Art und Weise, daß dein religiöses Verdienst nicht verlorengeht. Höre, oh zweifachgeborener Rishi, was ich dir über deine Aufgaben sage. Die Vedengelehrten erklären, daß ein Hund noch unreiner ist als ein Schakal, und die Lende des Hundes der schlechteste Teil an seinem Körper ist. Dein Entschluß, oh großer Rishi, war nicht weise, und dieser Diebstahl des Eigentums eines Chandalas, noch dazu von unreiner Nahrung, steht nicht im Einklang mit der Gerechtigkeit. Gesegnet seist du! Suche nach anderen Mitteln, um dein Leben zu bewahren! Oh großer Weiser, laß deine Buße nicht untergehen aufgrund deines starken Wunsches nach Hundefleisch. Du kennst die in den Schriften gebotenen Aufgaben und solltest niemals eine Handlung begehen, die zu einer Verwirrung der Aufgaben führt. Verletze die Gerechtigkeit nicht, denn du bist einer der Ersten, welche die Gerechtigkeit bewahren.

So angesprochen, oh König, antwortete der große Rishi Vishvamitra, vom Hunger gequält:
Ich habe lange Zeit ohne jegliche Nahrung verbracht. Doch nun sehe ich keinen Weg mehr, mein Leben zu bewahren. Ein schwer bedrohtes Leben sollte mit allen Mitteln bewahrt werden, die noch in der Kraft der Menschen liegen, ohne deren Charakter zu beurteilen. Später, wenn man dazu wieder fähig ist, sollte man den Erwerb von Verdienst suchen. Die Kshatriyas sollten das Verhalten von Indra beachten und die Brahmanen das von Agni. Die Veden sind ihr Feuer und ihre ganze Kraft. Ich kann deshalb sogar diese unreine Nahrung essen, um meinen Hunger zu stillen. Das, womit in der Not das Leben bewahrt werden kann, sollte sicherlich ohne Skrupel vollbracht werden. Leben ist besser als Tod. Lebend kann man Tugend erwerben. Deshalb wünsche ich, um mein Leben zu bewahren, mit meiner vollsten Überzeugung diese unreine Nahrung zu verspeisen. Gib mir deine Erlaubnis dazu! Wenn ich dann weiterlebe, werde ich den Erwerb der Tugend suchen und durch Buße und Erkenntnis die Sünde auflösen, die durch mein gegenwärtiges Verhalten angesammelt wurde, wie die Leuchtkörper des Firmaments sogar die dichteste Dunkelheit zerstreuen können.

Der Chandala sprach:
Durch das Essen solcher Nahrung kann einer wie du nicht lange leben. Du kannst damit weder Kraft erhalten noch jene Befriedigung, die das Amrit bietet. Du solltest nach einer anderen Art der Almosen suchen. Neige dein Herz nicht zum Essen von Hundefleisch. Der Hund ist zweifellos eine unreine Nahrung für die Mitglieder der zweifachgeborenen Kasten.

Vishvamitra sprach:
Jede andere Art von Fleisch ist während einer solchen Hungersnot kaum zu bekommen. Außerdem, oh Chandala, habe ich keinen Reichtum (um Nahrung zu kaufen). Ich habe äußersten Hunger und kann nicht länger umherwandern. Diesbezüglich bin ich hoffnungslos und denke, daß dieses Stück Hundefleisch als Nahrung dienen kann.

Der Chandala sprach:
Nur die fünf Arten der fünfklauigen Tiere sind reine Nahrung für Brahmanen, Kshatriyas und Vaisyas. So ist es in den heiligen Schriften bestimmt. Strebe nicht nach Unreinem!

Vishvamitra sprach:
Der große Rishi Agastya hat sogar den Dämon Vatapi verzehrt, als er hungrig war (siehe MHB3.99). Ich bin in Not und habe Hunger. Ich möchte deshalb dieses Stück Hundelende essen.

Der Chandala sprach:
Suche nach anderen Almosen! Eine solche Tat ziemt sich nicht für dich. Wahrlich, das sollten Brahmanen nie tun. Wenn du jedoch unbedingt willst, dann nimm dieses Stück Hundefleisch!

Vishvamitra sprach:
Jene, die in der Welt als Gute gelten, sind hinsichtlich der Aufgaben im Leben bestimmend. Ihrem Beispiel folge ich und betrachte gegenwärtig dieses Stück Hundefleisch als besseres Essen als irgendetwas höchst Reines.

Der Chandala sprach:
Eine sündige Tat kann niemals als wahrhaftig gelten. Eine falsche Tat kann unter keinen Umständen richtig sein. Deshalb begehe keine sündige Handlung aus Verblendung!

Vishvamitra sprach:
Ein Mensch, der als Rishi gilt, kann nie etwas Sündiges tun (auf Agastya bezogen). In der gegenwärtigen Situation sind Hirsch und Hund, so denke ich, dasselbe. Ich werde deshalb dieses Stück Hundefleisch essen.

Der Chandala sprach:
Auf Bitten der Brahmanen vollbrachte der Rishi (Agastya) seine Tat. Unter diesen Umständen war es keine Sünde. Gerechtigkeit ist das, wo keine Sünde ist. Sie sollte wie die Brahmanen, welche die Lehrer der drei anderen Kasten sind, beschützt und mit jedem Mittel bewahrt werden.

Vishvamitra sprach:
Ich bin ein Brahmane und dieser Körper ist ein Freund von mir. Er ist sehr wertvoll und höchster Verehrung würdig. Es war der Wunsch, diesen Körper zu erhalten, weshalb ich das Stück Hundelende stehlen wollte. So stark ist er geworden, daß ich keinerlei Angst mehr vor dir und deinen wilden Brüdern habe.

Der Chandala sprach:
Manche Menschen würden ihr Leben opfern, aber niemals unreine Nahrung essen wollen. Sie gewinnen die Verwirklichung all ihrer Wünsche sogar in dieser Welt, indem sie den Hunger überwinden. So überwinde auch du deinen Hunger und gewinne jenen Lohn!

Vishvamitra sprach:
Bezüglich meiner selbst beachte ich beständige Gelübde und setze mein Herz auf den Frieden. Doch gerade um die Wurzel des ganzen religiösen Verdienstes zu bewahren, werde ich diese unreine Nahrung essen. Ich bin sicher, daß Personen mit gereinigter Seele eine solche Tat als rechtschaffen betrachten würden. Andere sehen im Essen dieses Hundefleisches vielleicht eine Sünde. Doch selbst, wenn mein Entschluß falsch ist, dann werde ich durch diese Tat immer noch kein Chandala.

Der Chandala sprach:
Ich bin entschlossen, dich mit aller Kraft von dieser Sünde zurückzuhalten. Ein Brahmane, der eine sündhafte Handlung durchführt, fällt von seinem hohen Dasein ab. Nur aus diesem Grund tadle ich dich.

Vishvamitra sprach:
Die Kühe trinken weiter, unabhängig vom Quaken der Frösche. Bist du wirklich fähig über Gerechtigkeit zu entscheiden? Hör auf, dich zu überschätzen!

Der Chandala sprach:
Ich bin dir wirklich freundlich gesinnt. Nur aus diesem Grund predige ich dir. Handle tugendhaft und sündige nicht aus Versuchung!

Vishvamitra sprach:
Wenn du mir freundlich bist und mein Wohl wünschst, dann befreie mich aus dieser Not und trenne dich von diesem Stück Hundefleisch. Dann werde ich mich als gerettet betrachten durch die Hilfe der Gerechtigkeit (und nicht durch eine sündige Tat).

Der Chandala sprach:
Ich wage es nicht, dir dieses Stück Fleisch zum Geschenk zu machen, noch darf ich es ruhig ertragen, wenn du es dir stiehlst. Wenn ich dir dieses Fleisch gebe oder du es dir als Brahmane nimmst, in beiden Fällen werden wir in der kommenden Welt in leidvolle Bereiche sinken.

Vishvamitra sprach:
Indem ich diese sündhafte Handlung heute begehe, werde ich sicherlich mein Leben retten, das sehr wertvoll ist. Dann kann ich Tugend üben und meine Seele wieder reinigen. Sage mir, was von beiden vorzuziehen wäre (verhungern oder leben).

Der Chandala sprach:
Bezüglich der Erfüllung der Aufgaben einer Kaste oder Familie ist man selbst der beste Richter. So wirst du selbst wissen, welche dieser zwei Taten sündig ist. Ich denke jedoch, wer das Fleisch eines Hundes als rein betrachtet, würde bezüglich seiner Nahrung vor nichts mehr zurückschrecken.

Vishvamitra sprach:
Im Annehmen und im Essen von unreiner Nahrung ist Sünde. Wenn jedoch das Leben in Gefahr ist, gibt es diesbezüglich keine Sünde mehr. Außerdem hat das Essen unreiner Nahrung nur wenig (karmische) Konsequenzen, solange man nicht in das Töten oder andere verblendete Handlungen verwickelt und die Motivation nicht tadelnswert ist.

Der Chandala sprach:
Wenn das dein Argument ist, um unreine Nahrung zu essen, dann meine ich, daß du die Veden und arische Moral mißachtest. Belehrt durch deine beabsichtigte Tat, oh Erster der Brahmanen, dürfte ich keine Sünde mehr im Mißachten der Gebote für reine und unreine Nahrung sehen.

Vishvamitra sprach:
Man hat noch nie gesehen, daß man allein durch Essen eine ernste Sünde ansammelt. Selbst das Fallen durch Weintrinken ist nur ein moralisches Sprichwort (um die Menschen vom Mißbrauch zurückzuhalten). Auch alle anderen verbotenen Taten, was auch immer es ist, tatsächlich sogar jede Sünde, zerstören nicht unbedingt das Verdienst einer Person.

Der Chandala sprach:
Der zweifachgeborene Gelehrte, der das Fleisch eines Hundes von solch einem unwürdigen Ort und von einem unreinen Schuft stiehlt, der so ein sündhaftes Leben führt (wie ich), begeht eine Handlung, die dem Verhalten von jenen entgegensteht, die als Rechtschaffen gelten. Aufgrund seiner Verbindung mit einer solchen Tat wird er sicher die Stiche der Reue erleiden müssen.

Bhishma fuhr fort:
Nachdem der Chandala diese Worte zum Sohn von Kushika gesprochen hatte, schwieg er. Und Vishvamitra mit der höheren Sicht trug die Lende des Hundes davon. Der große Asket hatte sich dieses Stück Hundefleisch genommen, um sein Leben zu bewahren, trug es in die Wälder, um es mit seiner Familie zu essen. Er war entschlossen, nachdem er zuerst die Götter gemäß den erwarteten Riten befriedigt hatte, dieses Fleisch nach Bedarf zu verspeisen. So entzündete der Asket ein Feuer gemäß den brahmanischen Riten und begann entsprechend dem Aindragneya Ritus dieses Fleisch in geheiligtem Charu zu kochen. Dann, oh Bharata, begann er die Zeremonien zu Ehren der Götter und Ahnen, indem er das Charu in so viele Portionen teilte, wie es gemäß den Geboten der Schriften notwendig war und lud die Götter mit Indra an ihrer Spitze ein (um ihre Anteile zu akzeptieren). Und wahrlich, zur gleichen Zeit begann der Führer der Himmlischen den Regen wieder reichlich strömen zu lassen. Alle Wesen wurden durch diese Schauer neu belebt, und alle Kräuter und Pflanzen wuchsen wieder. Und als Vishvamitra die Riten zu Ehren der Götter und Ahnen vollendet hatte und sie ordnungsgemäß befriedigt waren, aß er selbst von diesem Fleisch. Danach verbrannte der Weise durch seine Buße all seine Sünde und erreichte nach langer Zeit den wundervollsten und höchsten Erfolg. Auf diese Weise und allein mit der Motivation, sein Leben zu bewahren, sollte ein Hochbeseelter, der mit Weisheit gesegnet wurde und die rechten Mittel kennt, mit all seiner Kraft sich selbst bewahren, wenn er in Not geraten ist. Durch Zuflucht zu solchem Verständnis sollte man stets sein Leben erhalten. Denn wer lebendig ist, kann religiöses Verdienst gewinnen, sowie Glück und Wohlstand genießen. Deshalb, oh Sohn der Kunti, sollte eine Person mit gereinigter Seele und Erkenntnis in dieser Welt handeln und auf seine Vernunft beim Unterscheiden zwischen Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit vertrauen.


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