Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 113 - Über die Nachgiebigkeit vor dem Stärkeren

Yudhishthira fragte:
Sage mir, oh Stier der Bharatas, wie sich ein König, der ein Königreich zum wertvollen Besitz erhalten hat, zu einem wesentlich stärkeren Gegner verhalten sollte.

Bhishma sprach:
Diesbezüglich wird die alte Geschichte über ein Gespräch zwischen dem Ozean und den Flüssen erzählt. In alten Zeiten bat der ewige Ozean, dieser Herr der Gewässer, der zur Zuflucht der Feinde der Himmlischen wurde, alle Flüsse, ihm einen Zweifel zu lösen, der sich in seinem Geist erhoben hatte.

Der Ozean sprach:
Ihr Flüsse, ich sehe, daß ihr mit euren reißenden Strömen die mächtigen Stämme der Bäume mit allen Ästen davontragt, die mitsamt ihren Wurzeln ausgerissen wurden. Doch selten bringt ihr mir Schilfpflanzen. Dieses Schilf, das ebenfalls an euren Ufern wächst, hat doch viel weniger Kraft als die mächtigen Stämme der Bäume. Weigert ihr euch vielleicht aus Geringschätzung, auch sie auszureißen, oder sind sie euch zu irgendetwas nütze? Ich wünsche gern den Grund von euch zu hören. Wahrlich, warum sind es gerade die Schilfpflanzen, die keiner von euch knickt und von den Ufern reißt, wo sie wachsen?

So angesprochen, antwortete die Ganga dem Ozean, diesem Herrn aller Flüsse, die folgenden bedeutungsvollen Worte im Auftrag aller Flüsse.

Die Ganga sprach:
Die Bäume stehen fest an ihrem Ort und sind bezüglich ihres Standpunktes unbeweglich. Aufgrund dieser Starrheit versuchen sie, unseren Strömen zu widerstehen und werden dann gezwungen, ihren Lebensort zu verlassen. Das Schilf handelt jedoch anders. Es neigt sich angesichts des anschwellenden Stromes, im Gegensatz zu vielen anderen. Wenn die Strömung wieder nachläßt, richtet es sich auf und lebt weiter. Das Schilf kennt die Tugenden der rechten Zeit und Gelegenheit. Es ist demütig und achtsam. Es ist standhaft, ohne starr zu sein. Deshalb bleibt es, wo es wächst, ohne von uns gebrochen zu werden. Denn jene Pflanzen, Bäume und Kletterpflanzen, die sich vor der Kraft von Wind und Wasser beugen, müssen keinen Bruch erleiden.

Bhishma fuhr fort:
Wer sich nicht vor der Übermacht eines Gegners beugen kann, der voller Kraft heranstürmt und fähig ist, zu binden oder zu töten, trifft schnell auf seinen Untergang. Ein Mensch mit Weisheit, der erst nach achtsamer Betrachtung der Kraft und Schwäche von sich und seiner Gegner handelt, muß keine Niederlage erleiden. Deshalb sollte ein intelligenter Mensch, der erkennt, daß sein Feind wesentlich stärker ist als er selbst, das Verhalten des Schilfes annehmen. Das ist ein Zeichen von Weisheit (und nicht von Schwäche).


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