Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 82 - Die Geschichte von Kalakavrikshiya

Bhishma sprach:
Das, was ich dir gerade erzählt habe, ist das beste Mittel. Doch höre jetzt, oh Bharata, über ein zweites Mittel. Jeder Mensch, der sich bemüht, die Interessen des Königs zu stärken, sollte stets von ihm beschützt werden. Wenn jemand zu dir kommt, oh Yudhishthira, bezahlt oder unbezahlt, um dich über einen Verlust deiner Schatzkammer zu unterrichten, der von einem Minister veruntreut wurde, solltest du ihm eine private Audienz gewähren und ihn vor dem (beschuldigten) Minister beschützen. Denn ein der Veruntreuung schuldiger Minister wird versuchen, oh Bharata, solche Informanten zu vernichten. Wenn sich die Plünderer des königlichen Schatzes gegen jene verbünden, die ihn bewahren wollen, dann sind diese so gut wie tot, wenn sie nicht vom König beschützt werden. Diesbezüglich wird eine alte Geschichte erzählt über das, was der Weise Kalakavrikshiya zum König von Kosala gesprochen hatte. Wir hörten, daß eines Tages der Weise Kalakavrikshiya zu Kshemadarsin kam, der den Thron des Königreichs von Kosala erstiegen hatte. Mit dem Ziel, das Verhalten aller Staatsdiener des neuen Königs zu untersuchen, reiste der Weise mit einem Käfig in der Hand, in dem ein Krähe saß, überall durch das Königreich. Und er sprach zu allen Menschen: „Vernehmt die Wahrsagung der Krähe! Die Krähe berichtet mir alles über Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft.“ Dies im Reich verkündend, begann der Weise unter dem Volk die Verbrechen aller Staatsdiener zu beobachten. Und nachdem er alles im Königreich untersucht und erfahren hatte, daß nämlich viele der vom König ernannten Beamten der Veruntreuung schuldig waren, kam der Weise mit seiner Krähe, um den König zu besuchen. Bei Hofe verkündete der Gelübdetreue: „Ich bin ein Wahrsager!“ Und im Palast sprach er zum anwesenden Minister, der mit dem Abzeichen seines Amtes geschmückt war, daß ihn seine Krähe informiert hat, welche Verbrechen er wo getan hatte, und daß er alles davon weiß, wie er die königliche Schatzkammer geplündert hatte. „Meine Krähe hat mir dies berichtet. Gestehe oder beweise bald das Gegenteil dieser Beschuldigung!“ Dann verkündigte der Weise auch die Namen der anderen Beamten, die der Veruntreuung ähnlich schuldig geworden waren und sprach: „Meine Krähe spricht nie irgendetwas Falsches.“ So angeklagt und vom Weisen bedroht, verbündeten sich alle Beamten des Königs, oh Nachkomme der Kurus, und töteten seine Krähe, während der Weise nachts schlief.

Als der zweifachgeborene Rishi seine Krähe mit einem Pfeil durchbohrt im Käfig liegen sah, begab er sich am Morgen zu Kshemadarsin und sprach:
Oh König, ich ersuche deinen Schutz! Du bist allmächtig und der Herr des Lebens und der Reichtümer von allen. Auf dein Gebot hin, kann ich dir sagen, was zu deinem Nutzen ist. Ich betrachte dich als meinen Freund und bin in Sorge um dich. Daher bin ich gekommen, von Hingabe geführt und bereit, dir mit ganzem Herzen zu dienen. Ich bin hier, um dir ohne jede Rücksicht auf die Räuber zu sagen, daß du stetig deines Reichtums beraubt wirst. Wie ein Wagenlenker ein gutes Roß drängt, so bin ich hierhergekommen, um dich als Freund zu warnen. Ein Freund, der über seine Interessen wacht und nach Wohlstand und Wachstum strebt, sollte einem Freund vergeben, der sich getrieben durch Hingabe und Zorn ihm aufdrängt, um ihm Gutes zu tun.

Darauf antwortete ihm der König:
Warum sollte ich deine Rede nicht ertragen können? Ich bin nicht blind gegenüber meinem Wohl. Ich gewähre dir die Erlaubnis, oh Zweifachgeborener! Sprich wie du möchtest. Ich werde sicherlich deinen Weisungen folgen, die du mir, oh Brahmane, geben wirst.

Und der Weise sprach:
Nach dem Ermitteln der Verdienste und Schulden deiner Diener und auch der Gefahr, welche dich durch jene bedroht, bin ich aus Hingabe zu dir gekommen, um dir alles zu berichten. Die Gelehrten haben seit alters her erklärt, auf welche Weise man anderen dienen soll, oh König. Das Los derer, die dem König dienen, ist sehr schwer und leidvoll. Verbindungen mit Königen sind wie Verbindungen mit giftigen Schlangen. Könige haben viele Freunde wie auch viele Feinde. Wer Königen dient, muß deren Feinde und auch die Könige selbst zu jeder Zeit fürchten, oh Monarch. Wer dem König dient, sollte niemals der Unachtsamkeit in seiner Pflichterfüllung schuldig werden. Wahrlich, jeder Diener, der Wohlergehen wünscht, sollte seine Aufgaben achtsam erfüllen. Seine Unachtsamkeit könnte den Zorn des Königs entfachen und solcher Zorn kann der Untergang (des Dieners) sein. Man sollte sorgfältig lernen, wie man sich selbst benimmt und in Gegenwart des Königs verweilen, wie in Gegenwart eines lodernden Feuers. Bereit, zu jeder Zeit sogar sein Leben zu opfern, sollte man dem König stets wie einer Giftschlange Aufmerksamkeit schenken, weil er die Macht hat und der Herrscher über Leben und Reichtum aller ist. Man sollte immer vermeiden, schlechte Reden vor dem König zu führen, freudlos oder in unehrerbietiger Haltungen zu sitzen, mit Verachtung zu warten, verächtlich umherzugehen oder unverschämte Gesten und respektlose Emotionen zu zeigen. Wenn der König zufrieden ist, kann er wie ein Gott Wohlstand bringen. Wenn er zornig wird, kann er wie ein flammendes Feuer bis zu den Wurzeln verbrennen. Das, oh König, wurde von Yama gesprochen, und diese Wahrheit kann man in allen Angelegenheiten der Welt erkennen. So werde ich jetzt handeln, um deinen Wohlstand zu sichern. Freunde wie wir können Freunden wie dir die Hilfe ihrer Weisheit in Zeiten der Gefahr gewähren. Meine Krähe, oh König, ist wegen dir getötet worden. Dafür werde ich dich jedoch nicht verantwortlich machen. Denn es waren deine Feinde (welche diesen Vogel getötet haben). Beobachte achtsam, wer deine Freunde und wer deine Feinde sind! Das solltest du ganz allein tun, ohne dich auf andere zu verlassen. Viele in deinem Staatsdienst sind der Unterschlagung schuldig geworden. Sie suchen nicht mehr das Wohl deiner Untertanen. Ich habe ihre Feindschaft herausgefordert. Verschworen mit jenen Dienern die stets an deiner Seite sind, begehren sie das Königreich und streben nach deinem Untergang. Ihre Pläne waren jedoch aufgrund unerwarteter Bedingungen noch nicht erfolgreich. Aus Furcht vor diesen Menschen, oh König, sollte ich dieses Königreich verlassen und mir eine andere Bleibe suchen. Ich habe keine weltlichen Bindungen mehr, denn sie haben mit ehrloser Absicht diesen Pfeil auf meine Krähe geschossen und den Vogel, oh Herr, ins Reich von Yama geschickt. Das habe ich, oh König, mit meinen Augen gesehen, deren Sicht durch Entsagung gewachsen ist. In Begleitung dieser Krähe habe ich dein Königreich durchquert wie einen Fluß, der voller Krokodile und anderer Bestien ist. Wahrlich, mit dem Beistand dieses Vogels, habe ich dein Herrschaftsgebiet durchwandert wie ein Tal im Himalaja, das aufgrund umgefallener Baumstämme, verstreuter Felsen, dorniger Büsche, Löwen, Tiger und anderer Raubtiere unzugänglich ist. Die Gelehrten sagen, daß ein Bereich, der wegen Dunkelheit unzugänglich ist, mithilfe von Licht durchquerbar wird, wie ein Fluß mit einem Boot. Es gibt jedoch keine Mittel, um in den Irrgarten der königlichen Angelegenheiten einzudringen oder ihn zu durchqueren. Dein Königreich gleicht einem unzugänglichen dunklen Wald. Selbst du (als König) kannst ihm nicht mehr vertrauen. Wie könnte ich es? Gut und Böse liegen überall im Dunkeln. Kein Wohnort ist mehr sicher. Rechtschaffene werden getötet, während Ungerechte wachsen und gedeihen. Der Gerechtigkeit folgend sollten die Betrüger geschlagen werden, nicht die Rechtschaffenen. Es ist deshalb nicht gut, noch länger in diesem Königreich zu bleiben. Ein verständiger Mensch sollte dieses Land bald verlassen. Es gibt einen Fluß, oh König, mit Namen Sita, wo alle Boote versinken. Dein Königreich ist diesem Fluß ähnlich. Ein allzerstörendes Netz scheint sich überall auszubreiten. Dir droht der Fall, der jedem Honigsammler droht. Dein Reich ist wie ein köstliches Essen, das Gift enthält. Dein Wesen neigt sich zur Illusion und nicht zur Wahrhaftigkeit. Du wirst zur Grube, oh König, die voller giftiger Schlangen ist. Dein Inneres, oh König, gleicht bald einem Fluß mit süßem Wasser, der aber nur noch mit Gefahr zu erreichen ist, denn die steilen Ufer sind überall mit Dornengestrüpp überwachsen. Du lebst wie ein Schwan inmitten von Hunden, Geiern und Schakalen. Wie ein mächtiger Baum, der von Parasitenpflanzen überwuchert wird, die üppig wachsen und schließlich den ganzen Baum überdecken. Und wenn eine Feuersbrunst kommt, die das Schlinggeflecht erfaßt, dann wird der herrschaftliche Baum mit verbrennen. Deine Minister, oh König, sind diese Parasitenpflanzen, von denen ich spreche. Wehre sie ab und richte sie! Sie wurden durch dich genährt. Aber sie verschworen sich gegen dich und zerstören deinen Wohlstand. Ich weiß um die Schuld deiner Staatsdiener und lebe in deinem Haus in beständiger Gefahr, wie in einem Zimmer mit einer Giftschlange oder wie der Geliebte der Ehefrau eines Helden. Mein Ziel ist es, das Verhalten des Königs zu prüfen, der mein Beschützer ist. Ich möchte wissen, ob der König seine Leidenschaften gezügelt hat, ob seine Diener ihm gehorsam sind, ob er von ihnen geliebt wird, und ob er seine Untertanen liebt. Um all das zu erfahren, bin ich zu dir gekommen, oh Bester der Könige. Wie die Nahrung für eine hungrige Person, so bist du mir lieb geworden. Ich mag jedoch deine Minister nicht, wie eine Person ohne Durst keine berauschenden Getränke mag. Sie haben mich beleidigt, weil ich dein Wohl suche. Ich habe keinen Zweifel, daß dies der Grund ihrer Feindschaft mir gegenüber ist. Ich selbst hege keine feindlichen Absichten ihnen gegenüber. Ich versuche nur, ihre Schuld aufzudecken. Doch wie man eine verwundete Schlange fürchten sollte, so sollte jeder einen übelgesinnten Feind fürchten!

Der König sprach:
Wohne in meinem Palast, oh Brahmane! Ich werde dich stets mit Ehre, Respekt und Würde behandeln. Wer dich verachtet, soll nicht bei mir wohnen. So sprich, was als nächstes bezüglich der Übeltäter getan werden sollte. Sieh, oh Heiliger, daß der Stab der Herrschaft gerecht ausgeübt wird und daß in meinem Königreich alles wohlgetan ist. Bedenke alles und führe mich auf solche Art und Weise, daß ich Wohlstand gewinnen kann.

Der Heilige sprach:
Schließe deine Augen vorerst vor diesem Verbrechen von ihnen (der Tötung der Krähe) und schwäche sie einen nach dem anderen. Beweise dann ihre Schuld und bestrafe sie nacheinander. Denn wenn viele Leute des gleichen Vergehens schuldig werden, können sie, indem sie vereint handeln, sogar die spitzesten Dornen weich machen. Damit deine verdächtigten Minister nicht gegen dich handeln, verheimliche vorerst deine Absichten. Diese Vorsicht empfehle ich dir! Wir Brahmanen sind im Innersten mitfühlend und wollen niemandem Schmerz zufügen. Wir wünschen dein Wohl wie auch das Wohl aller anderen, wie wir es uns auch selbst wünschen. So bin ich dein Freund, oh König. Ich bin als der Weise Kalakavrikshiya bekannt und stets der Wahrheit gewidmet. Dein Vater betrachtete mich bereits liebevoll als Freund. Als die Not dieses Königreich während der Herrschaft deines Vaters heimsuchte, oh König, übte ich vielfältige Askese (um sie zu vertreiben) und gab jede andere Beschäftigung auf. Dies spreche ich aus Zuneigung zu dir, damit du nicht noch einmal den Fehler begehst (unwürdigen Personen zu vertrauen). Du hast von deinem Vater ein gesundes Königreich erhalten. Bedenke nun alles zu seinem zukünftigen Wohl und Weh. Du hast fähige Berater in deinem Königreich. Warum, oh König, bist du der Unachtsamkeit schuldig geworden?

Bhishma fuhr fort:
Danach ernannte der König von Kosala neue Minister aus der Kshatriya Kaste und den Brahmanen (Kalakavrikshiya) als seinen Purohita. Nach dieser Veränderung brachte der König von Kosala sein ganzes Reich wieder unter seine Herrschaft und erwarb großen Ruhm. Der Weise Kalakavrikshiya verehrte die Götter in vielen großartigen Opfern für den König. Und weil der König von Kosala seine nützlichen Ratschläge erhört hatte, überwand er bald die ganze Erde und verhielt sich in jeder Hinsicht, wie der Weise ihm geraten hatte.


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