Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 73 - Über die Bedeutung der Brahmanen

Bhishma sprach:
Der König, der seine Augen auf religiösen Verdienst und Gewinn richtet, deren Beachtung oft nicht einfach ist, ernennt alsbald einen Priester, der gelehrt und mit den Veden sowie den anderen heiligen Schriften vertraut ist. Jene Könige, die tugendhafte Priester haben, die auch in der Politik erfahren sind und selbst ähnliche Qualitäten besitzen, genießen Wohlstand in jeder Richtung. Sowohl die Priester als auch der König sollten solche Qualitäten haben, die der Beachtung würdig sind, ihre Gelübde bewahren und Entsagung üben. Dann werden sie erfolgreich die Untertanen, Götter, Ahnen und Kinder (ihr Volk) unterstützen und wachsen lassen. Es wird sogar gesagt, daß sie in ihrem Herzen verwandt und untereinander Freunde sein sollten. Durch solche Freundschaft zwischen Brahmane und Kshatriya werden die Untertanen glücklich. Wenn sie einander nicht achten, würde das Volk untergehen. So gelten die Brahmanen und Kshatriyas auch als Ahnherrn aller Menschen. Diesbezüglich wird die alte Geschichte über ein Gespräch zwischen dem Sohn von Ila (Aila bzw. Pururava) und Kasyapa erzählt. Höre sie, oh Yudhishthira.

Aila fragte:
Wenn der Brahmane den Kshatriya verläßt oder der Kshatriya den Brahmanen, wer unter ihnen sollte höher betrachtet werden, und auf wen verlassen sich die anderen Kasten, um ihr Leben zu erhalten?

Kasyapa sprach:
Das Königreich eines Kshatriya ist vom Ruin bedroht, wenn Brahmane und Kshatriya gegeneinander kämpfen. So ein Königreich, in dem das Chaos herrscht, wird von Räubern heimgesucht, und alle guten Menschen betrachten den Herrscher als einen gottlosen Barbar. Weder ihre Kinder noch ihre Haustiere gedeihen. Ihre Milchtöpfe werden nicht verbuttert und die Opfer vernachlässigt. Die Kinder studieren die Veden nicht in einem Königreich, wo die Brahmanen die Kshatriyas verlassen haben. In ihren Häusern wird der Reichtum niemals wachsen. Ihre Kinder werden nicht tugendhaft, bleiben unwissend und vernachlässigen die Opfer. Und jene Kshatriyas, welche die Brahmanen verlassen, werden im Inneren unrein und nehmen mit der Zeit die Natur der Räuber an. Denn Brahmane und Kshatriya sind wesenhaft miteinander verbunden und beschützen sich gegenseitig. Der Kshatriya ist die Grundlage für das (weltliche) Wachstum der Brahmanen, und der Brahmane ist die Grundlage für das (geistige) Wachstum der Kshatriyas. Wenn jeder dem anderen hilft, gelangen beide zu großem Wohlstand. Doch wenn ihre Freundschaft, die seit ältesten Tagen besteht, zerbricht, wird alles in Verwirrung geraten. Keiner, der danach strebt, den Ozean des Lebens zu durchqueren, wird seine Aufgabe erfüllen können, wie ein verlorenes, einzelnes kleines Boot auf dem endlosen Meer. Die vier Kasten der Menschen geraten in Verwirrung, und alles wird vom Untergang bedroht. Wenn jedoch der Brahmane beschützt wird, der einem Lebensbaum gleicht, dann wird es Gold und Honig regnen, anstatt Tränen und Sünden. Wenn die Brahmanen von den Veden abfallen und (ohne Kshatriya Herrscher) den Schutz in den Schriften suchen, dann wird Indra nicht zur rechten Zeit den Regen schicken, und verschiedensten Katastrophen werden unaufhörlich das Königreich quälen. Wenn ein sündiger Übeltäter, der vielleicht sogar eine Frau oder einen Brahmanen getötet hat, nicht mehr auf den Tadel seiner Mitmenschen stößt und keine Furcht vor dem König kennt, dann droht dem Kshatriya Herrscher höchste Gefahr. Denn aufgrund der Sünden dieser Übeltäter manifestiert sich Gott Rudra im Königreich. Wahrlich, die Sündigen bringen durch ihre Sünden diesen Gott der Rache über das Land. Er zerstört dann alles, die Übelgesinnten wie die Ehrlichen (ohne Unterschied).

Aila fragte:
Woher entspring dieser Rudra? Was ist seine Form? Wesen können doch nur durch Wesen zerstört werden. Belehre mich darüber, oh Kasyapa! Woher kommt diese göttliche Strafe?

Kasyapa sprach:
Rudra existiert in den Herzen der Menschen. Er zerstört die Körper selbst, in denen er wohnt, wie auch die Körper von anderen. Man sagt, Rudra ist wie ein innerer Sturm und seine Form gleicht dem Windgott, einer Feuersbrunst oder einer Gewitterwolke.

Aila sprach:
Was könnte der Mensch gegen den Wind, eine Feuersbrunst oder Gewitterwolken tun? Es sind doch die Sünden von Begierde und Haß, die ihn binden und seiner Freiheit berauben.

Kasyapa sprach:
Wenn ein Feuer in einem einzigen Haus ausbricht, kann es ein ganzes Wohnviertel oder ein komplettes Dorf verbrennen. Ähnlich verunreinigt dieser Gott die Sinne von wenigen, aber die Verwirrung trifft dann alle, die Ehrlichen und die Übelgesinnten, ohne jede Unterscheidung.

Aila fragte:
Wenn diese Strafe alle gleich trifft, die Ehrlichen und die Übeltäter, aufgrund der Sünden, die von den Sündern begangen wurden, warum sollte sich dann ein Mensch um tugendhaftes Handeln bemühen? Wahrlich, warum sollte man sündige Handlungen fürchten?

Kasyapa sprach:
Indem man jede Verbindung mit der Sünde vermeidet, wird man rein und unbefleckt. Wenn man jedoch mit sündhaften Menschen verbunden ist, wird man auch ihre Strafe ertragen müssen. Denn wenn feuchtes mit trockenem Holz vermischt wird, wird es vom Feuer aufgrund dieser Verbindung nicht verschont werden. Deshalb sollte man jegliche Verbindung mit dem Sündhaften lösen.

Aila sprach:
Die Erde trägt die Ehrlichen und die Übelgesinnten, die Sonne wärmt beide, der Wind weht für beide und das Wasser reinigt sie in gleicher Weise.

Kasyapa sprach:
Wahrlich, das ist der Lauf dieser Welt, oh Prinz! In der kommenden Welt ist es jedoch anders. Dort gibt es große Unterschiede zwischen Personen, die rechtschaffen oder sündig gehandelt haben. Die Bereiche, die tugendhafte Menschen gewinnen, sind honigsüß und haben die Herrlichkeit des Goldes oder eines Opferfeuers, in das geklärte Butter gegossen wurde. Diese Bereiche sind mit der Quelle des Amrits, dem Nektar der Unsterblichkeit verbunden. Der Tugendhafte genießt dort große Glückseligkeit. Tod, Alter und Sorgen gibt es nicht. Der Bereich für die Sündhaften ist jedoch die Hölle. Dunkelheit und unaufhörlicher Schmerz warten dort, und alles ist voller Sorgen. In Schande versunken, wird der Mensch von sündigen Taten dort viele lange Jahre mit Reue ringen müssen. So wird eine Spaltung zwischen Brahmanen und Kshatriyas das Volk mit unerträglichem Kummer quälen. Dies erkennend, sollte der König einen Brahmanen als Priester ernennen, der mit Weisheit und Erfahrung gesegnet ist. Er sollte zuerst den Priester in sein Amt einsetzen, bevor er selbst gekrönt wird. Das ist heiliges Gebot. Denn die Schriften erklären, daß der Brahmane das Erste aller Wesen ist. Und alle vedischen Gelehrten wissen, daß der Brahmane zuerst geschaffen wurde. Aufgrund seiner Erstgeburt sind alle vorzüglichen Dinge in dieser Welt mit ihm verbunden. Und als rechtmäßiger Eigentümer aller vorzüglichen Dinge, die aus dem Schöpfer geflossen sind, ist der Brahmane auch wegen dieser Bedeutsamkeit der Verehrung und des hohen Respekts aller Wesen würdig. Deshalb sollte ein König, auch (bzw. besonders) wenn er mächtig ist, entsprechend den Geboten der Schriften den Brahmanen alles widmen, was in der Welt vorzüglich und begehrenswert ist. Denn der Brahmane stützt das (geistige) Wachstum der Kshatriyas und der Kshatriya das (weltliche) Wachstum der Brahmanen. Deshalb sollten die Brahmanen stets und besonders von Königen verehrt werden.


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