Pushpak Mahabharata Buch 11Zurück WeiterNews

Stri-vilapa Parva - Die Klage der Frauen

Kapitel 16 - Gandharis Sicht auf das Schlachtfeld

Vaisampayana sprach:
Nachdem Gandhari diese Worte gesprochen hatte, sah sie mit ihrem geistigen Auge das ganze Schlachtfeld vor sich, obwohl sie abseits stand (und ihre Augen verbunden waren). Stets ihrem Ehegatten hingegeben, hatte diese höchst gesegnete Dame mit Ausdauer hohe Gelübde geübt, und voll strengster Entsagung war sie stets wahrhaftig in ihrer Rede. Aufgrund der Segensgabe des großen Rishis Vyasa mit den heiligen Taten, bekam sie geistige Sicht und Macht. So begann diese gesegnete Dame voller Mitgefühl all das Leid dieser Schlacht zu beklagen. Mit großer Intelligenz sah die Kuru Dame durch ihre Weitsicht das Schlachtfeld der heldenhaften Krieger, als ob sie überall vor Ort wäre, und es war schrecklich anzuschauen und voll wundersamer Erscheinungen. Es war überall mit Knochen und Haaren bedeckt, sowie mit Strömen von Blut und abertausenden Leichen auf jeder Seite. Eingefärbt vom Blut der Elefanten, Pferde, Wagenkämpfer und aller anderen Krieger, türmten sich die kopflosen Rümpfe und die rumpflosen Köpfe. Überall erschallte das Wehgeschrei der Frauen zwischen den toten Elefanten, Rossen und Männern sowie den Scharen von Schakalen, Krähen, Raben, Kankas und anderen Aasfressern. Es war der Vergnügungsplatz von unzähligen Rakshasas, die von menschlichem Fleisch leben. Ringsherum schwärmten die Adler und Geier und das unheilvolle Geheul der Schakale ertönte.

Dann betraten König Dhritarashtra und alle Söhne des Pandu mit Yudhishthira an ihrer Spitze sowie Vasudeva und alle Kuru Damen mit dem Segen von Vyasa das Schlachtfeld. Als die Frauen, deren Männer in die Schlacht gezogen waren, Kurukshetra erreichten, erblickten sie ihre getöteten Brüder, Söhne, Väter und Ehemänner auf der Erde liegend, wo sie bereits von Raubtieren, Wölfen, Raben und Krähen sowie von Geistern, Gespenstern, Rakshasas und anderen Wanderern der Nacht verzehrt wurden. Beim Anblick dieses Gemetzels, als hätte hier Rudra selbst gewütet, weinten und jammerten die Damen laut und stiegen schnell von ihren kostbaren Fahrzeugen ab. Was sie hier sahen, hatten sie nie zuvor in dieser Art gesehen. So versagte den Bharata Damen bald die Kraft in all ihren Gliedern, und sie sanken zu Boden, aller Sinne beraubt, und viele wurden ohnmächtig. Wahrlich, die Panchala und Kuru Damen versanken in unaussprechliche Qualen. Als dieses schreckliche Schlachtfeld überall von dem Wehgeschrei der tieftraurigen Damen erfüllt wurde, da wandte sich Gandhari, die Tochter von Suvala, die in allen Aufgaben wohlerfahren war, an den lotusäugigen Krishna, diesen Ersten aller Menschen. Und angesichts dieser umfassenden Vernichtung der Kurus sprach sie voller Kummer:
Schau nur, oh lotusäugiger Madhava, meine Schwiegertöchter! Ihrer Männer beraubt, schreien sie mit wirrem Haar und mitleiderregendem Gejammer wie fliegende Fischadlerweibchen. Beim Anblick all dieser Leichen erinnern sie sich an die großen Bharata Führer. In dichten Scharen laufen sie hin und her zu ihren Söhnen, Brüdern, Vätern und Männern. Schau nur, oh Starkarmiger, wie das Feld von den Müttern der Helden wimmelt, die alle ihre Söhne verloren haben. Schau nur die unzähligen Ehefrauen, die alle ihrer Gatten beraubt wurden. Schau nur, wie das Schlachtfeld von diesen Tigern unter den Männern, Bhishma, Karna, Abhimanyu, Drona, Drupada und Shalya erstrahlt, als würden lodernde Feuer brennen. Schau nur, wie es mit den goldenen Rüstungen, kostbaren Edelsteinen, Armreifen, Girlanden und anderen Ornamenten der hochbeseelten Krieger geschmückt ist. Schau nur, wie es mit Speeren, Keulen, Schwertern, Pfeilen und Bögen bestreut ist, welche alle von heroischen Händen gebraucht wurden. Überall haben sich nun Raubtiere versammelt, die nach Belieben stehen, liegen oder umherjagen. Schau nur, oh mächtiger Held, dieses Schlachtfeld! Bei diesem Anblick, oh Janardana, brenne ich im Kummer. Mir ist, oh Madhu Vernichter, als wären mit dem Untergang der Panchalas und Kurus die fünf Elemente zerstört worden (aus denen alles gebildet wird). Wilde Geier und andere Vögel zerren zu Tausenden an den Rüstungen und reißen an den blutgefärbten Körpern, um sie zu verschlingen. Wer hätte sich den Tod solcher Helden wie Jayadratha, Karna, Drona, Bhishma und Abhimanyu vorstellen können? Ach, obwohl sie unschlagbar waren, wurden sie doch getötet, oh Madhu Vernichter! Schau nur, wie sich jetzt die Geier, Kankas, Raben, Falken, Hunde und Schakale von ihnen ernähren. Dort liegen jetzt diese Tiger unter den Männern, die an der Seite von Duryodhana kämpften und das Schlachtfeld voller Zorn betraten, wie ausgelöschte Feuer. Sie alle waren würdig, in weichen und sauberen Betten zu schlafen. Aber, ach, vom Leiden überwältigt, schlafen sie jetzt auf der bloßen Erde. Früher pflegten Barden zur rechten Zeit ihr Lob zu singen. Nun hören sie dem wilden und unheilvollen Geheul der Schakale zu. Diese berühmten Helden, die früher in kostbaren Betten zu ruhen pflegten und ihre Glieder mit Sandelholzpaste und dem Puder der Aloe verzierten, ach, sie liegen jetzt im Staub. Die Geier, Wölfe und Raben sind nun ihre Ornamente geworden, die mit unheilvollem und wildem Geschrei an ihnen zerren. Doch diese Helden, welche am Kampf ihre Freude hatten, erscheinen immer noch herrlich, und an ihrer Seite liegen ihre scharfen Pfeile, die wohlgehärteten Schwerter und glänzenden Keulen, als ob ihr Leben noch nicht entflohen wäre. So schlafen unzählige der besten Helden, voller Schönheit und Herrlichkeit sowie geschmückt mit goldenen Girlanden auf der bloßen Erde. Schau nur, wie die Raubtiere an ihnen zerren und reißen. Manche der Starkarmigen schlafen mit ihren Keulen in ihren Armen, als ob es die geliebte Ehefrau wäre. Andere, die in Rüstung gehüllt sind, halten noch ihre glänzenden Waffen in den Händen. Nicht einmal die Raubtiere zerfleischen sie, oh Janardana, weil sie noch so lebendig erscheinen. Die schönen Girlanden aus reinem Gold, welche viele der berühmten Helden, um ihre Hälse trugen, liegen nun überall verstreut, während ihre Körper von den fleischfressenden Wesen zerrissen werden. Dort zerren die wilden Wölfe zu Tausenden an den goldenen Halsketten der vielen berühmten Helden, die vom Tod gestillt wurden.

Viele, die von wohltrainierten Barden jeden Morgen mit ihren Lobliedern und bedeutungsvollen Rezitationen erfreut wurden, sind jetzt von ihren schönen Damen umringt, die vom Kummer überwältigt um sie weinen und wehklagen, oh Tiger der Vrishnis. Die Gesichter dieser schönen Damen, oh Kesava, erscheinen trotz ihrer Bleiche immer noch wie ein Strauß von roten Lotusblumen. Schau nur, jene Kuru Damen können mit ihrem Gefolge nicht einmal mehr weinen. Sie sind schockiert und laufen vom Gram überwältigt nur noch verwirrt umher. Die Gesichter dieser Schönheiten, voller Trauer und Wut, glänzen wie die Morgensonne, wie Gold oder poliertes Kupfer. Von allen Seiten hören diese Damen das Wehklagen der anderen. Doch in diesem lauten Gejammer sind die vielen Wortfetzen kaum noch zu verstehen. Viele unter ihnen seufzen tief und lang, und immer wieder ertönen ihre Klagerufe. Andere sind vom Kummer schon ganz betäubt und scheinen ihren Lebensatem aufzugeben. Viele von ihnen starren auf die Körper (ihrer Söhne, Männer oder Väter), weinen und jammern laut. Andere schlagen vor Verzweiflung mit ihren zarten Händen gegen ihre Köpfe. Ringsherum erscheint die Erde, die mit den abgeschlagenen Köpfen, Händen und anderen Gliedmaßen bestreut ist, alle miteinander vermischt und in großen Haufen aufgetürmt, in einem eigenartigen Glanz voller Zeichen der Verwüstung. Angesichts der unzähligen kopflosen Rümpfe und rumpflosen Köpfe, denen man ihre einstige Herrlichkeit noch ansieht, liegen diese schönen Damen lange besinnungslos auf der bloßen Erde. Manche der Damen versuchen betäubt vom Kummer, bestimmte Köpfe mit bestimmten Rümpfen zu verbinden, um dann ihren Fehler zu erkennen und mit bitteren Tränen zu jammern „Ach, das gehört nicht zusammen!“. Andere versuchen Arme, Schenkel und Füße zu verbinden, welche durch die scharfen Pfeile abgetrennt wurden, geben ihrem Kummer freien Lauf und fallen immer wieder in Ohnmacht (beim Anblick ihrer wiederhergestellten Gestalten). Viele der Bharata Damen sehen auf die Körper ihrer Männer, die von Tieren und Vögeln zerfleischt wurden und ohne Köpfe sind, aber können sie nicht mehr erkennen. Andere finden ihre vom Feind getöteten Brüder, Väter, Söhne und Männer, oh Madhu Vernichter, und schlagen sich verzweifelt mit ihren Händen gegen ihre eigenen Köpfe.

Wie ein Sumpf aus Fleisch und Blut ist diese Erde unwegsam geworden mit all den Armen, die noch die Schwerter im Griff haben, sowie den Köpfen, die mit Ohrringen geschmückt sind. So sehen die makellosen Damen, die zuvor nicht die kleinste Qual ertragen mußten, dieses Schlachtfeld mit ihren toten Brüdern, Männern und Söhnen und versinken in unaussprechlichem Leiden. Schau nur, oh Janardana, diese großen Scharen der Schwiegertöchter von Dhritarashtra, die einer versprengten Herde von Jungstuten mit den schönsten Mähnen gleichen. Was, oh Kesava, könnte für mich ein traurigeres Schauspiel sein, als das, was diese schöngestalteten Damen mir in dieser Form präsentieren? Zweifellos muß ich große Sünde in einem ehemaligen Leben begangen haben, weil ich heute, oh Krishna, alle meine Söhne, Enkel und Brüder vom Feind getötet sehen muß.

Vaisampayana fuhr fort:
Und während sie solchen Wehklagen voller Kummer nachhing, fielen die Blicke von Gandhari auch auf ihren Sohn Duryodhana.


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