Pushpak Mahabharata Buch 11Zurück WeiterNews

Kapitel 8 - Über den Beschluß der Götter

Vaisampayana sprach:
Nachdem Vidura seine Rede beendet hatte, dauerte es nicht lange, da wurde der Führer der Kurus wieder vom Kummer wegen des Todes seiner Söhne überwältigt und sank bewußtlos zu Boden. Als seine Freunde, wie der inselgeborene Vyasa, Vidura, Sanjaya und andere Wohlgesinnte sowie seine Diener, die an den Toren wachten und sein Vertrauen hatten, den König in diesem Zustand sahen, besprenkelten sie ihn mit kühlem Wasser, fächelten ihm mit Palmenwedeln kühle Luft zu und massierten seinen Körper sanft mit ihren Händen. Lange trösteten sie den ohnmächtigen König. Als der Monarch dann seine Sinne wiedererlangte, weinte er lange Zeit, vom Kummer über seine toten Söhne geplagt. Danach sprach er:
Schande auf das Menschsein! Schande auf diesen menschlichen Körper! Aus diesem menschlichen Zustand entstehen immer wieder Leiden, die man im Leben ertragen muß. Ach, oh Vater, groß ist der Kummer, wie Gift oder Feuer, den man beim Verlust von Söhnen, Reichtum, Angehörigen und Verwandten erleiden muß. Dieser Kummer läßt die Glieder brennen und zerstört die Weisheit. Überwältigt von diesem Leiden, betrachtet man den Tod als willkommen. Zu groß ist die Katastrophe, die mich im Unglück eingeholt hat. Ich sehe nicht, wie sie enden könnte, außer mit dem Leben selbst. Oh ihr Besten der Zweifachgeborenen, deshalb werde ich meinem Leben noch heute ein Ende setzen.

Nachdem er diese Worte zu seinem hochbeseelten Vater (Vyasa) gesprochen hatte, diesem Ersten aller Brahmakenner, fiel Dhritarashtra, vom Kummer überwältigt in größte Verwirrung. Der König verlor sich in seine Gedanken, oh Monarch, und verstummte. Als der mächtige Vyasa diese Worte von seinem Sohn hörte, den die Trauer um den Tod seiner Kinder schwer quälte, sprach er zu ihm:
Oh starkarmiger Dhritarashtra, höre meine Worte! Du bist gelehrt, voller Intelligenz und wohlerfahren in den Lebensaufgaben, oh Mächtiger. Nichts, was man als Mensch wissen sollte, ist dir unbekannt, oh Feindevernichter. Zweifellos kennst du auch die Vergänglichkeit aller Dinge, die dem Tod geweiht sind. Wenn diese Welt des Lebens so vergänglich und nicht ewig ist, und jedes geborene Leben im Tod enden muß, warum grämst du dich so sehr, oh Bharata? Vor deinen eigenen Augen, oh König, haben die Verkettungen des Schicksals deinen Sohn zur Ursache für diese Feindschaft gemacht. Dieser Untergang der Kurus, oh König, war unvermeidlich. Warum grämst du dich also um jene Helden, die das Höchste erreicht haben? Oh Starkarmiger, der hochbeseelte Vidura hatte alles vorausgesehen und sich mit aller Kraft um Frieden bemüht. Doch ich bin überzeugt, daß der Lauf des Schicksals von niemandem bezwungen werden kann, selbst wenn er ewig kämpfen würde. Ich habe selbst gehört, wie die Götter diesen Weg bestimmt haben. So will ich dir davon erzählen, um deinen Geist zu beruhigen. Eines Tages überwand ich jegliche Trägheit und stieg zum Hof von Indra auf. Dort sah ich alle Bewohner des Himmels gemeinsam versammelt. Es waren, oh Sündloses, all die himmlischen Rishis mit Narada an der Spitze. Dort sah ich auch die Göttin Erde, oh Monarch, die sich aus einem bestimmten Grund zur Versammlung der Götter begeben hatte. Sie näherte sich ihnen und sprach:
Das, was ihr alle für mich tun solltet, ihr Gesegneten, habt ihr bereits versprochen, während ihr vor Brahma standet. Möge es nun bald geschehen!

Als sie diese Worte von ihr hörten, antwortet Vishnu, der in allen Welten verehrt wird, mit einem Lächeln inmitten der Versammlung:
Der Älteste der hundert Söhne von Dhritarashtra, der unter dem Namen von Duryodhana bekannt sein wird, soll diese Aufgabe vollbringen. Durch diesen König wird dein Ziel erreicht, oh Mutter Erde. Um seinetwillen werden sich zahllose Könige auf Kurukshetra versammeln, und dort werden sich diese mächtigen Krieger gegenseitig mittels schärfster Waffen schlagen. Durch diese Schlacht, oh Göttin, wird sich deine Bürde sicherlich erleichtern. So geh nun schnell wieder an deinen Platz und trage weiterhin die Last der Geschöpfe, oh Wunderschöne!

Damit wirst du verstehen, oh König, daß dein Sohn Duryodhana, der im Mutterleib der Gandhari geboren wurde, ein Teil von Kali war, der mit dem Ziel einer umfassenden Schlacht in dieser Welt erschienen ist. Er war rachsüchtig, ruhelos, zornig und sehr unzufrieden. Und durch den Einfluß des Schicksals wurden seine Brüder ebenso wie er. Shakuni wurde sein Onkel und Karna sein bester Freund. Viele weitere Könige wurden auf Erden geboren, um bei diesem Werk des Unterganges behilflich zu sein. Wie der König ist, so werden seine Untertanen. Wenn der König rechtschaffen ist, wandelt sich sogar jede Ungerechtigkeit (in seinem Reich) in Gerechtigkeit. Denn die Diener werden zweifellos durch die Verdienste und Sünden ihres Meisters betroffen. So haben deine Söhne, oh König, einen schlechten König erhalten und wurden alle vernichtet. Narada, der die Wahrheit kennt, wußte dies alles. Deine Söhne wurden durch ihre eigenen Sünden geschlagen, oh König. So gräme dich nicht um sie, oh Monarch! Es gibt keinen Grund zum Kummer. Die Pandavas haben nicht die kleinste Schuld an dem, was geschehen ist, oh Bharata. Deine Söhne waren übelgesinnt. Sie selbst haben damit diese Zerstörung auf Erden verursacht. Oh Gesegneter, Narada hatte Yudhishthira über all das an seinem Hof anläßlich des Rajasuya Opfers wahrhaft informiert und sprach: „Die Pandavas und Kauravas werden aufeinanderstoßen und auf ihren Untergang treffen. So handle, oh Sohn der Kunti, wie es sein soll!“ Auf diese Worte von Narada hin, wurden die Pandavas mit großem Kummer erfüllt.

Damit habe ich dir dieses ewige Geheimnis der Götter offenbart. Möge es deinen Kummer zerstreuen und dir die Liebe zum Leben wiedergeben. Mögest du damit auch Zuneigung zu den Pandavas finden, denn alles, was geschah, war von den Göttern so bestimmt worden. Oh Starkarmiger, dies alles war mir schon lange bekannt. So sprach ich damals vor dem gerechten König Yudhishthira anläßlich seines ersten Rajasuya Opfers bereits davon. Nachdem ich ihn im Vertrauen über all das informiert hatte, war der Sohn des Dharma mit aller Kraft bemüht, den Frieden mit den Kauravas zu bewahren. Was jedoch von den Göttern bestimmt wurde, ist kaum zu verhindern. Den Entschluß des Zerstörers, oh König, kann kein Geschöpf umgehen. Du bist der Tugend gewidmet und mit höherer Intelligenz gesegnet, oh Bharata. Du kennst die Wege aller Wesen und ihre Abwege. Wenn König Yudhishthira erfährt, daß du im Kummer verbrennst und immer wieder bewußtlos wirst, wird er seines Lebens nicht froh werden. Er ist stets voller Mitgefühl und Weisheit. Seine Güte erstreckt sich sogar auf alle niederen Lebewesen. Warum sollte er für dich, oh König, kein Mitgefühl hegen? Auf mein Geheiß hin und mit der Einsicht, daß alles, was bestimmt ist, unvermeidlich ist, sowie aus Güte zu den Pandavas, mögest du dein Leben ertragen, oh Bharata. Wenn du lebst, wird sich dein Ruhm in der Welt ausbreiten. Dann wirst du fähig sein, die Wahrheit zu erkennen, und viele Jahre werden dir noch gegeben, um asketischen Verdienst zu sammeln. So lösche diesen Kummer über den Tod deiner Söhne, der sich in deinem Herzen, oh König, wie ein loderndes Feuer erhoben hat, geduldig mit dem reinen Wasser der Weisheit!

Vaisampayana fuhr fort:
Als Dhritarashtra diese Worte von Vyasa mit der unermeßlichen Energie hörte, überlegte er eine Weile und sprach dann:
Oh Bester der Zweifachgeborenen, ich werde durch eine schwere Last der Sorgen äußerst gequält. Meine Sinne verlassen mich immer wieder, und ich bin nicht fähig, mich selbst zu ermutigen. Doch aufgrund deiner Worte über das, was von den Göttern bestimmt wurde, werde ich den Gedanken aufgeben, mein Leben zu beenden, und werde leben und handeln, ohne im Kummer zu versinken.

Nachdem Vyasa, der Sohn von Satyavati, diese Worte von Dhritarashtra gehört hatte, oh Monarch, verschwand er sogleich vor allen Augen.


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter