Pushpak Mahabharata Buch 11Zurück WeiterNews

Kapitel 4 - Über Geburt, Leiden und Tod

Dhritarashtra fragte:
Oh Bester der Redner, wie kann man das Dickicht dieser Welt durchschauen? Das wünsche ich zu erfahren. Bitte belehre mich!

Und Vidura sprach:
Ich werde dir zunächst den Weg der Wesen von ihrer ersten Empfängnis an beschreiben. Am Anfang lebt das Wesen in einer Mischung aus Blut und Lebenssamen. Dann wächst es Schritt für Schritt, und nach Ablauf des fünften Monats nimmt es Gestalt an. Es wird zu einem Embryo mit allen ausgebildeten Gliedern und lebt an einem sehr unreinen Ort zwischen Fleisch und Blut. Dann wird es durch die Wirkung des Windes so gedreht, daß die unteren Glieder aufwärts und der Kopf abwärts wandern. Wenn es in dieser Haltung zum Muttermund gedrängt wird, muß es bereits vielfältiges Leiden ertragen. Aufgrund des Zusammenziehens der Gebärmutter kommt das Wesen dann mit dem Karma all seiner vorherigen Taten erfüllt zum Vorschein. In dieser Welt trifft es dann auf weitere Übel. Diese Leiden eilen auf ihn zu, wie die Hunde beim Geruch von Fleisch. So nähern sich ihm verschiedene Krankheiten, und seine vorherigen Taten beginnen ihn an die Welt zu fesseln. Gebunden durch die Ketten der Sinne, seiner Familie, des Reichtums und durch andere süße Dinge des Lebens, beginnt das Wesen bald unheilsam zu handeln, oh König! Doch wenn es von Sünde ergriffen ist, kann es niemals beständiges Glück erfahren. Auf diesem Weg der Welt findet es durch seine guten und schlechten Taten keine Sicherheit. Nur jene, die sich der Vertiefung im Leben zuwenden, können ihre Seele bewahren. Eine Person, die allein durch ihre Sinne regiert wird, sieht nicht, wie der Tod bereits vor der Tür steht. Schließlich wird sie von den Boten Yamas ergriffen und trifft zur bestimmten Zeit auf ihren Untergang. Von Anfang an verwirrt durch ihre Sinne bezüglich des heilsamen und unheilsamen Handelns und dessen Früchte genossen oder erlitten, erkennt die Seele wieder nicht die Taten, womit sie sich selbst zerstört. Ach, wie sehr wird diese Welt getäuscht, und die Begierde bringt alles unter ihre Herrschaft! Der höheren Vernunft beraubt durch Habgier, Zorn und Angst, erkennt man nicht sein wahres Selbst. Voller Freude über seine eigene edle Geburt (als Mensch), mißachtet man alles, was niedriger geboren wurde. Vom Stolz über seinen eigenen Reichtum aufgeblasen, beginnt man die Armen zu verachten. Man betrachtet andere als unwissende Dummköpfe und kennt sich nicht einmal selbst. Man sucht stets die Fehler in anderen, aber ist nie bestrebt, sich selbst zu zügeln. Wenn die Klugen wie die Dummen, die Reichen wie die Armen, die Hochgeborenen wie die Niedriggeborenen, die Ehrenvollen wie die Unehrenhaften am Ende ihrer Ängste auf dem Leichenplatz schlafen müssen, wo sich das Fleisch von ihrem Körper bis auf die bloßen Knochen ablöst, und die Sehnen schrumpfen, wen unter ihnen werden die Überlebenden noch als besonders schön oder wohlhabend betrachten? Welche Merkmale könnten sie dafür noch finden? Wenn schließlich alle auf die gleiche Weise hingestreckt auf der bloßen Erde schlafen müssen, warum mißachten sie ihre Vernunft und versuchen sich gegenseitig zu betrügen? Wer dies mit eigenen Augen erkennt oder von anderen lernt, wer in dieser vergänglichen Welt des Lebens Tugend übt und darin von frühem Alter an beständig ist, der erreicht das Höchste. Wer dies erkennt und der Wahrheit verbunden ist, oh König, kann über alle Wege hinaus die Befreiung erreichen.


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