Pushpak Mahabharata Buch 11Zurück WeiterNews

Jalapradanika Parva - Der Aufruf zu den Totenriten

Kapitel 1 - Sanjaya tröstet König Dhritarashtra

OM! Sich vor Nara und Narayana verbeugend, diesen Höchsten der männlichen Wesen, und auch vor Sarasvati, der Göttin des Lernens, möge das Wort Jaya (Sieg) erklingen.

Janamejaya fragte:
Nachdem Duryodhana gefallen war und auch alle Krieger, oh Weiser, was tat König Dhritarashtra, nachdem er diese Nachricht empfangen hatte? Was tat der hochbeseelte Kuru König Yudhishthira, der Sohn von Dharma? Und was taten jene drei Überlebenden (der Kuru Armee), nämlich Kripa und die anderen? Ich habe alles über die Leistungen von Aswatthaman gehört. Erzähle mir, was nach diesen gegenseitigen Verfluchungen geschah. Berichte mir auch alles, was Sanjaya zum blinden und alten König sprach.

Und Vaisampayana sprach:
Nachdem König Dhritarashtra seine hundert Söhne verloren hatte, wurde er von schwerem Kummer gequält, verlor alle Freude und erschien wie ein Baum, der seiner Zweige beraubt war. Von Angst überwältigt, konnte er kaum noch sprechen. Da näherte sich Sanjaya, der mit großer Weisheit Gesegnete, dem Monarchen und sprach:
Warum grämst du dich so sehr, oh König? Solcher Kummer ist jetzt sinnlos. Achtzehn Akshauhinis an Kriegern (ca. 4 Mio.), oh König, sind getötet worden! Die Erde ist verwüstet und nun fast leer. Die Könige aus den verschiedenen Ländern, die aus allen Himmelsrichtungen kamen, um deinem Sohn beizustehen, haben alle ihr Leben geopfert. So lasse nun die Totenriten für deine Väter, Söhne, Enkel, Angehörigen, Freunde und Lehrer in der rechten Weise durchführen!

Vaisampayana fuhr fort:
Doch der energievolle König Dhritarashtra, der seine Söhne, Berater und all seine Freunde verloren hatte, fiel er zu Boden, wie ein vom Sturm entwurzelter Baum.

Und Dhritarashtra sprach:
Ohne meine Söhne, Berater und all meine Freunde werde ich zweifellos voller Sorgen über die Erde wandern müssen. Was nützt mir nun dieses Leben noch, verlassen von allen Angehörigen und Freunden, wie ein Vogel mit abgetrennten Flügeln und vom Alter gequält? Ohne Königreich, Familie und Augenlicht kann ich, oh Weisheitsvoller, nicht länger auf Erden erstrahlen, wie eine Lampe ohne Licht. Ach, ich folgte nicht den Worten meiner Freunde wie dem Sohn von Jamadagni, dem himmlischen Rishi Narada und dem inselgeborenem Vyasa, während sie mir ihren Rat anboten. Inmitten der Versammlung erzählte mir Krishna, was zu meinem Guten war, als er sprach: „Beende diese Feindschaft, oh König! Möge dein Sohn das ganze Königreich nehmen. Gib nur fünf Dörfer den Pandavas!“ Dumm wie ich war, folgte ich nicht diesem Rat und muß es jetzt bitter bereuen. Ich hörte auch die gerechten Ratschläge von Bhishma nicht. Ach, obwohl ich vom Tod Duryodhanas höre, dessen Gebrüll so tief wie ein Stier tönte, und vom Tod Dushasanas und Karnas sowie vom Untergang der Drona Sonne, zerbricht mein Herz nicht in tausend Stücke. Oh Sanjaya, ich kann mich an keine sündhafte Tat erinnern, die ich früher begangen hätte und deren Konsequenzen ich Unwissender heute ertragen muß. Zweifellos beging ich große Sünden in meinen ehemaligen Leben, für die der Höchste Lenker mich heute dieses Maß an Kummer erleiden läßt. Dieser Untergang all meiner Angehörigen und die Ausrottung meiner Wohlgesinnten und Freunde kommt in diesem hohen Alter durch die Kraft des Schicksals über mich. Welcher andere Mensch ist hier auf Erden, der mehr gequält wäre, als mein elendes selbst? Wenn es so ist, dann mögen die Pandavas mich heute sehen, wie ich entschlossen bin, mich auf diesen langen Weg zu begeben, der zu den Bereichen des Brahman führt!

Vaisampayana fuhr fort:
Während König Dhritarashtra solchem Wehklagen nachhing, sprach Sanjaya zu ihm, um dessen Kummer zu zerstreuen:
Überwinde diesen Jammer, oh Monarch! Du hast die Gebote der Veden gehört und den Inhalt der heiligen Schriften von den Lippen der Alten, oh König. Du hast auch jene Worte gehört, welche die Weisen einst zu Srinjaya sprachen, als dieser vom Kummer über den Tod seines Sohnes schwer gequält wurde (siehe MHB 12.29). Als dein Sohn, oh Monarch, seinen Stolz zeigte, der aus der Jugend geboren wird, hast du die Ratschläge deiner Wohlgesinnten nicht beachtet. Begierig nach der Frucht, hast du aus Habgier nicht das getan, was wirklich zu deinem Guten war. Deine eigene Intelligenz hat dich wie ein scharfes Schwert verwundet. Du neigtest nun einmal dazu, jene Personen mit übelgesinntem Verhalten zu bevorzugen. Dein Sohn hatte Dushasana als seinen Berater, wie auch Karna, den übelgesinnten Sohn der Radha, sowie den ebenso übelgesinnten Shakuni, den dummen Chitrasena und auch Shalya. Dein Sohn machte sich (durch sein eigenes Verhalten) die ganze Welt zu seinem Feind. Dein Sohn, oh Bharata, folgte nicht den Worten von Bhishma, diesem ehrwürdigen Führer der Kurus, sowie von Gandhari und Vidura, Drona und Kripa, dem Sohn von Saradwat, vom starkarmigen Krishna, dem intelligenten Narada und vielen anderen Rishis, ja, nicht einmal den Worten von Vyasa selbst mit der unermeßlichen Energie. Obwohl dein Sohn mit größter Kraft begabt war, hatte er doch wenig Vernunft, war stolz, streitsüchtig, übelgesinnt, unlenksam und stets unzufrieden. Doch du bist voller Gelehrtheit, Intelligenz und stets ehrlich. Wer so rechtschaffen und intelligent ist wie du, sollte nie vom Kummer überwältigt werden. Deine Söhne hingegen haben die Tugend nie beachtet. Kampf war das Wort auf ihren Lippen. Dafür ist die Kshatriya Kaste ausgerottet worden, und der Ruhm deiner Feinde wurde erhöht. Du hattest die Position des Schiedsrichters, aber du sprachst kein heilsames Wort. Ungeeignet wie du für die Aufgabe warst, hieltest du die Waage nicht ausgeglichen. Jeder sollte von Anfang an die vernünftigen Grenzen im Handeln annehmen. Wer keine Grenzen akzeptiert, wird seine Taten später bitter bereuen müssen. Aus Zuneigung zu deinem Sohn, oh Monarch, entschiedest du dich stets für das, was Duryodhana angenehm war. Das mußt du heute bereuen. Doch es ziemt sich nicht für dich als König, dich im Jammern zu verlieren. Der Mensch der nur den Honig im Auge hat, ohne den Fall (vom hohen Baum) zu bedenken, trifft auf seinen Untergang durch seine Gier nach Honig. Solch ein Mensch wird bereuen müssen, wie du, oh König.

Ein Mensch, der sich im Jammern verliert, wird nie sein Wohlergehen finden. Indem man sich grämt, verliert man die Früchte, die man wünscht. Das Leiden ist ein Hindernis auf dem Weg zu all unseren Wünschen. Der Mensch, der dem Leiden nachgibt, verliert sogar seine Erlösung. Wer eine glühende Kohle in den Falten seiner Kleidung versteckt und durch das entfachte Feuer verbrennt, wird als Dummkopf bezeichnet, wenn er sich wegen seiner Verletzungen beschwert. Du selbst hast mit deinen Söhnen das Pandava Feuer mit deiner Habgier angefacht, wie man ein Opferfeuer mit geklärter Butter aufflammen läßt. Als dieses Feuer schließlich aufloderte, verbrannten deine Söhne darin wie Insekten. So höre nun auf, dich zu grämen, jetzt wo sie alle im Feuer der Pfeile des Feindes verbrannt worden sind. Das tränennasse Gesicht, oh König, das du jetzt trägst, wird weder von den Schriften geheiligt noch von den Weisen gelobt. Diese Tränen sind wie Feuerfunken und verbrennen und quälen nur die Toten, für die sie verschüttet werden. Überwinde deinen Kummer mit deiner Vernunft und erhebe dich mit deiner Kraft!

So wurde der hochbeseelten Sanjaya vom König getröstet. Danach, oh Feindevernichter, wurde der Monarch von Vidura voller Weisheit angesprochen.


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