Pushpak Mahabharata Buch 1Zurück WeiterNews

Arjunabanavasa Parva - Arjunas Aufenthalt im Wald

Kapitel 215 - Arjuna hilft einem Brahmanen und verletzt die Regel

Vaisampayana erzählte:
So lebten die Pandavas in Eintracht in ihrem Reich und brachten viele Könige unter ihre Herrschaft. Draupadi lebte hingebungsvoll für ihre fünf Ehemänner, diese Löwen unter den Männern von unermeßlicher Energie. Und wie den Fluß Sarasvati viele Elefanten aufsuchen, und die Elefanten sich am Strom erfreuen, so erfreute sich Draupadi ihrer fünf Gatten, und diese freuten sich an Draupadi. Und weil die ruhmreichen Pandavas äußerst tugendhaft waren, wuchs das ganze Geschlecht der Kurus ohne Sünde, glücklich und in Wohlstand.

Doch wie es das Schicksal wollte, geschah es eines Tages, oh König, daß Diebe das Vieh eines Brahmanen stahlen. Während die Diebe die Beute davon trieben, rannte der ärgerliche Brahmane nach Khandavaprastha und beschwerte sich bei den Pandavas.

Der Brahmane klagte:
Ihr Pandavas, meine Kühe wurden in eurem Reich von verabscheuungswürdigen und gemeinen Lumpen geraubt. Ihr müßt die Diebe verfolgen! Weh, die heilige Butter eines friedlichen Brahmanen wurde von Krähen gestohlen. Weh, der hinterhältige Schakal schleicht sich in die verlassene Höhle des Löwen. Ein König, der sich den sechsten Teil der Ernte nimmt, und seine Untertanen nicht beschützt, wird von den Weisen als die sündigste Person in aller Welt bezeichnet. Das Vermögen eines Brahmanen wurde von Dieben gestohlen. Die Tugend nimmt ab. Nehmt mich an die Hand, ihr Pandavas, denn ich versinke in dieser Not.

Arjuna hörte die bitteren Klagen des Brahmanen und besänftigte ihn sofort: „Keine Angst!“ Doch in dem Raum, in dem die Pandavas ihre Waffen aufbewahrten, war gerade Yudhishthira mit Draupadi allein. So zögerte Arjuna, in die Kammer einzutreten. Auch wollte er nicht ohne Waffen dem Brahmanen folgen. Doch der Brahmane weinte und drängte ihn unaufhörlich. Und so überlegte Arjuna eine Weile mit besorgtem Herzen.

Arjuna sprach zu sich:
Nun, das Vermögen eines unschuldigen Brahmanen wurde geraubt. Ich sollte wirklich seine Tränen trocknen. Er kam an unser Tor und weint immer noch. Wenn ich ihn nicht beschütze, dann wird der König von Sünde berührt wegen meiner Gleichgültigkeit. Unsere Ungerechtigkeit wird sich im Lande ausbreiten, und wir bringen damit noch größere Sünde hervor. Wenn ich den König mißachte und die Kammer betrete, bin ich diesem feindlosen Monarchen allerdings untreu. Und außerdem lade ich die Strafe des Exils im Walde auf mich. Doch ich sollte das Ganze im Auge behalten. Dann habe ich keine Furcht, diese Sünde zu tragen, wenn ich (in diesem Fall) den König mißachten muß. Ich habe auch keine Furcht, wenn ich in die Wälder muß und dort vielleicht sterbe. Tugend ist wichtiger als der eigene Körper und währt auch nach dem Tode des Körpers noch lange an.

So kam Arjuna zu seinem Entschluß. Er betrat die Kammer, erklärte sich Yudhishthira, kam mit seinem Bogen wieder und sprach freudig zum Brahmanen: „Geh schnell voran, oh Brahmane, damit die hinterhältigen Räuber keinen so großen Vorsprung gewinnen. Ich werde dich begleiten und dir dein Vermögen zurückholen, welches in die Hände von Dieben gefallen ist.“ Dann fuhr Arjuna mit seinem beflaggten Streitwagen, mit Harnisch und Bogen gerüstet davon, verfolgte die Diebe, durchbohrte sie mit seinen Pfeilen und jagte ihnen die Beute wieder ab. Anschließend übergab er dem Brahmanen sein Vieh. Und ruhmreich kehrte der Held in die Stadt zurück. Erst verbeugte er sich vor allen Älteren und wurde von ihnen beglückwünscht. Dann trat er vor Yudhishthira.

Arjuna sprach:
Gewähre mir den Abschied, oh Herr, damit ich dem Eid folgen kann, den ich schwor. Als ich dich mit Draupadi allein erblickte, verletzte ich unsere Regel. Und nun werde ich in den Wald gehen, denn das haben wir beschlossen.

Als Yudhishthira diese schmerzlichen Worte hörte, rief er mit bewegter Stimme und von Trauer übermannt aus: „Warum?“ Und nach einer Weile sprach der König kummervoll zu seinem Bruder Arjuna mit dem lockigen Haar (Gudakesha), der niemals ein Gelübde brach.

Yudhishthira sprach:
Oh du Sündenloser, wenn ich eine Autorität bin, die es würdig ist, beachtet zu werden, dann höre mir zu, oh Held. Ich weiß ganz genau, warum du die Kammer betreten hast. Und ich weiß, warum du so handeltest, auch wenn du glaubst, mich damit mißachtet zu haben. Doch in meinem Geist ist keinerlei Ärger. Der jüngere Bruder sollte immer die Kammer betreten können, in welcher der ältere Bruder mit seiner Frau ist. Daran ist kein Makel. Nur der ältere Bruder handelt gegen die Regeln des Anstandes, wenn er mit seinem jüngeren Bruder und dessen Frau so verfährt. Oh bitte, trete von deinem Entschluß zurück. Tu, was ich sage. Deine Tugend ist nicht verringert worden. Du hast mich nicht mißachtet.

Arjuna erwiderte:
Gerade von dir habe ich gelernt, daß es in der Pflichterfüllung keine Ausflüchte gibt. Ich kann mich nicht von der Wahrhaftigkeit abwenden, denn die Wahrhaftigkeit ist meine Waffe.

So erhielt er die Erlaubnis des Königs und bereitete sich auf ein Leben im Walde für zwölf Jahre vor.


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